Anfang der 1980er-Jahre erkannten Familientherapeuten, dass es in der Therapie einen Unterschied bedeutete, ob Familien ein Unternehmen besaßen oder nicht. Es bestand große Unsicherheit darüber, inwiefern ein Familienunternehmen die Familiendynamik beeinflusst und wie umgekehrt diese vom Unternehmen beeinflusst wird. In diesem Text wird ein Blick auf die bestehende Literatur geboten und ein Rahmen für TherapeutInnen entwickelt, um ihnen zu helfen, über die Rolle des Unternehmens im Familienleben nachzudenken und die Entwicklung angemessener Interventionsstrategien anzuregen
Working with Families in Business – Common Scenarios and Suggestions for Intervention
In the early 1980s family therapists recognized that in the therapeutic context families that owned businesses were different from families that did not own businesses. There has been vast confusion about how family business ownership affects and is affected by family dynamics. In this paper, we will explore the extant literature and present a framework to assist those in the therapeutic community think about the role of business in family life so as to enable the development of appropriate interventions.
Die Dynamik einer Familie, die ein Unternehmen besitzt und führt, ist von eben diesem Unternehmen beeinflusst. Umgekehrt wird auch das Unternehmen von der Familie beeinflusst. Zunächst steigert ein Unternehmen »in der Familie« deren Komplexität. Auf der anderen Seite verändert die Familie das im Unternehmen verfügbare Kapital, und zwar in Bezug auf alle Kapitalarten. Stärker noch ist die Bedeutung des Unternehmens für die Familie, da in beiden andere und zum Teil sich widersprechende Kommunikations-, Ausgleichs- und Gerechtigkeitslogiken vorherrschen. Hierbei kann es zu einem exponentiellen Anstieg potenzieller Konflikte der aneinander gekoppelten Systeme kommen. Die Exponiertheit des gekoppelten Systems verlangt nach Komplexitätsmanagement und Führung sowie einer abgestimmten Familien- und Unternehmensstrategie. Der Königsweg hierbei liegt in Bewusstheit und Selbstreflexion aller Beteiligten.
Family Businesses: A Blind Spot in Family Therapy?
The dynamic processes operating within a family that owns and runs a business are influenced by that business. Vice versa, the business will also be influenced by the family. First of all, a family business will increase complexity in the family context. On the other hand, the family changes the capital (of all kinds) that the business can draw upon. But the significance of the business for the family is even greater because of the differences in the logics operative in these two systems in terms of communication, equalisation and justice. Where these logics are contradictory, the outcome is an exponential increase of potential conflicts in the two systems thus coupled. This vulnerability of the coupled system calls for complexity management, leadership and the harmonisation of family- and business-related strategies. The ideal solution is awareness and self-reflection on the part of all those involved.
Eine Abhängigkeitsgeschichte im sozialen Kontext eines Familienunternehmens macht die Sucht nicht zu einem völlig anderen Geschehen als bei Betroffenen ohne Familienunternehmen. Die spezifische Ausprägung der Kopplung der sozialen Systeme Familie und Unternehmen, in die ein/e Familienunternehmer/in eingebunden ist, setzt das süchtige Verhalten eines Familienunternehmers jedoch in einen spezifischen Rahmen und legt besondere Funktionen des süchtigen Verhaltens nahe. Diesen Rahmen als zusätzlichen Einflussfaktor zu verstehen, ist für die Betroffenen selbst, deren Angehörige und ihre Suchtberater hilfreich. Betrachtet man Suchtgeschehen als Möglichkeit, eine als überkomplex empfundene Umwelt handhabbarer zu machen, so wird deutlich, dass ein Suchtberater beispielsweise dem »Trinker« nur dann gerecht werden kann, wenn er die Komplexität des Geschehens mit einbezieht. In diesem Artikel wird Suchtgeschehen in der Dynamik zwischen Familie und Unternehmen beschrieben, ohne damit zu unterstellen, dass süchtiges Verhalten sich ausschließlich aus diesen spezifischen Mustern erklären lässt. Es werden Anregungen für die Beratung von abhängigen Familienunternehmern angeboten.
Family Businesses and Addiction
A balancing act
Regarding addiction in the social context of a family business does not make it into something entirely different from what it is otherwise. But the specific features operative in a coupling of the social systems family and enterprise place the addictive behaviour of a family entrepreneur in a distinctive framework and suggest that addictive behaviour may have special functions in that context. Understanding this framework as an additional operative factor is helpful for the addicts themselves, for their families and also for addiction counsellors. If one regards addiction as a potential facilitator in coming to terms with an environment experienced as overly complex, then it quickly becomes apparent that an addiction counsellor can only do justice, say, to a »drinker« if he/she takes the complexity of the parameters involved into account. In this article the addiction process is described as a function of the dynamics obtaining between the family and the business, without suggesting that addictive behaviour can only be explained by the specific patterns observable in such a context. The article also contains suggestions for counselling angled at substance-dependent family business members.
Schwierigkeiten der Ablösung und der Lebensplanung bei Kindern in Unternehmerfamilien werden anhand eines Beispiels aus dem eigenen Umfeld rekonstruiert und mit einem Klientensystem aus der therapeutischen Praxis verglichen. Der Fokus liegt auf der Unterscheidung des Geschlechts und der Geschwisterkonstellation. Strukturelle Gegebenheiten von Familie und Geschäft schränken die Entwicklungsmöglichkeit von Einzelnen drastisch ein. Als Therapeutin sollte man sich der familienspezifischen Gebundenheit an das Eigentum bewusst sein, um bei Einzelnen Emanzipation zu fördern, ohne dabei übers Ziel hinaus zu schießen.
