Bei Klett-Cotta ist das Buch von Katja Bauer und Maria Fiedler »Die Methode AfD« mit dem Untertitel »Der Kampf der Rechten: Im Parlament, auf der Straße – und gegen sich selbst« erschienen. Die rechte AfD versucht, im Bundestag und in den Landesparlamenten für ihre Ziele zu werben, gleichzeitig beobachten beide Autoren die innerparteilichen Auseinandersetzungen um den „Flügel“, dessen Vertreter durch mehr oder weniger rechtsradikale Äußerungen nicht nur hervortreten, um auf sich aufmerksam zu machen, sondern auch, so muss man die Analysen in diesem Buch verstehen, die eigene Partei zu unterwandern. Gemässigtere in der Partei akzeptieren das mehr oder weniger stillschweigend, da sie es vorziehen, mit dem „Flügel“ nicht in Konflikt zu geraten.
Kaum sind die Abgeordneten der AfD im Bundestag 2017 angekommen, nutzte Alexander Gauland das bei den Rechten so bekannte Muster: „…wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ (S. 10) Bekanntes Muster deshalb, weil ein Problem oder eine vermeintliche Tatsache suggeriert oder behauptet wird, worauf gleich eine Forderung folgt. In diesem Falle soll jemand der AfD (uns…. unser Volk… hier klingt die Vorstellung an, die AFD spreche für das Volk) unser Land und unser Volk weggenommen haben, also verspricht man, es zurückzuholen. Die beiden Autorinnen geben zu, dass das Land auf Versuche der AfD, auch im Bundestag Grenzen zu überschreiten und Konflikte zu schüren nicht besonders gut vorbereitet war. Aber sie betonen auch, dass unsere Demokratie nicht wehrlos sei: vgl S. 13.
Die fortschreitende Radikalisierung der AfD unter dem Einfluss des „Flügels“ zeigt, dass ihr eine Abgrenzung vom rechtsextremen Rand in der AfD misslungen ist. Beide Autorinnen zitieren viele Personen und charakteristische Vorgänge, mit denen sie den Fortgang der Radikalisierung Schritt für Schritt präzise nachweisen. Als Bernd Lucke den „Weckruf 2015“ initiiert und 4100 Mitglieder als Unterstützer gewinnt, ist dieser aber schon der Beginn vom Ende seiner Parteikarriere, so wie Frauke Petry 2017 scheitern wird.
Der „Flügel“ lässt nicht locker. Das Rentenkonzept, das im Juni 2018 vorgestellt wird, sieht einen „Staatsbürgeraufschlag“ vor. Auch beim Kyffhäuser-Treffen 2018 in Burgscheidungen, klingen erneut fremdenfeindliche Töne an und die Gemässigteren um den Parteichef Jörg Meuthen schweigen: vgl. S. 60.
Akribisch listen beide Autorinnen weitere Stationen der schleichenden Radikalisierung der Partei auf: der Personenkult um die Vertreter des „Flügels“, die Berührungen mit Vertretern der „Identitäten Bewegung“ oder mit der Initiative „Zukunft Heimat“, die sich gegen Asyl wendet, oder mit dem Netzwerk „Ein Prozent für unser Land“, die Beziehungen von „Flügel“ Unterstützer Andreas Kalbitz mit der rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Bauer und Fiedler lassen keinen Zweifel am Ergebnis ihrer Analyse: „Mit der Zeit entwickelte sich die AfD zum parlamentarischen Arm der Neuen Rechten.“ S. 84. Ihre Verteidigung sei eine „Wagenburg-Mentalität“: Zusammenrücken aber sonst nichts ändern.
Es fällt auf, so Bauer und Fiedler, wie unterschiedlich die Abgeordneten in den Ausschüssen und im Plenum auftreten, der Zuschauer von außen bekommt das nicht so mit, berichten doch die Videos der AfD in den sozialen Netzwerken vornehmlich über Aktivitäten besonders dann, wenn es um das „Vorführen“ geht, bemerkt Philipp Amthor (CDU). Polarisieren ist das Stichwort dazu, was durch die automatischen zusätzlichen Vorschläge weiterer Videos extrem rechter Kanäle, die zu denen der AfD passen, unterstützt wird. In gewisser Weise funktioniert der Algorithmus von YouTube, weil er das Umfeld der AfD ziemlich genau im Auge hat.
