»Erben« ist ein in der Therapielandschaft kaum kartiertes Feld. In systemischen Lehrbüchern findet sich das Thema praktisch nicht und wer im Netz danach sucht, stößt meist auf juristische Angebote. Dabei entstehen gerade im Zusammenhang mit diesem Thema große Belastungsproben: Mühsam gezügelte Spannungen und ungelöste Familienthemen brechen auf – eine Herausforderung für die systemische Arbeit.
Narrative Therapie wird in diesem Beitrag als Therapiekonzept beschrieben, das sich kontinuierlich weiterentwickelt hat. Ein relativistisches Konzept von ›Selbst‹ ist dabei bis heute prägend. Im Narrativen Therapieansatz wird davon ausgegangen, dass vorherrschende gesellschaftliche Diskurse schädigende, pathologisierende Beschreibungen von Menschen mit bedingen. Diese Annahme bildet den Ausgangspunkt dafür, dass sich narratives Arbeiten auch mit Fragen sozialer Gerechtigkeit im Veränderungsprozess befasst. Anhang konkreter Beispiele wird eine ökosystemische narrative Praxis vorgestellt, in der Menschen in der Therapie neue Erzählstränge entwickeln, die ins narrative Geflecht des sozialen Umfeldes eingewoben werden. Diese Erzählstränge basieren auf konkreten Erfahrungen und Handlungen, denn erst die Kongruenz von Handlung und ihr zugeschriebener Bedeutung ermöglicht es, dass die neuen Geschichten als plausibel und authentisch erlebt werden. Mithilfe der Methoden des gewaltfreien Widerstandes können Klient*innen, die Misshandlungen erfahren haben, zu Protagonist*innen ihrer selbsterzählten Lebensgeschichte werden. Indem sie sich durch verschiedene Erzählstrukturen hindurch bewegen, können sich ihre Selbstkonstruktionen verändern und sie sich als immer selbstwirksamer erleben.
Narrative Therapy is described as a developing therapeutic approach, in which the original relativistic understanding of ›self‹ remains influential. Its premise, that dominant discourses in society influence pathologizing, harmful descriptions of people, has been foundational for developments within narrative work which focus on social justice in the process of change. In the author’s eco-systemic narrative practice, new storylines are threaded into the social environment’s narrative weave. These storylines must be based on action, and the congruence of action and attributed meaning enables the credibility of new stories. Diverging from Narrative Therapy’s original understanding of problem externalisation, we can assume constantly changing possible selves. Based on this assumption, the article introduces an approach that helps clients who have experienced abuse, become protagonists of their own life story by using the methodology of Non Violent Resistance. They move through various narrative structures which enable changing constructions of self, thereby giving rise to a growing sense of self-efficacy.
Der Prozess der narrativen Traumatherapie konzentriert sich auf die verschiedenen therapeutischen Interventionen, die sich erfahrungsgemäß als besonders wertvoll erwiesen haben, nämlich die Entwicklung einer gemeinsamen Interpretation und einer Metapher als Leitnarrativ für diese Interpretation, die Externalisierung des Traumas und die Verwendung von EMDR. Der Artikel verdeutlicht einen solchen Therapieverlauf am Beispiel eines einundzwanzigjährigen jungen Mannes, der im Alter von zwölf einen schweren Unfall erlitten hatte, den er nicht verarbeiten konnte. Neben dem Prozess, wie traumatische Ängste überwunden werden konnten, schildert der Artikel auch, wie im Therapieverlauf sowohl »innere« wie auch »äußere Stimmen« gehört wurden, in denen ein Loyalitätskonflikt in der Herkunftsfamilie seinen Ausdruck fand.
The therapeutic process in Narrative Trauma Therapy focuses on a range of therapeutic interventions which in clinical experience have proven to be of great value to clients, as well as developing a shared interpretation, and a metaphore which becomes a guiding narrative for this interpretation, problem externalisation and the use of EMDR. The article illustrates this therapeutic process using the case description of a 20 year old young man, who had experienced a serious accident at the age of 12, which he had not been able to recover from psychologically. Apart from demonstrating how traumatic fear was overcome, the article also shows how internal and external voices, which expressed a loyalty conflict within the client’s family of origin, were heard as part of the therapeutic process.
Anhand zweier Beispiele, nämlich des Übergangs der DDR zur Bundesrepublik und der Ein-Kind-Politik in China, werden die Dynamiken emotionaler sozio-politischer Traumata und die Geschichte(n) dadurch entstandenen Leidens beleuchtet. Insbesondere die Wechselwirkungen von Propaganda und individuellen Reaktionen werden untersucht, ebenso die Einflüsse traumatischer Erfahrungen auf die Folgegeneration und schließlich heilende Interaktionen. Die hier gewählten Beispiele verdeutlichen, dass je nach Interpretation unterschiedliche Trauma-Narrative entstehen können, die sich wiederum spezifisch auf die Folgegenerationen und die Interaktionen zwischen den Generationen auswirken.
With reference to two examples – the transition from the German Democratic Republic (GDR) to the Federal Republic of Germany (FRG) and the one-child policy in China – the authors cast light on the dynamics of socio-political traumas and the (hi)stories of suffering they give rise to. Major focus points are the interconnections between propaganda and individual responses, the impact of traumatic experiences on the next generation and interactions of a salutary / remedial nature. The examples selected indicate that different trauma narratives may take shape depending on interpretation. These narratives in their turn have specific repercussions on subsequent generations and the way generations interact.