For Their Own Good – Gender-specific pressures in family businesses
Separation and life-planning difficulties encountered by children in business families are reconstructed with reference to an example from the author’s own environment and compared with a client system from her therapeutic practice. The article focuses on gender differentiation and sibling constellations. Structural factors operative in families and businesses impose drastic restrictions on individual members’ development potential. To encourage individual emancipation with the appropriate restraint, therapists should be aware of the family-specific attachment to property.
In der Entstehung von Nachfolgebereitschaft spielen sowohl die Erziehung als auch die Sozialisation von Unternehmerkindern eine wesentliche Rolle. Das Heranwachsen von Unternehmernachkommen findet im Spannungsfeld der drei Systeme Familie, Unternehmen und Eigentum statt. Dabei beeinflusst die Erziehung durch den Vater ganz entscheidend die Entstehung von Nachfolgebereitschaft ihrer männlichen Nachkommen. Eine Auswertung der hier beschriebenen fünf zentralen Faktoren väterlichen Erziehungsverhaltens legt nahe, dass Unternehmerväter die Nachfolgebereitschaft ihrer Nachkommen dann positiv beeinflussen, wenn sie eher familienorientiert handeln, im Erleben der Nachkommen anwesend sind, über einen klaren Außenbezug verfügen, eher positive Erziehungsmittel einsetzen und sie insgesamt einen als gelassen zu kennzeichnenden Erziehungsstil verfolgen.
Business Families and the Succession Problem – The tensions between family, business and ownership in the upbringing of successors
The willingness of offspring to take over a family business is crucially affected both by the upbringing and the socialisation of these prospective successors. As they grow up, youngsters in such a position are affected by the interplay of tensions exerted by the three systems family, business and ownership. Here the role played by the father in the upbringing process is highly significant for the inclination of male children to take over the business. The evaluation of the five factors described here as crucial elements in paternal upbringing behaviour suggests that fathers will be most likely to have a positive influence on their children’s willingness to take over from them if they are (1) family-oriented in their actions, (2) are not perceived as absentee fathers by their children, (3) have a clear relation to the outside world, (4) employ positive upbringing methods and (5) are relaxed and even-tempered (»laid-back«) in their upbringing style.
In der psychotherapeutischen Behandlung von Migranten aus familienorientierten Gesellschaften haben die kulturelle Identität und die Rolle der Familie eine besondere Bedeutung. Die familienorientierten Vorstellungen der ersten Generation unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Biografien von denjenigen der zweiten und dritten Generation durch den Grad
der kulturellen Identität und der Verbundenheit mit traditionellen Wertvorstellungen. Neben den Generations- und Kulturkonflikten sind vorhandene Sprachbarrieren, das unterschiedliche Krankheitsverständnis und die Krankheitsverarbeitung weitere Aspekte, die eine psychotherapeutische Behandlung dieser Gruppe erschweren. Die systemische Perspektive mit einer systematischen Einbeziehung der Familie in die Behandlung und die Nutzung von familienorientierten und kulturellen Ressourcen sind für eine adäquate Therapie von großem Nutzen.
Migration, Identity, and Health
In the psychotherapeutic treatment of migrant families from family-oriented societies, cultural identity and the role of the family are of particular significance. Due to biographical differences the family-oriented notions of the first generation differ from those of the second and third generations in terms of the degree of cultural identity and affiliations to traditional values. Alongside generational and cultural conflicts, language barriers, differences in the understanding of illness and ways of coming to terms with it are further factors complicating psychotherapeutic treatment for this group. A systemic perspective involving systematic inclusion of the family in treatment and the exploitation of family-oriented and cultural resources is a major asset for appropriate therapy design.
Im vorliegenden Beitrag werden einige wesentliche Merkmale systemischer Forschung beschrieben. Da es hier um die Struktur, Funktion und Dynamik von Systemen unterschiedlicher Art geht, ist systemische Forschung nicht auf den psychosozialen Bereich oder gar auf Systemische (Familien-)Therapie beschränkt, sondern ein disziplinübergreifendes Unterfangen. Der hier charakterisierte Zugang beinhaltet einige klare Positionen (vielleicht auch Kontroversen), die einzeln benannt werden. Abschließend werden zwei unterschiedliche systemwissenschaftliche Forschungsprogramme exemplarisch skizziert (eines aus dem Bereich der neuronalen Tiefenhirnstimulation, eines aus dem Bereich der Psychotherapieforschung) sowie eine neue Definition von systemischer Therapie vorgeschlagen.
The Scope and Aims of Systemic Research
This article describes some essential features of what the term »systemic research« can mean. An approach interested in the structures, functions, and dynamics of quite different types of systems cannot of course be restricted to the psychosocial domain or to research on systemic (family) therapy alone. Systems theory and complexity science are transdisciplinary undertakings integrating a variety of different methods and taking various perspectives on complex systems. A number of issues, some of them potentially controversial, are enumerated for further discussion. The article ends with a brief account of two systemic research programs, one from the domain of deep brain stimulation, the other from psychotherapeutic process-outcome research. The author also proposes a new definition of systemic therapy.
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