trustedshops
Käuferschutz
/ 5.00
|
Familiendynamik, 2019, Jg. 44, Ausgabe 2

Familiendynamik, 2019, Jg. 44, Ausgabe 2

Von der Selbstoptimierung zur Selbstsorge

DOI: 10.21706/fd-44-2

Print-Ausgabe

36,00 €

eJournal

36,00 EUR
36,00 €
36,00 € (A)
Abonnieren
Leider vergriffen

Bibliographische Angaben


1. Auflage, Erscheinungstermin: 01.04.2019
ISSN print: 0342-2747 / ISSN digital: 2510-4195

Details


Editorial
Von der Selbstoptimierung zur Selbstsorge?
Formate: pdf, html
Hans Rudi Fischer, Michael Göhlich
Seite 89 - 89 | doi: 10.21706/fd-44-2-89
Im Fokus
Selbstsorge als kommunitäres Projekt
Eine Perspektive jenseits neo­liberaler Selbstverantwortung

Selbstsorge in der psychosozialen Praxis bedarf eines reflektierten Bezugs zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Gegenwartsgesellschaft, die den Subjekten ein hohes Maß an Veränderungen in ihrer alltäglichen und beruflichen Lebenspraxis zumutet. In einer Gesellschaft der ›Singularitäten‹ (Reckwitz) wird ein Subjekt konstruiert, das sich auf dem Fitness-Parcours des globalen Kapitalismus in einen Steigerungszirkel ohne Grenzmarkierungen begibt. Perspektiven für die Arbeit in der digitalisierten Zukunftsgesellschaft gehen genau in diese Richtung. Das damit verbundene Erschöpfungsrisiko ist für das individualisierte Subjekt nicht mehr steuerbar. Es bedarf einer Selbstsorge, die ihre Ressourcen aus Netzwerken kommunitärer Unterstützung schöpfen kann. Therapeutisch-technische Lösungsansätze werden dieser Herausforderung nicht gerecht. Psychosoziale Professionalität bedarf einer differenzierten Gesellschaftsdiagnostik und Konzepten dafür, wie die Selbstsorgeressourcen der Subjekte wirksam gefördert werden können.

In psycho-social practice, self-care calls for a reflective relation to the societal parameters in a present-day society that imposes on individuals a high degree of change in their everyday and professional lives. In a society of »singularities« (Reckwitz), the individual subject is very much a construct caught up in an optimisation spiral devoid of boundary markings, itself a part if the fitness parcours imposed by global capitalism. The perspectives for work in the digitised society of tomorrow point precisely in this direction. The exhaustion risk bound up with this can no longer be controlled by the individual subject. What is required is a species of self-care that derives its re­sources from networks of communal support. Therapeutic / technical approaches cannot deal with this challenge. Psycho-social professionalism must draw upon sophisticated societal diagnostics and upon strategies for effectively furthering self-care resources for individuals.

Schlagworte: Macht, Self-Empowerment, Zivilgesellschaft, Power, Gesellschaftsdiagnostik, gesellschaftlicher Umbruch, Grenzen der Bewältigung, Selbstermächtigung, Netzwerke, kommunitäre Individualität, societal upheaval, societal diagnostics, limits of coping, civil society, networks, communal individuality
Formate: pdf, html
Heiner Keupp
Seite 92 - 101 | doi: 10.21706/fd-44-2-92
Selbstsorge als soziale Praxis
Bemerkungen zu einer antiken ­Bildungsidee

Die Idee der Selbstsorge stammt aus der griechischen Antike. Sie ist ihrem Ursprung nach sowohl eine ethisch-politische als auch pädagogische Kategorie, die sich im Verlauf der (abendländischen) Geschichte transformierte und zunehmend von individualistischen und subjektivistischen Tendenzen geprägt worden ist. Der (ursprüngliche) Bezug auf ein Wissen um ein Allgemeines und Soziales scheint heute von der Idee des Selbst entkoppelt zu sein. Dennoch können das Selbst und die damit verbundene Idee der Selbstsorge auch heute im weitesten Sinne als ethische Kategorien verstanden werden. Dem Selbst als einer Interpretationsinstanz, die darauf angelegt ist, die (eigene) Innenwelt zu verstehen, und sich durch Entwürfe im Lichte sozial ausgehandelter Werthorizonte konstituiert, ist die Fähigkeit zur Transformation, d. h. zur Neuinterpretation, zueigen. Wie die meisten sozial bedeutsamen Fähigkeiten unterliegt ihre Entwicklung günstigen Lern- und Lehrprozessen.

The idea of the care for the self dates back to Greek antiquity. Starting out as both an ethical/political and a pedagogical category, it has become increasingly marked by individualist and subjectivist tendencies in the course of (western) history. Today, the (original) connection of the idea of self with awareness of general and social dimensions appears to have been forfeited altogether. Yet it is still possible to conceive of the self and the associated idea of self-care as ethical categories in the broadest sense of the term. A capacity for transformation, i. e. reinterpretation, is inherent to the self as an interpretive instantiation seeking to understand the (one’s own) inner world and constituting itself in response to socially negotiated value systems. Like most socially significant capacities, its development is subject to learning and teaching processes.

