Der Beitrag befasst sich mit einem zentralen Aspekt gesellschaftlicher Modernisierung, der Individualisierung, und den damit korrespondierenden Veränderungen innerhalb der Funktionssysteme Wirtschaft und Familie. Ausgehend von Beschreibungen der sich verändernden Arbeitsorganisation -- insbesondere innerhalb der letzten drei Jahrzehnte -- werden Individualisierungsprozesse wie Enttraditionalisierung und Desynchronisierung in ihrer Wirkung auf Arbeitsprozesse und Familie beschrieben. Es wird die These entwickelt, dass sich die Systemgrenzen verschieben oder gar im Sinne einer Entdifferenzierung auflösen, und sich somit Arbeit wie Familie strukturell und nachhaltig verändern.
In diesem Artikel werden Wertigkeiten betrachtet, die den Umgang mit den Lebenswelten Arbeit und Familie beeinflussen. Es wird vermutet, dass diese Lebensbereiche um individuelle Zeit-, Energie- und Engagementbudgets konkurrieren. Dabei wird das Wahrnehmen von Ambivalenz als die Voraussetzung einer aus- und abgewogenen Entscheidung verstanden. Es wird angenommen, dass sich solche Lebensstilentscheidungen an einem gedachten zweipoligen Kontinuum orientieren, das sprachlich repräsentiert ist. Als erstes wird der demoskopische Kontext betrachtet, in dem solche Entscheidungen getroffen werden. Es werden soziologische Untersuchungen vorgestellt, die das Ambivalenzthema aufgreifen. Anschließend werden die Pole des Entscheidungskontinuums betrachtet: maximierte arbeits- bzw. familienorientierte Lebensstile. Es zeigt sich, dass mit dem Konstrukt "Arbeitssucht" die Beschreibung eines maximierten arbeitsorientierten Lebensstils existiert. Jedoch fehlt ein symmetrisches Konstrukt auf der Familienseite des Kontinuums. Es wird nach Erklärungen für dieses Ungleichgewicht gesucht und darüber spekuliert, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich ein symmetrischer Begriff, wie der der "Familiensucht", etablieren würde.
In den Beziehungen von Doppelkarriere-Partnern sind aufgrund ihrer symmetrischen Struktur spezifische Herausforderungen zu bewältigen. Im Gegensatz zu komplementär organisierten traditionellen Beziehungen stehen hier keine kulturell präformierten Regulationsmuster zur Verfügung. Es werden Konflikte an der Außen/Innen-Schnittstelle zwischen Beruf und Familie und an der Innen/Innen-Schnittstelle des Ausgleichs zwischen den Partnern untersucht. Ansätze von Lösungsperspektiven setzen an der Gestaltung der Ressourcenorganisation und des inneren Aushandlungsprozesses solcher Beziehungen an. Als Schlüsselkompetenz wird dabei der Umgang mit der kritischen Ressource Zeit gesehen.
Systemische Therapiepraxis kommt bislang anscheinend ganz gut ohne dezidiertes Modell ihres Gegenstandsbereichs aus. Entsprechend existiert eine Theorielücke, die zu schließen bisher erstaunlich wenige Autoren provoziert hat. Dabei sind viele notwendige Theoriebausteine schon erschlossen und brauchen lediglich passend (re)kombiniert zu werden. Die hier vorgestellte Komposition als genereller Modellrahmen soll einen Anstoß für Diskussion und Genese einer Theorie psychischer Systeme geben und Implikationen für die psychotherapeutische Praxis andeuten.
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