Levi Israel Ufferfilge hat ein sehr beeindruckendes Buch verfasst: »Nicht ohne meine Kippa! Mein Alltag in Deutschland zwischen Klischees und Antisemitismus«, das bei Tropen erschienen ist. Eigentlich ist es ganz einfach. Er erzählt aus seinem Leben, von früher, von heute, von seinem jüdischen Leben in Deutschland. Auf eine so sympathische Weise, dass man ihm gerne zuhört. Und man lernt viel über sein Judentum. Man kann gar nicht anders als Respekt für seine Haltung empfinden, für seine Leidenschaft, seine Überzeugungen als Lehrer anderen zu vermitteln.
Levi Israel Ufferfilge erzählt hier und auf Facebook wie er in der Öffentlichkeit erkannt wird, nein nicht er als Person, sondern als Träger der Kippa und als Jude und als Jude beschimpft wird, dem mit Hass begegnet wird. Mitten in Deutschland im Jahre 2021. Und wie Sartre zeigt er, dass seine Mitmenschen, indem sie ihm mit Hass begegnen mehr oder nur etwas über ihren eigenen Horizont verraten, als über Ufferfilge selbst, den sie ja gar nicht kennen.
„Der Antisemitismus sei eine freie und totale Wahl, eine Haltung, die man den Juden gegenüber einnehme. Diese Merkmale gleichen sich bei den Antisemiten, bilden eine „synkretische Totalität“. Die Wahl, Antisemit zu sein, bedeute auch, den Hass zu wählen. Sie sind sich ihrer Sache gewiss; Zweifel lässt der Antisemit nicht zu. Er kann nicht allein sein. Ihm reicht das Mittelmaß, die Intelligenz wird den Juden überlassen. Zugleich entwickelt der Antisemit einen Drang nach Gleichheit, die ihm hilft, Differenzierungen zu meiden. Allein kann der Antisemit nicht handeln. Er nimmt politische Unordnung in Kauf und gibt damit zugleich jede Verantwortung auf… Vererbung oder Rasse als Erklärung für das Judentum sind für Sartre „nichts anderes als ein dünnes wissenschaftliches Mäntelchen für diese primitive Überzeugung“ (S. 26) Wie solle denn ein reicher jüdischer Händler den Ruin seines Landes wünschen? Oder wie wolle man arme Juden für den Weltkapitalismus verantwortlich machen? Der Antisemit sieht im Juden nur das Böse: „Zerstörer aus Berufung, Sadist reinen Herzens, ist der Antisemit in der Tiefe seines Herzens ein Verbrecher. Was er wünscht, ist der Tod des Juden.“ (S. 33) Und Sartre fügt hinzu: „Der Antisemit hat ein gutes Gewissen: er ist Verbrecher aus guter Absicht.“ (ib.) Er tut „das Böse für das Gute.“ (ib.) Mit dieser Umkehrung aller Werte unterstreicht Sartre das Perfide im Antisemiten“ H. Wittmann: > – Lesebericht. Jean-Paul Sartre, Überlegungen zur Judenfrage -21. November 2019
»Nicht ohne meine Kippa!« ist ein kluges Buch, eine Pflichtlektüre für alle, denen auch heute noch die Juden unheimlich sind oder denen die immer noch glauben, dass man ihnen so allerlei anhängen könnte. Und dabei wissen diejenigen, die Hass gegen sie verbreiten, eigentlich überhaupt nichts über das Judentum. Ufferfilge erzählt viel davon, wie seine Kindheit und seine Jugend davon geprägt worden sind, wie er sich jetzt für die Verbreitung seines Glaubens einsetzt und wie er immer besser denjenigen entgegentreten kann, die ihm in der Öffentlichkeit feindselig begegnen.
Seine Gegner in der Öffentlichkeit, die ihren Antisemitismus vor sich hertragen, zeigen ihr eigenes Bild vom Juden und sind gar nicht interessiert daran, mehr über das Judentum zu erfahren, denn Ufferfilges Geschichte würde an ihren Vorurteilen abprallen. Sie wissen, würden sie sich darauf einlassen, würde ihr stupider Antisemitismus zerfallen. Sartre hat das glasklar beschrieben, der Antisemit hat eine Wahl getroffen: „Allein kann der Antisemit nicht handeln. Er nimmt politische Unordnung in Kauf und gibt damit zugleich jede Verantwortung auf,“ schreibt Sartre, er ist nur in der Gruppe stark, braucht sich nicht zu vergewissern, er rechnet mit den Vorurteilen seiner Mitläufer. Der Antisemit verlangt einen Respekt gegenüber seiner Überzeugung, einen Respekt, den er dem Juden gegenüber verweigert. Er will nicht seine Überzeugung nicht an der des Juden reiben, um zu verstehen, er will nur Hass vermitteln; seine Beweggründe haben mit den Inhalten des Judentums eigentlich nichts zu tun, weil er sie gar nicht kennt.
Heiner Wittmann
Das Standardwerk zur Geschichte des Judentums
Souverän und lebendig erzählt Martin Goodman die 4000 Jahre umfassende Geschichte des Judentums: > Die Geschichte des Judentums. Glaube, Kult, Gesellschaft, Klett-Cotta 2021. Aus dem Englischen von Susanne Held. Anschaulich und klar schildert er die religiösen Vorstellungen und Praktiken einer der großen Weltreligionen. Die einzigartige und packende Globalgeschichte einer vibrierenden und vielseitigen religiösen Tradition, die – wie kaum eine andere – das geistig-spirituelle Erbe der ganzen Menschheit geprägt hat.
Levi Israel Ufferfilge, geboren 1988 im nordwestfälischen Minden, hat Jüdische Studien und Jiddistik studiert. Nach seiner Promotion ist er heute als Schu...
Levi Israel Ufferfilge, geboren 1988 im nordwestfälischen Minden, hat Jüdische Studien und Jiddistik studiert. Nach seiner Promotion ist er heute als Schulleiter der Jewish International School – Masorti Grundschule in Berlin tätig. Über seine Erfahrungen als sichtbarer Jude schreibt er auf Twitter unter dem Hashtag #juedischinschland und auf Facebook, wo seine Anekdoten eine große Leserschaft haben.
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