Die Heilung psychischer Störungen als Gemeinschaftsleistung bildet den Schwerpunkt von Ausgabe 2/2022, herausgegeben von Christina Hunger-Schoppe und Rieke Oelkers-Ax.
Gewidmet wird es Jochen Schweitzer, dessen Konzept SYMPAthische Psychiatrie in den letzten 20 Jahren in diversen Kliniken angewendet worden ist. Liz Nicolai, Mitentwicklerin von SYMPA, beleuchtet, wie Wirklichkeitskonstruktionen in der Psychiatrie durch SYMPA herausgefordert werden. Sabine Schmitz und Elke Vorbringer beschreiben ihren Weg als leitende Pflegekräfte in der Auseinandersetzung mit SYMPA. Meike Wehmeyer zeigt, wie SYMPA an die psychiatrische Versorgung von geistig Behinderten angepasst werden kann. Zwei weitere Beiträge widmen sich dem Fokus: Ulrike Borst blickt mit Liz Nicolai auf SYMPA-Entwicklungen zurück; Christina Hunger-Schoppe interviewt Jay Lebow und Matthias Ochs zu ihren Begegnungen mit SYMPA.
Seiten-Blicke werfen Jens Förster und Manfred Nußbaum auf Stereotype. Sie diskutieren Auswirkungen und Umgang.
Dirk Roth, Kristin Spath sowie Ellen Aschermann untersuchen, wie häufig und mit welchem Nutzen 108 Berater*innen Genogramme verwendet haben. Der besondere Fall beschreibt, wie Beratung in einer Unternehmerfamilie mit eigentlich un»möglichen« Belastungen doch möglich wurde.
Aus dem Feld berichtet Gabriela Gottschald von aktuellen Entwicklungen rund um die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie für Kinder und Jugendliche.
Die Beendigung der Behandlung bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich. In der Vergangenheit haben die unterschiedlichen therapeutischen Schulen je unterschiedliche Aspekte des Beendigungsprozesses besonders gewichtet. Die einsichtsfokussierten Verfahren betonten die therapeutische Beziehung und den Rückblick, während die symptomfokussierten Verfahren die Therapieziele und den Blick in die Zukunft hervorhoben. In diesem Beitrag stellen wir ein integratives Modell der Beendigung vor, das die Betonungen der unterschiedlichen Verfahren miteinander verbindet und vier zentrale Aufgaben der Abschlussphase identifiziert. Wir vertreten insbesondere die These, dass Therapeuten bei näher rückender Beendigung folgende Aspekte aktiv beurteilen und bearbeiten müssen: (a) den Fortschritt und die Konsolidierung des in der Therapie Erreichten, (b) die künftige Bewahrung und Generalisierung des Erreichten, (c) die Wertschätzung der bedeutungshaltigen Beziehung sowie die Klärung der Beziehungsbrüche und -störungen, zu denen es in der Therapie gekommen ist, und (d) die Akzeptanz der bevorstehenden Trennung. Wir sind der Ansicht, dass diese vier Aufgaben sich auf zwei Achsen abbilden lassen. Die zeitliche Achse erleichtert es, die auf den Rückblick und das Nachdenken über die Vergangenheit fokussierten Aufgaben von denjenigen zu unterscheiden, die der Zukunftsplanung und Vorausschau gewidmet sind. Die andere, inhaltliche Achse erleichtert es, die auf die Therapieziele fokussierten Aufgaben von denjenigen zu unterscheiden, die der therapeutischen Beziehung gewidmet sind. Abschließend beschreibt der Beitrag die Implikationen des Modells für die klinische Praxis, die Ausbildung und die Forschung.
The ending of treatment brings with it unique challenges. Traditionally, different therapeutic approaches have emphasized distinct aspects of the termination process. Insight-focused approaches emphasized the therapeutic relationship and retrospection, whereas symptom-focused approaches emphasized therapy goals and prospection. In this paper, we present an integrative model for treatment endings, which unites the different approaches’ emphases and identifies four main challenges for the end phase. Specifically, we argue that as termination nears, therapists need to actively assess and address (a) the progress and consolidation of gains achieved in therapy, (b) the maintenance and generalization of those gains in the future; (c) the celebration of the meaningful relationship alongside resolution of ruptures that may have occurred in it, and (d) the acceptance of the impending separation between therapist and patient. We argue that these four challenges map onto two axes. One axis is temporal, and helps distinguish tasks focused on reviewing or reflecting on the past from ones devoted to planning and anticipating the future. The other axis is substantive, and helps distinguish tasks focused on the therapy’s goals from ones centered on the therapeutic relationship. We conclude the paper with a discussion of the model’s implications for clinical practice, training, and research.