Vgl. dazu P. Leo, M. Steinbeis, D.-P. Zorn, »Mit Rechten reden«: „Mit ihnen reden, sie stellen, ihre Argumente untersuchen, ganz einfach ihnen zeigen, dass sie mit ihren Parolen nicht durchkommen, unaufgeregt aber hart in der Sache mit ihnen streiten und dabei unsere Streitkultur renovieren, die auch unter der GroKo gelitten hat, das alles wird die Neurechten am besten wieder zurückdrängen. Das ist die Quintessenz aus diesem Buch und aus unserem Gespräch, in dem Per Leo sehr einleuchtend seine und die Argumente seiner Mitautoren Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn erklärt hat…“
Provokationen sind seitens der AfD-Fraktion an der Tagesordnung, wie Bemerkungen wi e „Kopftuchmädchen … und sonstige Taugenichste“, S. 104, dies belegen. Die beiden Autorinnen nennen unumwunden die „klar völkischen Züge“ solcher Einlassungen wie auch das Anspielen auf den „Bevölkerungsaustausch“ gefolgt von dem Vorwurf an die Bundesregierung, dem deutschen Volk nicht mehr verpflichtet zu sein. Immer wieder das gleiche Muster, haltlose Vorwürfe, die das Sagbare verschieben, um die Ratschläge von Kubitscheks Aufsatz „Selbstverharmlosung“ (S. 106 f.) zu nutzen. Die Argumentation von Alexander Gauland im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle ist für die beiden Autorinnen ein Beleg, wie der Partei immer wieder die Einnahme der „Opferrolle“ gelingt: vgl. S. 112 f.
Die AfD hat sich ihre Bühne im Bundestag nicht alleine geschaffen. Die anderen Fraktionen waren auf den den Auftritt der AFD nicht sonderlich gut vorbereitet, haben ihr also indirekt auch eine Bühne bereitet. Auch zeichnen beide Autorinnen ein eindeutiges Bild der Situation: Drei Arten von Dilemmata: Das Empörungsdilemma bedeutet, dass die Parteien auf die Tabubrüche reagieren müssen. Ausgrenzung der AfD führt sie in eine Opferolle, und ein Altparteiendilemma, vor dem sich alle Parteien sehen, wenn die AfD sich gegen sie stellt und genau ihnen genau das geschlossen Bild vorwirft: vgl. S. 152.
Der Vorzug des Buches von Bauer und Fiedler ist die Aufdeckung der Methoden und Praktiken, mit denen die AFD das Land verändern will. Abgesehen von ihren bekannten Kritikpunkten an der gleichgeschlechtlichen Ehe, Klimaschutz, der deutsche Erinnerungskultur, der konsequenten Geschlechtergerechtigkeit und der europäische Integration, vgl. S. 175 f., lohnt sich eine Lektüre des Grundsatzprogramms der AfD von 2017, in der wieder das bekannte Muster auftaucht: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssten erst einmal wiederhergestellt werden, wobei gleich nach Volksabstimmungen und dem Ende der EU gerufen wird.
Der Widerstand der AfD gegen Migration und der Wunsch nach Abschiebung oder gar „Remigration“ wird von Juristen als „Menschenunwürdige Rechtlosstellung von Muslimen, Flüchtlingen und anderen Minderheiten“ bezeichnet. So stehe es als Überschrift in dem Gutachten des Verfassungsschutzes, das die AfD zum Prüffall erkläre, vgl. S. 212.
Der Umgang mit den Erinnerungsstätten und der Wunsch des „Flügels“, die zwölf Jahre“ nicht mehr vorgehalten zu bekommen zeigt, wie die Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals als „Denkmal der Schande“ (S. 227) durch einen „Flügel“-Mann die in Deutschland geläufige Erinnerungskultur verändern will. In diesem Zusammenhang dokumentieren beide Autorinnen auch, wie die jüdische Gemeinschaft sich gegen Vereinnahmung wehrt: S. 235 ff. Identitätsfragen führen auch zum Kulturkampf, den die Theatermacher Peter Staatsmann und Bettina Schültke erleben mussten. als die AfD-Fraktion im Landtag der Landesregierung vorwirft, die Neutralitätspflicht verletzt zu haben, worauf das Ministerium auf die grundsätzliche Freiheit der Kunst verweist: vgl. S. 242-246. Das Stichwort Neutralitätsgebot steht auch hinter dem Ansinnen, eine Meldeplattform gegen Lehrer und Lehrerinnen einzurichten.
