Innere Bilder von Familien und deren Darstellung sowie die Dynamiken beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher (kultureller) Konzepte bilden
den Schwerpunkt von Heft 3, herausgegeben von Jörn Borke.
Ina Blanc und Brian Cardini stellen anhand von Beispielen die therapeutische Arbeit mit Kinderzeichnungen im Familiensetting dar.
Diana Dreßler und Fränze Seidel beschreiben in jeweils eigenen Fokus-Beiträgen die Situation von transnationalen Familien aus Lateinamerika sowie der Republik Moldau. Am Beispiel von Müttern, die ihre Heimatländer verlassen haben, um Geld für ihre Familie zu verdienen, analysieren sie Auswirkungen dieser Trennungsprozesse.
Seiten-Blicke werfen Günter Schiepek et al. auf die methodische Entwicklung des Therapie-Prozessbogens (TPB), der in der stationären und ambulanten Therapie Anwendung finden kann. Außerdem blickt Stefan Jooß auf die Not mit den Noten in der Schule und den Leistungsdruck, unter dem viele Jugendliche stehen. Er untersucht die Dynamiken, die aus elterlichem Erwartungsdruck entstehen, und zeigt Lösungen auf.
Im besonderen Fall von Sarah Pohl geht es um Konflikte eines Paares, bei dem ein Partner Verschwörungstheorien vertritt.
Aus dem Feld berichtet Petra Girolstein darüber, ob und wie die Ansätze zur »Neuen Autorität « in China umgesetzt werden können und was hierbei sowohl in der Weiterbildung wie auch in der praktischen Anwendung bedeutsam ist.
Sprache wird in der Begegnung zwischen Transpersonen und ihren Behandler:innen häufig zu einem Werkzeug der (in der Regel unbeabsichtigten) Ausgrenzung, zu einer regulierenden Praxis, die bestimmte Identitäten als die (weder benannte noch hinterfragte) Norm etabliert, bestimmte Konzepte vom Körper herstellt und andere verwirft. Ziel dieses Beitrags ist es, Psychotherapeut:innen und Berater:innen für die im therapeutischen Kontext wirksamen Machtstrukturen und -dynamiken und ihre potenziell schädlichen Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung zu sensibilisieren. Darüber hinaus werden Möglichkeiten für einen respektvollen Sprachgebrauch aufgezeigt, um so Transpersonen den Zugang zu psychotherapeutischen und Beratungsangeboten zu erleichtern. Um zu analysieren, wie sich kulturelle Normen und gesellschaftliche Machtstrukturen im Kontakt zwischen Transpersonen und ihren Behandler:innen und Berater:innen manifestieren, greife ich auf Denktraditionen und Konzepte der Kritischen Theorie, insbesondere auf die Begriffe »Othering« (Spivak, 1985, S. 252) und »heterosexuelle Matrix« (Butler, 2006 [1990], S. 55) zurück. Wird Letztere verletzt, entsteht bei Behandler:innen häufig ein Unbehagen, denn homo- und bisexuelle, Trans- und Interpersonen erinnern sie an das, was in unserem Menschenbild ausgeschlossen und verdrängt wurde, um Ordnung und Sicherheit herzustellen. Wenn wir Transpersonen in Therapie und Beratung hilfreich sein wollen, ist es aber notwendig, genau dieses Unbehagen auszuhalten und daran zu wachsen.
In encounters between trans people and their therapists, language frequently turns (usually inadvertently) into an instrument of marginalization, a regulatory practice establishing certain identities as the (implicit and unquestioned) norm and foregrounding specific concepts of the »body« while rejecting others. This article sets out to sensitize psychotherapists and counsellors to power structures and dynamics operative in the therapeutic context and their potentially harmful effects on the therapeutic relationship, indicating possible paths to respectful language usage and thus facilitating trans people’s access to psychotherapeutic and counsel services. In the analysis of the way in which cultural norms and societal power structures manifest themselves in encounters between trans people and their therapists / counsellors, the author draws upon the arguments and terminology of Critical Theory, notably the concepts »othering« (Spivak) and »heterosexual matrix« (Butler). Violations of this matrix produce a degree of discomfiture in therapists because homosexual, bisexual, trans and inter people are a reminder of what we have excluded and repressed for the sake of order and security in our image of the human individual. If we genuinely want to help trans people benefit from therapy and counselling, it will be imperative to confront and outgrow this discomfiture.
