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Lesebericht: Patrick Bahners,Die Wiederkehr Die AfD und der neue deutsche Nationalismus

Verfasst von Heiner Wittmann
4.8.2023

Gerade melden die Agenturen die AfD liege mit nahezu 20 % in den Meinungsumfragen gleichauf mit der SPD. Erst vor kurzem hat  Maximilian Krah, der gerade gekürte Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, für die EU eine „Transformation in einen Bund der Vaterländer“ vorgeschlagen: Das klingt nach de Gaulle und das mit seinem Namen so oft verknüpfte "Europa der Vaterländer" (Frankreich-Blog),  was er vehement und aus gutem Grund abgelehnt hat.

Dem Vernehmen nach, habe die missglückte Debatte um das Heizungsgesetz und ein gewisses Misstrauen in die Politik der Ampel-Koalition diesen Aufschwung der AfD begünstigt. So einfach liegen die Dinge aber nicht, man muss schon viel genauer hinsehen, um die Gunst der Wähler zugunsten der AfD und die Entstehung des neuen Nationalismus in und mit der AfD zu analysieren. Außerdem muss auch der Populismus der AfD, Probleme ansprechen, aufbauschen und einfache Lösungen vorschlagen, in den Blick genommen, bewertet und erklärt werden. In einer ausführlich belegten Dokumentation mit vielen Beispielen untersucht Patrick Bahners die Gründung und die Entwicklung der AfD seit ihrer Gründung vor 10 Jahren. Ihre Wahlerfolge in den Ländern und im Bund zeigen, dass der deutsche Nationalismus wieder da ist, den man eigentlich 1990 für überwunden hielt.

Lesebericht: Patrick Bahners,Die Wiederkehr Die AfD und der neue deutsche Nationalismus

In der Einleitung zu seinem Band »Die Wiederkehr« mit dem Untertitel »Die AfD und der neue deutsche Nationalismus« erinnert Bahners an die missglückte Wahl Thomas Kemmerichs in Thüringen zum Ministerpräsidenten. Nach der Verfassung waren alle Regeln eingehalten wurden. Politisch missglückt war die Wahl dennoch, weil Kemmerich offenkundig mit Hilfe der AfD Bodo Ramelow mit einer Stimme Vorsprung besiegt hatte: Vgl. Testfall Thüringen S. 235-322: 5. Februar 2020 13:27: 19 bange Sekunden benötigte Kemmerich, um sich zu sammeln und bis er die Frage, ob er die Wahl annehme, mit Ja beantwortete. Worüber er wohl nachgedacht hatte? Über die Folgen? Mit Hilfe der AfD gewählt zu werden? Wie auch immer, ein Tabu war gebrochen worden. Von der Gnade der AfD zu leben, um regieren zu dürfen, das will sich eigentlich niemand zumuten müssen.

„Der Nationalismus ist wieder eine politische Kraft in Deutschland,“ heißt es auf der ersten Seite der Einleitung „Die gefährdete Republik“. Die Krise der Demokratie, die Flüchtlingsbewegung des Sommers 2015, eine Enttäuschung über die Parteien, die im Bund und in den Ländern die Regierung und die Opposition stellen, die Betonung des Volkes, seine Selbstbestimmung, wie auch die Fundamentalopposition gegenüber den anderen Parteien gehören zu Programm der AfD, wozu auch ihre Radikalisierung zu zählen ist.

Bahners will hier herausfinden, wie es zur Gefährdung der Demokratie durch einen in einer Partei organisierten Nationalismus (vgl. S. 23) kommen konnte. Dies erklärt auch den Umfang dieses Buches, das anhand verschiedener Vorgänge ausführlich belegt, dass die Entwicklung der AfD wohl am besten zu fassen ist, wenn das „Verhältnis der AfD zum politischen Prozess, sozusagen ihrer Politik mit der Politik“ (S. 23) dargestellt wird. Und genau dieses Verhältnis der AfD zur Politik ist ambivalent. Einerseits hadert sie ständig mit den „Altparteien“, will überall nur den drohenden Untergang sehen und trotzdem wird die so geschmähte Politik zum Lebensinhalt der AfD-Funktionäre. (vgl. S. 24)

Mit klaren Worten fasst Bahners das Gebaren der AfD zusammen: „Der Regierung wird die Legitimität abgesprochen. Das nationalistische Vokabular dient dazu, den Staat als Okkupationsregime hinzustellen.“ (S. 24) Und dementsprechend ist die „Führungsriege der AfD … Bund von Fanatikern und Opportunisten.“ (S. 25)

In Bezug auf den Demokratiebegriff der AfD lautet Bahners Urteil genauso eindeutig: „Der Antrieb des neuen Nationalismus, der in der AfD parlamentarische Gestalt angenommen hat, ist radikaler Zweifel an der in Deutschland gegebenen Form demokratischer politischer Herrschaft.“ (S.3 2) Mit der AfD sei eine Partei, so Bahners, im Bundestag, die es auf den Umsturz der bestehenden Ordnung abgesehen habe. (vgl. ib.)

