Als Erstes werden die Begriffe Familiendynamik und Gruppendynamik eruiert. Es folgen sozialwissenschaftliche Überlegungen zum Verhältnis der sozialen Gebilde Familie und Gruppe. Gruppendynamik und Familientherapie als Verfahren werden dann als Teil einer Gruppenbewegung beschrieben, die ab den 1920er Jahren entstanden ist. In einem nächsten Schritt werden einige personelle, theoretische und praktische Gemeinsamkeiten der genannten multipersonellen Verfahren beschrieben. Abschließend werden Unterschiede zwischen Gruppendynamik und systemischen Verfahren vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungen im psychosozialen Bereich beschrieben.
Summary
Family Dynamics and Group Dynamics – Definitions and Distinctions
The article begins with an examination of the concepts family dynamics and group dynamics. This is followed by sociological remarks on the relationship between the two social entities family and group. As procedures, group dynamics and family therapy are then described as part of a movement that originated in the 1920s. The next section outlines a number of person-related, theoretical, and practical commonalities shared by the multi-personal procedures referred to earlier. Finally, distinctions are made between group dynamics and systemic procedures against the background of general developments in the psychosocial sector.
In Abgrenzung zu klassischen gruppendynamischen und psychoanalytischen Gruppenkonzepten wird ein Rahmen für einen systemischen Zugang vorgeschlagen, der Gruppenarbeit als befristetes und zweckgerichtetes Projekt definiert und die Anforderungen an die Strukturierung durch Leiter und Trainer beschreibt. Im Anschluss wird das Konzept ILDIKO vorgestellt, das für die dynamischen Parameter Identitätssicherung, Lokomotion, Distanz und Nähe sowie Kohäsion steht. Beispielhaft für verschiedene Gruppenformate wie Therapie, Supervision oder Weiterbildung wird dargestellt, wie diese Parameter berücksichtigt werden können.
The authors explicitly set themselves off from traditional group-dynamic and psychoanalytic notions of the group. Instead, they propose a framework for a systemic approach defining group work as a time-limited, purpose-oriented project and describing the challenges faced by leaders and trainers in structuring these encounters. The article then outlines the ILDIKO approach, which encompasses the dynamic parameters identity assurance, locomotion, distance, proximity and cohesion. The article concludes with examples of ways in which these parameters can be taken account of in various group formats such as therapy, supervision or in-service training.
Die Geschwisterdynamik in Mehrkindfamilien ist in Deutschland bisher nur selten empirisch erforscht worden. Insbesondere die Bindungsforschung und die Kindheitssoziologie haben sich der Einflüsse, die Geschwister wechselseitig aufeinander nehmen, noch kaum angenommen. Auch das Thema, was die Geburt eines Kindes für die Geschwister bedeutet, und die Frage, welche Wirkung es lebensgeschichtlich hat, mit Geschwistern aufzuwachsen, spielen in der Familienforschung und in der Psychologie keine nennenswerte Rolle. Da aber die Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenz wesentlich von Geschwistern beeinflusst wird, verdient die innerfamiliale Sozialisation unter Geschwistern höhere Aufmerksamkeit. Im folgenden Beitrag wird der Forschungsstand exemplarisch zusammengetragen und gezeigt, wodurch die seelische Gesundheit in Mehrkindfamilien bereichert wird. Dabei werden die Ergebnisse eines qualitativen Forschungsprojektes und die daraus entwickelte Theorie der multiplen Beziehungsbereicherung vorgestellt. Geschwister entwickeln in Phasen des Übergangs besondere Fähigkeiten, etwa dyadisches Coping, symmetrische Reziprozität und Ko-Konstruktion von Wirklichkeit. Für krisenhafte Lebenssituationen wie den Übergang nach der Geburt eines Geschwisters, die Eingewöhnung in außerfamiliäre institutionelle Kontexte oder die psychische Erkrankung eines Geschwisters werden Ressourcen benannt, die zur Bewältigung beitragen können.