Lange Zeit war die trans*-spezifische Gesundheitsversorgung geprägt durch eine Psychopathologisierung von Trans*-Identitäten. Die Betroffenenperspektive fand nur geringe Beachtung. Gefordert wurde deshalb eine die Menschenrechte achtende Gesundheitsversorgung, die die Bedürfnisse von transsexuellen Menschen wahr- und ernst nimmt. In den diagnostischen Klassifikationssystemen (DSM-5, ICD-11) wurden entsprechend die diagnostischen Kriterien modifiziert und die Begriffe Geschlechtsdysphorie und Geschlechtsinkongruenz neu eingeführt. Während für die Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen in Deutschland lange Zeit Standards galten, die 1997 von unterschiedlichen Fachgesellschaften festgelegt wurden, sind international neue »Standards of Care« (SoC) der World Professional Association for Transgender Health (WPATH) entwickelt worden. In Deutschland wurden die Standards zur Behandlung 2018 in Form der S3-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit (AWMF-Registernummer 138 – 001) aktualisiert. Dieser Beitrag stellt einige der zentralen Behandlungsempfehlungen dieser Leitlinie vor, insbesondere das Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung. Darüber hinaus wird eine neue Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (»Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus«) vorgestellt und die ihr zugrundeliegenden diagnostischen Kategorien kritisch diskutiert.
For a long time, transgender-specific health care was marked by a definite tendency to psychopathologize trans-identities. Little attention was given to the perspectives of the people affected. This led to a call for a species of health care attentive to human rights, an approach seriously responsive to the needs of transsexual individuals. Accordingly, the criteria listed in the diagnostic classification systems DSM-5 and ICD-11 were revised, introducing the new terms »gender dysphoria« and »gender incongruence«. Before 2018, the treatment and expert assessment of transsexuals in Germany was undertaken in accordance with Good Practice standards laid down in 1997 by different specialist associations. At the same time, new Standards of Care (SoC) were being developed by the World Professional Association for Transgender Health (WPATH). In 2018, Germany updated its treatment standards and published them in the S3 Guideline on Gender Incongruence, Gender Dysphoria and Transgender Care (AWMF registration no. 138 001). The present article discusses a number of central treatment recommendations set out in the Guideline, notably the principle of participatory decision-making. It also comments on new expert-assessment instructions proposed by the Medical Service of the Central Federal Association of Health Insurance Funds (»Sexual Assimilation Measures for Transsexuals«) and offers critical discussion of the diagnostic categories underlying them.
Psychotherapeut_innen sind in der Arbeit mit trans* Personen herausgefordert, ihre geschlechtliche und sexuelle Identität als Teil ihres therapeutischen Wirkens zu verstehen, sich innerhalb eines unübersichtlichen fachlichen Wissensfeldes zu orientieren und häufig in einem Kontext zu agieren, der von Zwängen, Erwartungen und diffusen Ängsten geprägt ist. Dieser Beitrag möchte mit Erfahrungen aus der therapeutischen Praxis sowie der Fortbildungs- und Supervisionsarbeit dazu beitragen, das Miteinander in der therapeutischen Arbeit zu stärken. Insbesondere das körperbezogene Resonanzgeschehen wird beleuchtet. Bleibt dieses unverstanden, kann es zu einer besonderen Belastung der therapeutischen Beziehung werden. Zudem möchte der Artikel einladen, die psychotherapeutische Arbeit mit trans* Personen auch als einen Entdeckungs- und Aneignungsprozess eigener geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu verstehen.
When working with trans persons, challenges for psychotherapists include (a) understanding their own gender identity / sexual identity as part of their therapeutic efficacy, (b) finding their way around in a confusingly diverse field of knowledge and (frequently) (c) acting in a context marked by structural constraints, expectations and diffuse anxieties. The present article draws upon experience in practical therapy and insights from further-education and supervisory activities with a view to strengthening collaboration in therapeutic work. A major focus is on body-related resonance processes. Misunderstanding or neglecting this aspect can place a major burden on the therapeutic relationship. The article is also an invitation to interpret psychotherapeutic work with trans persons not least as a process of discovering and appropriating gender diversity and sexual diversity in one’s own self.