Der Beitrag ist die Fortsetzung eines Textes (vgl. Familiendynamik 4/2020), in dem eine persönliche Lebenskrise, die zeitlich mit der globalen Krise der Corona-Pandemie zusammenfällt, in ihrem dramatischen Gehalt reflektiert wird. Vor diesem Hintergrund werden zugleich zentrale Eigenschaften menschlicher Kommunikation erörtert. Während es in Teil I v. a. um eine Selbsterlebensbeschreibung geht, die die Leser*innen mit einer lebensweltlichen Veränderungskrise vertraut macht, und die Virus-Krise chronologisch dargestellt wird, geht es im vorliegenden Teil II um soziologische Präzisierungen. Erläutert werden einige Begriffe aus der Disziplin Soziologie, die zentral mit dem Begriff der Kommunikation arbeitet und menschliches Handeln als von Regeln geleitetes Verhalten versteht. Im Zentrum stehen Beispiele, die verdeutlichen, dass menschliche Kommunikation immer mit Rekurs auf Regeln zustandekommt und Bezug nimmt auf die basalen Dimensionen Zeit und Raum. Darüber hinaus werden neue Formen von kooperationsorientierter Sozialität in der Corona-Krise vorgestellt. In diesem Zusammenhang werden kommunikative Handlungen wie die Begrüßung, das Abschied-Nehmen und die Beziehung Dankbarkeit näher beleuchtet.
This article is the continuation of a text (Familiendynamik, 4/2020) in which the author reflects on the drama of a personal crisis coinciding with the global corona pandemic. Against this background the author also discusses central features of human communication. Part 1 was largely an autobiographical description of a crisis that changed the author’s whole life and a chronological presentation of the corona crisis. Part 2 is devoted to the sociological perspective. The author discusses a number of concepts taken from sociology, a discipline centrally concerned with communication and operating on an understanding of human action as rule-guided behaviour. Of central significance are examples designed to emphasize that human communication invariably takes place with reference both to rules and to the basal dimensions time and space. In addition, the author discusses new forms of cooperative sociality born of the corona crisis. Here the focus is on modes of communication such as meeting and greeting, leave-taking and the expression of gratitude.
Der vorliegende Beitrag untersucht das Phänomen der sogenannten repräsentierenden Wahrnehmung systemischer Aufstellungsarbeit, und zwar aus der Perspektive der Leiblichkeitsphänomenologie. Mit der Wahrnehmungs-Phänomenologie des Philosophen Maurice Merleau-Ponty wird auf die systemtheoretische Unterscheidung der Systemreferenzen des Biologischen, Psychischen und Sozialen geantwortet und der Leib als Medium beschrieben, das diese Differenzen sowohl integriert wie auch transzendiert. Die repräsentierende Wahrnehmung, so die hier diskutierte These, realisiert sich im Medium der Leiblichkeit und unterläuft die operationale Schließung autopoietischer biologischer, psychischer und sozialer Systeme.
The authors investigate the phenomenon of the so-called representational perception of systemic constellation work from the perspective of a phenomenology of corporeality (Leiblichkeit). The Phenomenology of Perception by the French philosopher Maurice Merleau-Ponty is drawn upon in providing a response to the clear-cut systems-theoretic distinction between the biological, the psychic and the social, a response that describes the body in the sense of Leib (in German Leib = »the body I am« as opposed to Körper = »the body I have«) as a medium that both reconciles and transcends those distinctions. The authors discuss the thesis that representational perception is realised in the medium of corpo-reality (Leiblichkeit) and circumvents the operational hermeticism of autopoietic biological, psychic and social systems.
Der Beitrag verdeutlicht die gesellschaftliche Bedeutung von Paarbeziehungen sowie die Folgen für das Gemeinwesen, wenn auf Dauer angelegte Paarbeziehungen scheitern. Belastete Paarbeziehungen sowie insbesondere Trennung / Scheidung beeinflussen die psychische und körperliche Gesundheit der Partner*innen langfristig, führen zu langdauernden psychischen Beeinträchtigungen bei den betroffenen Kindern und über die soziale Transmission des Scheidungsrisikos zu einer Zunahme von belasteten Paarbeziehungen in der nächsten Generation. Darüber hinaus werden Leistungen des Gesundheitswesens sowie der Kinder- und Jugendhilfe öfter in Anspruch genommen, für die das Gemeinwesen aufkommen muss. Programme zur Prävention von Paarproblemen werden vorgestellt und es wird dafür plädiert, diese wirksamen Unterstützungsangebote aktiver zu verbreiten. Die in anderen Ländern bereits umgesetzten innovativen Strategien zur Verbreitung präventiver Maßnahmen werden vorgestellt, um hieraus Vorschläge für verbesserte präventive Unterstützungsangebote für Paare auch in Deutschland zu entwickeln.
The article discusses the societal significance of couple relationships and the consequences for the community as a whole ensuing from the failure of couple relations originally intended to last. Problems besetting couple relations (especially separation/divorce) have a long-term impact on the partners’ physical and mental health. They cause extended psychic impairments affecting the children involved and lead to an increase in problematic couple relationships in the next generation as a result of the social transmission of divorce risk. Also, additional claims are made on the health system and youth welfare institutions, thus incurring higher costs for the community. The author describes programmes for the prevention of couple problems, strongly advocating the more widespread dissemination of these effective support offerings. With reference to innovative strategies for the dissemination of preventive measures already implemented in other countries, he proposes a number of improvements to the preventive support offerings available to couples in Germany.
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