Summary
Siblings and their Impact on Social and Emotional Skills
Little empirical research has been done so far in Germany on sibling dynamics in multi-child families. Attachment research and childhood sociology have been conspicuously reluctant to turn their attention to the influence siblings have on one another. In family research and general psychology, the significance of the birth of a child for its siblings and the biographical effects of growing up with brothers and/or sisters play a very minor role. The article indicates the status of research on this subject and demonstrates how growing up in a multi-child family can enhance mental and psychological health. In this connection, the author discusses the findings of a qualitative research project and the theory of »multiple relational enrichment« derived from it. The theory suggests that in transitional phases siblings develop special skills such as dyadic coping, symmetrical reciprocity and co-construction of reality. Mention is also made of resources that can be drawn upon to deal with critical situations like the transitional phase after the birth of a sibling, coming to terms with institutional contexts outside the family, or coping with the mental illness of a sibling.
Geschwisterbeziehungen und -konstellationen haben einen prägenden Einfluss auf unsere Entwicklung. In unserer Arbeit zeigen wir pragmatische Interventionen lösungsfokussierter Kurzzeittherapie, mit deren Hilfe Geschwister als Kraftquellen, Vorbilder, Sicherheits-, Erfahrungs- und Wissensressourcen erfahren werden können.
Summary
Brothers and Sisters – Using sibling relations as a source of strength
Sibling relations and constellations have a formative influence on our development. The article discusses pragmatic interventions in the framework of solution-focused short-term therapy enabling clients to experience siblings as sources of strength, role models and resources of security, experience and knowledge.
Eine der Stärken der Systemischen Therapie liegt darin, den Arbeitskontext durch die problembezogene und adaptive Einbeziehung der Interaktionspartner von Hilfesuchenden zu optimieren (Exploration des Problemsystems). Wenn alle Menschen, die in ein Problem verstrickt sind, im professionellen Rahmen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten (Gestaltung eines Therapiesystems), ist eine Steigerung der Effizienz zu erwarten. Dadurch wird auch das Verständnis von psychischen Störungen sowie der sozial-linguistischen, affektiven und Verhaltensfaktoren, die zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen, verbessert. Dies impliziert allerdings, dass Menschen, die vom Problem betroffen sind, konsequent in den Prozess der Therapie einbezogen werden. So selbstverständlich dies erscheinen mag, existieren diesbezüglich auch unter Fachleuten Missverständnisse und Vorbehalte. Aus der Sicht der ambulanten, psychiatrisch-grundversorgenden Psychotherapiepraxis wird in diesem Aufsatz den Gründen dafür nachgespürt. Des Weiteren werden konzeptuelle und praktische Aspekte des Einbezugs Angehöriger sowie damit auftretende typische Schwierigkeiten erörtert. Die Implikationen für die klinische Arbeit werden durch Praxisbeispiele illustriert.
Summary
Including Relatives in Systemic Therapy: A Problem?
One of the strengths of systemic therapy is its ability to optimise the working context via problem-related and adaptive inclusion of the interaction partners of people undergoing therapy (exploration of the problem system). If all those involved in a problem work towards a common goal in a professional setting (organisation of the therapeutic system), this can be expected to improve efficacy as the result of a better understanding of psychic disorders and the social/linguistic, affective and behavioural factors sustaining those disorders. This, however, implies consequential inclusion of »problem-relevant« individuals in the therapeutic process. Self-evident as this may seem, there exist a number of misunderstandings and reservations on this point, not least from experts. The article investigates the reasons for this from a practical perspective based on the provision of essential psychotherapeutic care in an outpatient setting. It also discusses conceptual and practical aspects of the inclusion of relatives and the difficulties typically encountered in such an approach. The implications for clinical work are illustrated by a number of practical examples.
