Kinder und Familien mit Fluchterfahrung erleben vielfältige Umbrüche und prägende Ereignisse vor, während und nach der Flucht. Da Kinder und Familien mit diesen Belastungen und daraus resultierenden Verhaltensweisen und Bedürfnissen in die psychosoziale Begleitung und Therapie kommen, benötigen Fachkräfte Wissen und Methoden für eine kompetente Begleitung. Der Text zeigt aktuelle Zahlen und Fakten zu Fluchtbewegungen auf, stellt das Modell der sequentiellen Traumatisierung vor und gibt Ergebnisse von Studien zur psychischen Gesundheit von Kindern mit Fluchterfahrung wieder. Als notwendige Professionalisierungsaspekte für pädagogische und therapeutische Fachkräfte werden Wissen sowie der Umgang mit antinomischen Spannungsverhältnissen aufgezeigt. Ziel ist es, für die Belange von Kindern und Familien mit Fluchterfahrung zu sensibilisieren und kultursensitive Anknüpfungspunkte für praktisches Handeln zu zeigen.
Children and families with experiences as refugees are exposed to many upheavals and formative events before, during, and after their flight. Since children and families seek psychosocial support and therapy with migration related stress and resulting behaviours and needs, professionals need knowledge and methods for competent support and counselling. The text gives an overview of current facts and numbers on refugee movements, introduces the model of sequential traumatisation, and presents study results on mental health of refugee children. As important aspects of professionalisation knowledge and dealing with antinomic tensions are mentioned. The article aims to raise awareness for the needs of children and families with experiences as refugees, and to present culturally sensitive starting points for professional action.
Jordanien ist eines der am stärksten von der Syrienkrise betroffenen Länder und beherbergt derzeit den weltweit zweithöchsten Anteil an Flüchtlingen pro Kopf der Bevölkerung. Infolge der Syrienkrise gelangten ca. 1,3 Millionen Flüchtlinge nach Jordanien, vor allem aus Syrien, Irak, Jemen, Sudan und Somalia. Im zwölften Jahr der Krise leben viele von ihnen noch immer fern von ihren Heimatorten in den ursprünglich als Notunterkünfte errichteten Flüchtlingscamps. Za’atari ist das größte und bekannteste dieser Camps, es liegt nicht weit entfernt von der syrischen Grenze. Seit seiner Errichtung im Jahr 2012 ist es zum Symbol für die Vertreibung von Syrern im gesamten Nahen Osten geworden und beherbergt heute rund 82 500 Menschen. Wir haben im Rahmen einer Studie Gespräche mit Familien geführt, die seit über zehn Jahren in diesem Camp leben. Die hier vorgestellte polygame Familie von Ali Aymar mit seinen beiden Ehefrauen Lina und Reem ist ein exemplarischer Fall aus dieser Studie. Im Beitrag geht es um die Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichten mit ihren familialen Verknüpfungen. Bei den Beratungsgesprächen im Camp sind diese als Wissenshintergrund unabdingbar, um gemeinsam nach realisierbaren Möglichkeiten zu suchen, damit die Zukunftswünsche kein unrealistischer Traum für die Betroffenen bleiben.
Jordan is one of the countries most affected by the Syrian crisis and hosts the second-highest percentage of refugees per capita globally. In the aftermath of the Syrian crisis, 1.3 million refugees arrived in Jordan. They come mainly from Syria but also from Iraq, Yemen, Sudan, and Somalia. Since the beginning of the Syrian crisis, new camps have been established to house the people who have fled. In the twelfth year of the crisis, many still live far from their homes in these camps initially established as emergency shelters. Za’atari is the largest and best-known of these northern Jordan camps near the Syrian border. Since its establishment in 2012, it has become a symbol of the displacement of Syrians throughout the Middle East and now houses around 82,500 people. As part of a study, we interviewed families who have lived in this camp for over ten years. The polygamous family of Mr. Ali Aymar with his two wives Lina and Reem presented here is an exemplary case from this study. The article is about reconstructing their life stories in their family connections. During the counseling sessions in the camp, this is indispensable as background knowledge to jointly search for realizable possibilities so that the wishes for the future do not remain an unrealistic dream for the persons concerned.
Alle Familien sind unterschiedlich und einzigartig. Dennoch lassen sich kulturelle Unterschiede zwischen Familien, die von ähnlichen Kontextbedingungen geprägt sind, beschreiben. In diesem Artikel soll ein Modell zur Unterscheidung von kulturellen Gruppen anhand von unterschiedlichen Ausprägungen von Autonomie und Verbundenheit dargestellt werden. Zudem werden daraus ableitbare Implikationen für eine systemische Praxis reflektiert.
All families are different and unique. But there are cultural distinctions that can be made between families growing up under similar contextual conditions. This article proposes a model for distinguishing cultural groups on the basis of different degrees of autonomy and cohesion. The author also reflects on the implications for systemic practice that can be derived from this.