Beeindruckend, wie präzise Bahners seine Recherchen zu Personal der AfD betrieben hat. General Joachim Wundrak trat im August 2019 als Kandidat der AfD für die Wahl des OBs in Hannover an. Nicht die Unzufriedenheit über den Zustand der Bundeswehr, sondern die Sorge vor einem Souveränitätsverlust hatte ihn in die Arme der AfD getrieben. (vgl. S. 47)

Wie im Fall Wundrak sammelt Bahners mit der Lektüre vieler weiterer Interviews und Reden anderer AfD Funktionäre die Themen und Beweggründe, deretwegen sie sich der AfD angeschlossen haben. Es ist die fundamentale Unzufriedenheit ihrer Anhänger mit der Berliner Politik und der der Landesregierungen und ideologiegetriebene Alternativen, die meist oft eher nur populistische Vorschläge hervorbringen. Dazu gehört auch das 2016 beschlossenen Grundsatzprogramm der AfD (S. 84 – 126). Populistisch ist doch, wenn die AfD in ihrem Grundsatzprogramm sagt „Dem Bruch von Recht und Gesetz, der Zerstörung des Rechtsstaats und verantwortungslosem politischen Handeln gegen die Prinzipien wirtschaftlicher Vernunft konnten und wollten wir nicht länger tatenlos zusehen.“ Vom „Bruch von Recht und Gesetz“ kann in diesem Land keine Rede sein, allenfalls ist das eine Meinung, genauso wie die „Zerstörung des Rechtsstaates“ eine Erfindung der AfD ist. Probleme benennen, die es so gar nicht gibt und dann eine Lösung skizzieren… das ist Populismus, auf den die Wähler hineinfallen.

Das Kapitel „Verschwörungstheorien in der Demokratie“ untersucht das Gerücht, die Saga vom großen Austausch und nimmt damit die Mechanismen unter die Lupe, mit denen die AfD vor dem „bevorstehenden Untergang Deutschlands“ (S. 143) warnt. Wer das nicht glaubt, hat in der Partei keine Chance. Nie würde die AfD Erfolgsgeschichten geglückter Einbürgerung erzählen, jedes Verbrechen aber nutzt sie um Flüchtlinge in toto zu kriminalisieren. In ihrem Grundsatzprogramm steht. „An Deutschlands Außengrenzen sollen wieder betriebsbereite Grenzübergangsstellen bereitstehen,“ was auf die Aufkündigung des Schengener Abkommens hinausläuft.

Alexander Gauland (S. 185-234) wie auch dem bereits erwähnten „Testfall Thüringen“ werden eigene Kapitel gewidmet.

Besondere Aufmerksamkeit bekommen, wie eingangs besprochen, die vier Facetten des neuen Nationalismus: „Realismus, Republikanismus, Anti-Moralismus und Paternalismus“. Wieder geht es um die Folgen der Flüchtlingswelle im Sommer 2015 und dem unglücklichen Wort von Horst Seehofer „Herrschaft des Unrechts“ (Februar 2016). Die Grenzöffnung der (offenen) Grenzen wurde Frau Merkel vorgeworfen.

Dieses Buch beantwortet viele Fragen. Woher kommt der Erfolg der AfD? Wie gelingt es ihr einen Nationalismus im Rahmen ihrer Partei wieder erfolgreich zu machen? Welche politischen Instrumente nutzt die Partei, um ihre Fundamentalkritik an der Berliner Demokratie, von der sie im Bund und in den Ländern außerordentlich profitiert zu verbreiten? Auf welchem Nährboden entwickeln sich die Erfolge der AfD?

Heiner Wittmann

Die Wiederkehr

Die AfD und der neue deutsche Nationalismus

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Beteiligte Personen

Patrick Bahners

Patrick Bahners, geboren 1967, studierte Geschichte und Philosophie in Bonn und Oxford. Im Jahr 1989 trat er in die Feuilletonredaktion der Frankfurte...

Patrick Bahners, geboren 1967, studierte Geschichte und Philosophie in Bonn und Oxford. Im Jahr 1989 trat er in die Feuilletonredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein, die er von 2001 bis 2011 geleitet hat. Nach Stationen in New York von 2012 bis 2015 und in München von 2015 bis 2017 berichtet er als Kulturkorrespondent aus Köln. Seit 2016 ist er zudem verantwortlicher Redakteur für Geisteswissenschaften in der FAZ. Bahners ist einer der einflussreichsten Journalist...

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