Bezug nehmend auf verfahrensübergreifende Überlegungen zum Therapieende und Abschiednehmen, werden hier ergänzende systemische Perspektiven auf diese häufig etwas »unterbelichteten« Phasen des Therapieprozesses entwickelt. Aus systemischer Sicht sind die Faktoren Setting, Kontext und Auftrag mindestens ebenso relevant für Abschied und Ende einer Therapie wie die Faktoren therapeutische Beziehung und Therapieziele / Zielerreichung. Abschließend werden zwei Konzepte vorgestellt, die einen ernsthaften, aber zugleich lockeren und (aus Klientensicht) bedürfnisgerechten Umgang mit dem Therapieende nahelegen.
With reference to existing cross-procedural ideas on the end of therapy and leave-taking, the author supplies supplementary systemic perspectives on these two sometimes rather neglected stages of the therapeutic process. From a systemic viewpoint, the factors setting, context and referral are at least as relevant for leave-taking and the end of therapy as the factors therapeutic relationship and therapy objectives / achievement of objectives. In conclusion, the author proposes two concepts advocating an earnest-minded, but at the same time easy-going and (from the client’s viewpoint) need-oriented, handling of the end of therapy.
In der psychotherapeutischen Literatur nimmt das Erstgespräch seit jeher viel Raum ein, das gilt auch für die Paar- und Familientherapie. Doch wie steht es um die Abschlussphase? Sind die Themen, die sich um die Beendigung ranken – Abschied, Trennung, wann ist es genug? –, weniger interessant als der Beginn einer Psychotherapie? Dieser Beitrag beruht auf praktischen Erfahrungen in einer Sprechstunde für ältere Paare. Es geht um Konstellationen von Beendigung – beidseitig, einseitig, Abbruch – und spezifische Themen von älteren Paaren. Empfehlungen für die Erst- und »Letzt«-Gesprächsphase runden den Beitrag ab.
In psychotherapeutic literature, the first interview has always been accorded major attention, as is also the case with the literature on couple and family therapy. But what about the closing stages? Are the topics associated with termination (leave-taking, separation, when is enough enough?) less interesting than the initial phases? The article is based on the author’s practical experience with consultations for older couples. Central topics are termination constellations – mutual, one-sided, break-off – and subjects specific to older couples. The author closes with recommendations for the initial and »final« interview stages.
Systemische Therapeuten stellen immer wieder die Frage, wie starke emotionale Belastungen durch Tod, Gewalt, Sterben bewältigt werden können. Für diese Themen und die mit ihnen zusammenhängenden Prozesse werden im Rahmen von Familienberatung Lösungsvorschläge gemacht, die die Selbstwirksamkeit der Klienten stärken können. Zunächst wird herausgearbeitet, wie wichtig es bei Trauer und Verlust ist, dass die Eltern (oder andere Bezugssysteme) für ihre Kinder emotional verfügbar sind, und welche Auswirkungen es haben kann, wenn dies aufgrund anders gebundener Ressourcen nicht ausreichend möglich ist. Anschließend werden hinderliche wie förderliche Besonderheiten familiärer Interaktion beim Thema Tod und Sterben beschrieben. Anhand konkreter Beispiele wird schließlich veranschaulicht, wie Rituale initiiert und mithilfe von Symbolen passgenau gestaltet werden können. Ziel solcher Rituale ist es, der Bedeutung der Erinnerung für die Angehörigen gerecht zu werden und diese zu würdigen, zugleich aber auch den Blick wieder in die Zukunft zu lenken.
