Bindungsentwicklung ist ein evolutionäres Programm. Gesunde Entwicklung findet von der Geburt an in sicheren Bindungsbeziehungen statt, unsichere sind ein Entwicklungsrisiko. In sicheren Bindungsbeziehungen werden Gefühle organisiert und Innere Arbeitsmodelle vermittelt, die positive Erwartungen an andere und eine beeinflussbare Wirklichkeit beinhalten. Auf dieser Basis wird Verhalten geplant und gesteuert und den wahrgenommenen Ereignissen Bedeutung verliehen. Eine bedeutungsvolle Kohärenz der Wahrnehmung und der sprachlichen Darstellung bildet sich vor allem im Rahmen von Gemeinsamer Aufmerksamkeit mit besonderen Erwachsenen aus. Sie hat sich als humanspezifische Fähigkeit während der Evolution als genetisch offenes Programm ausgebildet. Es bedarf der Vermittlung von Bedeutung im Diskurs und ist gleichzeitig die biologische Grundlage für die kulturelle Entwicklung eines jeden Menschen. Väter spielen, wenn sie spielfeinfühlige Herausforderer sind, eine entscheidende Rolle dabei. Folgen sicherer und unsicherer Bindungsentwicklung sind Unterschiede im Umgang mit den Zusammenhängen von (inneren) Gefühlen und (äußerer) Wirklichkeit. Psychisch sichere Personen verfügen über konstruktive innere Kohärenz. Sie befinden sich mit ihren Gefühlen und mit der Wirklichkeit im Einklang, ihr Umgang mit sich und der Welt ist durch Personenorientierung, Motivklärung und Lösungsperspektive gekennzeichnet. Psychisch unsichere Personen verengen und verändern bei Belastung ihren Bezug zur Welt, ihre Wahrnehmungen und Darstellungen von Beziehungen zu Ereignissen und Personen sind, von negativen Erwartungen geprägt, häufiger inkohärent. Die Kenntnis der entwicklungspsychologischen Zusammenhänge kann psychologische Fehlanpassungen erklären, die auf inkohärenten Arbeitsmodellen basieren.
Die Grundlagen der systemischen Familientherapie/-theorie und der Bindungstheorie werden skizziert. Nach einer Diskussion der Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze wird ein integrativer Entwurf einer systemischen Bindungstheorie entwickelt, aus dem klinisch-psychotherapeutische Implikationen abgeleitet werden. Diese bauen auf den Empfehlungen von Bowlby (1979) auf, gehen aber über diese hinaus, indem zentrale Aspekte der systemischen Therapie/Theorie (z. B. Ressourcenorientierung; Mehrgenerationsperspektive und Genogramm-Arbeit; Sensibilität für triadische Beziehungsstrukturen) sowie der neueren Bindungsforschung integriert werden (z. B. zur transgenerationalen Weitergabe von Bindungssicherheit und zu »ererbten Traumata«). Auffällig ist, dass eine Vielzahl von englischsprachigen Publikationen zum Thema der Integration von systemischer Therapie/Theorie und Bindungstheorie vorliegen sowie drei neu entwickelte systemisch-bindungstheoretische Ansätze mit nachgewiesener hoher Wirksamkeit (Attachment-Based Family Therapy, ABFT; Multidimensional Family Therapy, MDFT; Emotionally Focused (Couple) Therapy, EFT), während die Bindungstheorie von deutschen systemischen Therapeuten bisher kaum beachtet wurde.
Die vielfältigen psychosozialen Belastungen in Familien mit einem psychisch kranken Elternteil führen zu einer beeinträchtigten Familienfunktionalität im Alltag. Die Relevanz der einzelnen Einflussfaktoren ist kaum erforscht. Die in der Bindungsforschung gut untersuchte Qualität familiärer Bindungsbeziehungen dürfte ebenso eine Rolle spielen wie die Schwere der Erkrankung und die Symptomatik. Methode: An 76 Elternteilen mit unterschiedlichen psychiatrischen Diagnosen wurden die Zusammenhänge zwischen Familienfunktionalität, elterlichen Bindungsmustern und Erkrankungsfaktoren untersucht. Die Patientensicht der Familienfunktionalität wurde mit dem FB-A (Allgemeinen Modul der Familienbögen) erfasst, die Therapeutensicht mit der GARF (Global Assessment of Relationship Functioning Scale), die Bindungsmuster mit dem BFPE (Bielefelder Fragebogen zu Partnerschaftserwartungen). Ergebnisse: In der Selbstbeurteilung zeigten sich große Unterschiede in der Familienfunktionalität in Abhängigkeit vom Bindungsmuster. Ambivalent Gebundene gaben die geringste Funktionalität an. Schlussfolgerung: Lassen sich die Zusammenhänge bestätigen, so spricht dies für bindungsbezogene Familieninterventionen in Familien mit einem psychisch kranken Elternteil.
Erst allmählich werden lesbische Paare mit Kindern als ein Thema in der öffentlichen und fachlichen Diskussion wahrgenommen. Die folgenden Ausführungen sind als Beitrag zur Erhellung dieses Terrains und als Anregung zu weitergehender Forschung zu verstehen. Es wird der Stand englisch- und deutschsprachiger Veröffentlichungen zum Thema umrissen, eine familiensoziologische Einordnung erörtert und ein Modell zum Verständnis lesbischer Familienformen vorgeschlagen. Ergebnisse aus Gruppeninterviews mit lesbischen Müttern und »Co-Müttern« werden dargestellt. Abschließend wird, bezogen auf lesbische Elternschaft, das Verhältnis zwischen Verantwortung und »Natur« diskutiert.
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