Die Methode des Gewaltlosen Widerstandes von Haim Omer hat sich von einer therapeutischen Intervention bei externalisierendem Problemverhalten von Kindern und Jugendlichen zu einer Vision entwickelt, wie Eltern, Lehrer, Gruppenleiter, Führungskräfte und viele andere Autorität mit einer Haltung von Präsenz, Transparenz und Verbundenheit sowie klaren Grenzen und (Gewaltlosem) Widerstand verbinden können. Der Fokus dieses Artikels ist nicht die Eltern-Kind-Beziehung, sondern liegt auf parallelen Prozessen, nämlich der »verbindenden Autorität« als Grundlage für die Beziehung zwischen Therapeuten und Eltern. Durch Abbildungen und Beispiele aus der systemtherapeutischen Praxis veranschaulichen die Autoren den Kern der verbindenden Autorität (Autorität durch Beziehung). Damit Beratende und Therapeuten in verschiedenen Situationen einen klaren Kurs wählen können, haben die Autoren einen »Kompass von Haltungen und Beeinflussungsstrategien« entwickelt, der beschrieben und erläutert wird.
Haim Omer’s method of non-violent resistance started as a therapeutic intervention in dealing with problematic externalising behaviour of children and adolescents. It has since developed into a vision on authority, how parents, teachers, groupleaders, executives and many others can combine an attitude of presence, transparency and connectedness with clearly defined limits and (non-violent) resistance. The article does not focuse on parent-child relationships, but on parallel processes, more specifically connecting authority as a basis for the relationship between therapists and parents. With diagrams and examples from their systemic-therapeutical practice, the authors illustrate the essentials of »connecting authority«. In order to help counselors and therapists to choose a well-defined course in different situations, the authors have developed a »compass of attitudes and influencing strategies«, which they here describe and discuss.
Psychische Symptome und Belastungen im Sport können sich als sportspezifische und -unspezifische Störungen zeigen. Sie können die Leistung mindern und auch das Risiko für körperliche Verletzungen erhöhen sowie anschließend eine Rehabilitation verlängern. Nicht erkannte oder nicht adäquat behandelte psychische Belastungen und Störungen bei Sportlerinnen und Sportlern können gravierende gesundheitliche und manchmal auch existenzielle Folgen haben. In den letzten Jahren ist der Fachbereich Sportpsychiatrie und -psychotherapie erkennbar gewachsen. Darauf Bezug nehmend erfolgt eine Übersicht zu speziellen Fragen der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Wechselwirkungen von psychischer Gesundheit, Belastung, Training, Leistung und Verletzungen im Sport werden dargestellt. Darüber hinaus werden zwei Behandlungen mit dem Synergetischen Navigationssystem (SNS) vorgestellt, bei dem die Wechselwirkungen verschiedener Faktoren im Sport einbezogen werden.
Mental health symptoms and stress factors in sports can manifest as sport-specific and -unspecific disorders. They can reduce performance and also increase the risk of physical injury and subsequently prolong rehabilitation. Unrecognized or inadequately treated mental health symptoms and disorders in athletes can have serious health and sometimes existential consequences. In recent years sports psychiatry and psychotherapy has grown noticeably. Against this background, the following is an overview of specific topics in sports psychiatry and psychotherapy. Interactions of mental health, stress, training, performance, and injury in sports are presented. In addition, two treatments using the Synergetic Navigation System (SNS) are presented, that consider the interaction of different factors in sports.
Ziel einer im Frühjahr 2020 als Kooperation der österreichischen Ausbildungsinstitutionen für Systemische Familientherapie durchgeführten und 2021 überarbeiteten Recherche war es, den Austausch zwischen therapeutischer Ausbildung, Praxis und Forschung zu fördern und zu erleichtern. Insbesondere sollte der Zugang zu wissenschaftlichen Quellen und somit die Rezeption rezenter Forschung einer systemischen Psychotherapiewissenschaft vereinfacht werden. Die Recherche hat nicht nur eine umfassende Literaturliste hervorgebracht, sondern gewährt zudem Einblicke in die deutschsprachige Szene dezidiert systemischer Psychotherapieforschung. Jene ist klein, aber durchaus aktiv, gut vernetzt und divers – im Sinne von multimethodisch und -paradigmatisch – aufgestellt. Ein großer Teil der aus ihr hervorgegangenen Publikationen besteht aus Monografien oder Sammelbänden, weniger aus wissenschaftlichen Artikeln in Zeitschriften mit Review-Verfahren. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie gut sich systemisch ausgerichtete akademische Forscher:innen positionieren, um ihre Ansätze innerhalb einer eigenständigen, allgemeinen Psychotherapiewissenschaft erfolgreich zu etablieren und sich von vereinnahmenden Tendenzen – beispielsweise der Psychologisierung oder Medikalisierung – zu emanzipieren.
An enquiry conducted in early 2020 on behalf of the three Austrian training institutions for systemic family therapy was dedicated to encourage and facilitate exchange between therapeutic training, therapeutic practice and research. Its chief concern was to simplify access to scientific sources and hence to spread the reception of recent research undertaken in connection with systemic psychotherapy. The project produced not only an extensive list of relevant literature, it also cast light on the landscape of the genuinely systemic psychotherapy research landscape in the German-speaking world. While research of this kind is not extensive, its proponents are remarkably active, well-connected and methodologically and paradigmatically diverse. Much of the publication output from this area consists of monographs or anthologies. Scientific articles in journals with review procedures are less common. The coming years will show how successful academic researchers of a systemic persuasion will turn out to be in (a) asserting the validity of their approaches in a clearly defined academic sector devoted to the science of psychotherapy and (b) resisting tendencies to steer their efforts in the direction of psychologisation or medicalisation.
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