In dieser Arbeit werden Zusammenhänge zwischen der Familienfunktionalität als Indikator für die Qualität der Interaktion in Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von 72 Kindern psychisch kranker Eltern untersucht. Die Familienfunktionalität aus Elternsicht wurde mit den Familienbögen (FB-A) sowie durch die Arzt- bzw. Therapeutensicht mittels der Global Assessment of Relational Functioning Scale (GARF) erhoben. Die Lebensqualität der Kinder wurde aus Sicht der erkrankten Elternteile mit der Elternversion des KINDL-R erfasst. Es konnten mittelstarke Zusammenhänge zwischen der Familienfunktionalität und den elterlichen Beurteilungen der kindlichen Lebensqualität nachgewiesen werden. Psychisch kranke Elternteile beurteilten die Familienfunktionalität eher ungünstig und bewerteten die Lebensqualität ihrer Kinder niedrig im Vergleich zu einer gesunden Referenzpopulation von Eltern. Die Ergebnisse stützen Hypothesen, wonach eine positive Familienfunktionalität bedeutsam für eine hohe gesundheitsbezogene Lebensqualität von Kindern aus Sicht ihrer Eltern ist. Sie legen außerdem nahe, dass Interventionen zur Steigerung der Familienfunktionalität dazu beitragen können, die Lebensqualität von Kindern psychisch kranker Eltern zu verbessern.
Summary
Families with Mentally Ill Parents – Connections between family functioning and health-related life quality of children
The article discusses connections between family functioning as an indicator of interaction quality in families with a mentally ill parent and the health-related life quality of 72 children of mentally ill parents. Family functioning was assessed (1) from the parents’ viewpoint via family questionnaires (FB-A) and (2) from the physician/therapist viewpoint via the Global Assessment of Relational Functioning Scale (GARF). The children’s life quality from the viewpoint of the mentally ill parents was assessed via the parents’ version of the KINDL-R. We established medium-strength correlations between family functioning and the parents’ assessments of the life quality of their children. Mentally ill parents tend to give an unfavourable assessment of family functioning and have a low opinion of their children’s life quality in comparison with a reference population of healthy parents. The findings support hypotheses suggesting that positive family functioning is significant for the high health-related life quality of children from the parents’ perspective. They also indicate that interventions aimed at improving family functioning may be operative in improving the life quality of children of mentally sick parents.
Eine imaginäre Instanz reguliert unser Denken und Fühlen: der west-christliche Familienmythos in der seit den 1970er Jahren reformierten Version. Romantische Liebe erweist sich als ein bürgerliches Konzept, das zwar mehrfach reformuliert, doch zuletzt ob seiner Eignung für existenzielle Entscheidungen ins Gerede gekommen ist. Das auf Trennung und Scheidung der Eltern folgende Familienleben wird auf kumulativ schwächende und stärkende Wirkungen untersucht. Die Trauer des Kindes über erlittene Verluste zu ermöglichen ist die hohe Anforderung an das soziale System. Pendeln die Kinder zwischen zwei oder mehr Haushalten ihrer getrennten Eltern und ihrer Großeltern, entsteht ein bi- oder mehrlokales Familiensystem. Familienleben – so die These – endet nicht mit der Trennung der Eltern, verändert sich aber systemisch, affektiv und logistisch. Noch mehr als vor der Trennung fordert es allen Beteiligten lernbereite Offenheit und bewusste Gestaltung ihrer Beziehungen ab. Essenzialistische und naturalisierende Konzepte sind dabei hinderlich.
When Love Dies and Parents Separate – Old Problems and New Opportunities
Romantic love is the concept around which modern western desire for a private world revolves, a world where ideally the alienation caused by capitalistic constraints is to be shut out for good. But keeping love alive is a hazardous business, which is why irony and scepticism feature so prominently in the cultural and rhetorical games we play. More and more parents separate or get a divorce. When they do so, one of their main concerns is for the welfare of their children. The article demonstrates what they can do to ensure the provision of love and care for those children. Many divorced parents embark on new relationships of an intimate kind. Most of them prefer to move in with their new partners, many of them then have more children. This constellation has come to be known as a patchwork family. Living together in a patchwork family may not always be such a happy state of affairs as the partners thought it would be. The article discusses (a) the evolution and achievements of successful patchwork families and (b) lasting problems they may encounter, even to the point of complete failure.
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