„Angesichts des Erstarkens der Rechtspopulisten wie die AfD, möchten Sie die Demokraten stärken bei uns für den Dialog von neuem fit machen. > Logik für Demokraten lautet der Titel Ihres bei Klett-Cotta erschienenen Buches. Sie verstehen es als eine Anleitung – wozu? Wie lautet Ihre Diagnose, wenn sie die Qualität des demokratischen Diskurses in der Bundesrepublik betrachten? Auf dem Klappentext Ihres Buches steht: „Demokratie verpflichtet. Uns alle. Offen sein, zuhören, argumentieren!“ Reicht das?“ fragten wir: > Daniel-Pascal Zorn, »Logik für Demokraten«.
Die Spaltung der AfD ist ihr großes Problem, dazu kommt die über ihr schwebende Drohung, ein Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz zu werden. Strategisch gesehen hat sie auch ein Problem mit ihrer Zielgruppe. Entweder erreicht sie nur diejenigen, die Probleme mit Löhnen, Altersarmut und steigenden Mieten haben, wobei Jörg Meuthen die Partei nicht als „Prekariatspartei“ (S. 245) sehen will. Die Frage wird sein, ob die AfD die Debatte über ihren „Flügel“ in den Griff bekommt, was beim Stand der Dinge ihr wohl nicht gelingen wird. Am besten funktioniert für sie immer noch das Erzeugen von Angst. Der „Große Austausch“, Themen wie Rente und Arbeitsplatz gehören dazu. Die Partei sitzt in allen Parlamenten ist also nicht mehr nur eine Protestpartei und sie verliert im Herbst mit Angela Merkel ihr Hauptziel. Ihr bleibt vor allem der Kampf über die Identitätspolitik, mit der die (eigene) Bedrohung als Motivation für den Kulturkampf ständig wiederholt wird.
Das Buch der beiden Autorinnen enthält eine gelungene Analyse der Strategien, wie die Partei ihre Sitze in den Landesparlamenten erobert hat. Dabei fällt auf, dass ihre Ziele von einer Realisierung weit entfernt sind und ihre parlamentarische Arbeit, von der Arbeit in den Ausschüssen ganz zu schweigen, sich oft nur auf die Störung der parlamentarischen Arbeit und auf die Selbstdarstellung der eigenen Ziele reduziert. Die vielen Berichte über die Schlüsselfiguren und einzelne besonders emblematische Vorgänge fügen sich zu einem Bild Partei der Fundamentalopposition nicht nur in Bezug auf aktuellen Themen, sondern ganz grundsätzlich in Bezug auf das Selbstverständnis Deutschlands als parlamentarische Demokratie wozu auch der Versuch der Aushöhlung unserer Erinnerungskultur zählt, zusammen. Besonders nachdenklich stimmen die Methoden der Anhänger Rechtsextremer Anschauungen, denen es bei vielen Gelegenheit gelungen ist, Richtungsentscheidungen der AfD mitzubestimmen.
Heiner Wittmann
Katja Bauer, geboren 1968 in Nürnberg, schreibt seit vielen Jahren für die Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten politische Reportagen, Analysen und...
Katja Bauer, geboren 1968 in Nürnberg, schreibt seit vielen Jahren für die Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten politische Reportagen, Analysen und Kolumnen aus Berlin. Das Medium Magazin wählte sie vier Mal unter die Journalisten des Jahres, zuletzt 2018 auf den ersten Platz.
Maria Fiedler, geboren 1989 in Karl-Marx- Stadt, ist politische Korrespondentin im Hauptstadtbüro des Tagesspiegels. Sie beobachtete die AfD auf dem Weg i...
Maria Fiedler, geboren 1989 in Karl-Marx- Stadt, ist politische Korrespondentin im Hauptstadtbüro des Tagesspiegels. Sie beobachtete die AfD auf dem Weg in den Bundestag und darüber hinaus. 2018 wurde sie vom Medium Magazin unter die Journalisten des Jahres gewählt.
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