Systemic therapists are constantly concerned with the question of how major emotional stress caused by death, violence and dying can be coped with. The article focuses on family counselling and proposes solutions for dealing with these processes in a way that can strengthen clients’ self-efficacy. Initially, the author underlines how important it is in cases of mourning and bereavement for the parents (and other systems of reference) to be emotionally approachable for their children and the effects it can have if this fails to happen because the resources required have to be invested elsewhere. The following section discusses helpful and detrimental aspects of family interaction in connection with death and dying. The article closes with a number of examples illustrating how rituals can be initiated and the role played by symbols in matching them to the given situation. The aim of these rituals is to take adequate account of the significance of memory for the bereaved while at the same time helping them to train their gaze on the future.
Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, entlang eines systemischen, aber integrativen synergetischen Modells »Essentials der Psychotherapie« herauszuarbeiten und diese darzustellen. Erfahrungen aus über 40 Jahren Therapiepraxis werden anhand von Fallbeispielen illustriert und in den entsprechenden berufs- und versorgungspolitischen Kontext gestellt. Im Sinne einer Heuristik werden Erkenntnisse daraus mit Faustregeln auf den Punkt gebracht. Sie basieren auf einer Haltung bedingungslosen (aber nicht blinden) Vertrauens und sind Ausdruck einer Persönlichkeitsbildung in- und außerhalb beruflicher Kontexte.
Along the lines of a systemic model additionally geared to integration and synergy, the article sets out to identify the »essentials« of psychotherapy and to describe them in detail. The experience distilled from over 40 years of therapeutic practice is illustrated by case examples and situated in the relevant professional and care-policy contexts. The approach is heuristic, and the insights gained in this process are cogently expressed in the shape of »rules of thumb«. They are based on an attitude of unconditional (but not blind) trust and reflect personality formation in a professional context and beyond.
Schreibtherapeutische Methoden lassen sich gut in die systemische Psychotherapie integrieren. Anhand von Einsichten aus der Holocaust-Literatur und Ansätzen der Internettherapie wird die Wirkungsweise dieser Methoden beschrieben und gezeigt, wie sich diese Einsichten praktisch umsetzen lassen. Mithilfe eines Fallbeispiels wird anschließend demonstriert, wie schreibtherapeutische Interventionen in der Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung eingesetzt werden können. Im Weiteren werden die generellen Vorteile von schreibtherapeutischen Methoden beschrieben und eine theoretische Grundlage der Wirkungsweise dargestellt.
Methods based on writing therapy can be readily integrated into systemic psychotherapy. With reference to the literature on the holocaust and approaches to internet therapy, the author describes the way these methods work and shows how the insights associated with them can be turned to account in practice. Subsequently, a case example is drawn upon to demonstrate how writing therapy can be employed in the treatment of a posttraumatic stress disorder. The author also enlarges on the general advantages of writing-therapy methods and discusses the theoretical basis for its efficacy.
Ambivalenzerfahrungen sind komplexe Phänomene, die das Denken, Fühlen, Wollen und Handeln betreffen. Im vorliegenden Beitrag soll das subjektive Betroffensein, das, was wir spüren, wenn wir »ambivalent sind«, näher betrachtet werden. Auf der Grundlage der Phänomenologie nach Hermann Schmitz wird die »innere« Dynamik, die beim Spüren von Ambivalenzen entsteht, zugänglich gemacht. Als theoretische Rahmung wird auf die Differenz von Körper und Leib in der philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners zurückgegriffen, mit deren Hilfe erklärt werden soll, warum Menschen überhaupt Ambivalenzerfahrungen machen können. Die Leiblichkeit wird als der »Ort« hervorgehoben, an dem Ambivalenzerfahrungen als spürbare »Unruhen« auftreten. Anschließend werden Ambivalenzerfahrungen in einer »Struktur des Leibes« rekonstruiert. Die Untersuchung der leiblichen Dynamik des Ambivalenzerlebens lässt hoffen, dass dieses adäquater beschrieben, verstanden und – im Falle eines länger stockenden Lebensvollzugs – auch verändert werden kann.
Experiences of ambivalence are complex phenomena with a bearing on thought, feelings, volition and action. But closer inspection has yet to be trained on the way ambivalences affect us subjectively. The article takes its bearings from the concepts proposed by Hermann Schmitz in his writings on phenomenology and undertakes an initial systematic attempt to cast light on the »inner« dynamics of the process we go through when we sense ambivalences. The theoretical framework is supplied by the anthropological distinction between
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