Obwohl Regenbogenfamilien Teil unserer Gesellschaft sind, werden ihre Mitglieder nach wie vor vielfach benachteiligt. Dies beginnt mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, die in diesem Artikel beschrieben werden. Da Privatpersonen wie Fachleute bis heute vergleichsweise wenig über Regenbogenfamilien und ihre Erfahrungswelten wissen, fokussiert dieser Beitrag darauf, die Lebenssituationen von (Mitgliedern von) Regenbogenfamilien darzustellen. Zu diesem Zweck werden Möglichkeiten der Familiengründung für Regenbogenfamilien vorgestellt und auf ausgewählte wissenschaftliche Studien eingegangen, v. a. mit Blick auf lesbisch und schwul lebende Menschen mit Kinderwunsch sowie Eltern, die Familie in vielfältigen Formen von Regenbogenfamilien leben. Aus der Außenperspektive betrachtet, handelt es sich bei diesen Familien um nicht-heterosexuelle und insofern nicht »normale« Familien. Aus der Innenperspektive betrachtet, sind es gleichwohl vielfältig diverse »normale« Familien. Regenbogenfamilien wünschen sich Berater:innen und Therapeut:innen, die sie kompetent, offen und respektvoll begleiten und die über ein Grundwissen bezüglich der Lebensrealitäten von LGBTIQ*-Personen verfügen. Die Ausführungen zu den verschiedenen Aspekten in diesem Beitrag wollen diesem Anliegen Rechnung tragen.
Although Rainbow Families are part of our society, their members are still disadvantaged in various ways. One instance of this are the legal parameters described in this article. Private individuals and experts know comparatively little about Rainbow Families and their experiential worlds. Accordingly, the article focuses on outlining the life situations of (members of) Rainbow Families. To this end, the author lists the problems involved for LGBTIQ* persons in founding families and discusses selected scientific studies mostly concerned with gays and lesbians wanting children of their own and with parenting in various kinds of Rainbow Families. From the outer perspective, these families are not heterosexual and can hence hardly be classified as »normal«. Seen from within, however, they are »normal« families displaying a high degree of diversity. Rainbow Families require counsellors and therapists accompanying them in a competent, open-minded and respectful way and with a basic knowledge of the realities determining the lives of LGBTIQ* persons. The remarks made on various aspects of the Rainbow phenomenon in this article are designed to go some way towards fulfilling this desideratum.
Verglichen mit der umfangreichen Forschungsliteratur über die neurobiologischen und genetischen Faktoren in der Ätiologie der ADHS im Kindes- und Jugendalter, wird der Einfluss der Familie in der Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung in der Wissenschaft immer noch vernachlässigt. Diese Übersichtsarbeit fasst theoretische Hintergründe und empirische Erkenntnisse zu den Zusammenhängen zwischen familiären Konflikten und kindlicher ADHS zusammen. Es wird von einer genetischen Disposition für ADHS ausgegangen, mit der familiäre Konflikte auf komplexe Weise interagieren. Der Artikel stellt dar, wie familiäre Konflikte die Entstehung, die Aufrechterhaltung und den Verlauf von ADHS-Symptomen bei Kindern und Jugendlichen beeinflussen können, die wiederum vielseitig auf das Familienklima zurückwirken. Es werden aktuelle Fragestellungen und neue Methoden dieses Forschungsfelds vorgestellt und ihre praktischen Implikationen diskutiert. Der Beitrag unterstreicht, wie wichtig es ist, das familiäre Umfeld in der Diagnostik und Therapie von betroffenen Kindern angemessen zu berücksichtigen. In diesem Sinn erscheinen auch präventive Ansätze zur Vorbeugung von familiären Konflikten bedeutsam und vielversprechend.
There is extensive research literature on the neurobiological and genetic factors in the aetiology of child and adolescent ADHD. By contrast, the influence of the family on the origin and persistence of the disorder has been given little scientific attention. This article sets out to summarise theoretical backgrounds and empirical insights on the associations between family conflicts and ADHD in children and adolescents. It is assumed that the genetic predisposition for ADHD interacts with family conflicts in a complex manner. The article describes how family conflicts can influence the aetiology, the persistence, and the course of ADHD symptoms in children and adolescents and the various ways in which these symptoms affect the family climate. There follows a discussion of topical issues and new methods in this field of research and the implications they have for clinical practice. The article emphasises the importance to take due account of the family environment in diagnosis and treatment of children with ADHD. In this context, approaches aimed at preventing family conflicts are also important and promising.
In den gängigen Rezeptionen systemischer Theoriebildung hat das Thema Körper bisher nur wenig Berücksichtigung gefunden. In der praktischen systemischen Arbeit werden körperliche Aspekte im Rahmen unterschiedlicher Techniken und Zugänge einbezogen, doch auch hier wird die Rolle des Körpers meist nicht explizit thematisiert.In den letzten Jahren ist in der psychologischen und kognitionswissenschaftlichen Forschung der enge Zusammenhang von Körper, Kognition und Affekt unter dem Begriff
In the reception accorded to systemic theory formation, little attention has been given so far to the subject of the body. In systemic practice, bodily aspects are taken account of in connection with various techniques and modes of access, but here again the role of the body is rarely referred to explicitly.Under the heading of
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