Schlagworte: Bildung, Person, Selbst, self, self-care, education, Selbstsorge, Ethik des Selbst, ­ethics of self
Formate: pdf, html
Roland Reichenbach
Seite 102 - 109 | doi: 10.21706/fd-44-2-102
Selbstsorge in Zeiten von Selbstoptimierung
Körperpraktiken zwischen bio­grafischen Dispositionen und gesellschaftlichen Anforderungen

In modernen kapitalistischen Gesellschaften scheint die Sorge um sich selbst mehr und mehr zu der Anforderung zu avancieren, das eigene Leben selbstverantwortlich zu gestalten und zu verbessern. Hierzu zählt auch, die eigene Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit kontinuierlich zu kontrollieren und zu optimieren. Vor diesem Hintergrund fragt der Beitrag danach, unter welchen Voraussetzungen vordergründig selbstsorgende oder selbstbestimmte Körperpraktiken gegenteilige Effekte haben können. Anhand eines Fallbeispiels werden die Bedingungen und Folgewirkungen körperbezogener Optimierungspraktiken beleuchtet und veranschaulicht, warum instrumentell ausgerichtete Verbesserungsbestrebungen auch dann noch aufrechterhalten werden, wenn sie sich destruktiv auf die Beziehung zum Selbst, zum Körper und zu anderen auswirken.

In modern capitalist societies, self-care appears to be progressively equated with organising one’s life in a responsible way and thus improving it. Part of this is the constant concern with monitoring and optimising one’s health, fitness and efficiency. Against this background, the article enquires into the preconditions under which ostensibly self-care-oriented or self-determined body practices may turn out to have counterproductive effects. With reference to an actual case, the author gives a graphic account of the conditions and consequences of body-related optimisation practices, indicating why instrumentally oriented physical improvement efforts may be maintained although the effects they have on the relations with self, body and others are patently destructive.

Schlagworte: Selbstoptimierung, Destruktivität, self-care, Selbstsorge, Körperpraxis, biografische Dispositionen, gesellschaftliche Anforderungen, Bewältigungsform, self-optimisation, body practice, biographical dispositions, societal demands, form of coping, destructiveness
Formate: pdf, html
Julia Schreiber
Seite 110 - 117 | doi: 10.21706/fd-44-2-110
Selbstsorge für Therapeuten – wie geht das?
Zur Pragmatik des Kümmerns um das Selbst

Der Beitrag befasst sich damit, wie sich Therapeuten selbstsorglich reflektieren und entsprechend verhalten können. Zu diesem Zweck wird herausgearbeitet, was professionelle Selbstsorge im Kern ausmacht. Sie ist nicht einfach ein Set an Methoden, in deren Mittelpunkt der Therapeut steht. Funktional und professionell wird sie erst, indem der Kontext beachtet und die immer wieder neu zu beantwortende Frage nach dem »Wozu?« gestellt wird. Damit ist professionelle Selbstsorge vor allem eine strategische Haltung. Deutlich wird, dass falsch angelegte (vermeintliche) Selbstsorge negativen Stress erzeugen kann, anstatt ihm vorzubeugen und Freiheitsgrade zu begünstigen.Im Artikel geht es zentral darum, wie die skizzierte selbstsorgliche Haltung praktisch umgesetzt werden kann. Der Autor erläutert, wie man sich vor einem Zuviel an Empathie schützen, anderen die eigenen Grenzen aufzeigen und versöhnlich mit eigenen Fehlern umgehen kann. Er gibt Anregungen, wie private und berufliche Rollen klar voneinander getrennt werden können. Und er stellt dar, wie man die eigenen Möglichkeiten realistisch vermisst, um den eigenen Verantwortungsbereich angemessen und selbstsorglich abzustecken.

The article inquires how therapists can use reflection as a means of self-care and then act accordingly. For this purpose, the author discusses in depth what it is precisely that characterises professional self-care. It is not merely a set of methods centring on the therapist, but can only claim to be truly functional and professional by paying due heed to the context and repeatedly asking the question »What is this for?« This makes professional self-care a largely strategic attitude. The discussion indicates clearly that misconceived (and hence only apparent) self-care can engender negative stress instead of preventing such stress and opening up new dimensions of freedom.

The article focuses on the way this strategic attitude can be put into practice. The author indicates how one can protect oneself from excessive empathy, show others their limits, and engage leniently with one’s own errors. He suggests ways in which private and professional roles can be kept clearly distinct from one another. He also describes how one can realistically assess one’s own potential in order to appropriately define one’s sphere of responsibility in the interests of self-care.

Schlagworte: Verantwortung, Scham, Grenzen, Methoden, Haltung, Schuld, Selbstdistanz, Selbstreflexion, self-care, Attitude, shame, guilt, responsibility, self-reflection, Selbstsorge, Selbstbeobachtung, Selbstentfremdung, sekundäre Traumatisierung, self-observation, self-distance, self-alienation, secondary traumas, limits, methods
Formate: pdf, html
Stefan Junker
Seite 118 - 125 | doi: 10.21706/fd-44-2-118
Über-Sichten
Die Wirksamkeit von Paartherapie
Teil 2: Ergebnisse einer bundes­weiten naturalistischen Studie zur Wirksamkeit von Paarberatung

Die Ergebnisse einer bundesweiten Studie über die Wirksamkeit von Paarberatung werden vor dem Hintergrund der internationalen Wirkungsforschung zur Paartherapie vorgestellt. Zusammen mit zwei weiteren Untersuchungen, die ebenfalls die Wirkung von Paarberatung in katholischer Trägerschaft in Deutschland in den letzten 20 Jahren untersucht haben, belegt die aktuelle Studie die Effektivität dieses Angebots. Allerdings zeigen Studien unter realen Praxisbedingungen durchgängig, dass nur 40 % der Paare in einem klinisch bedeutsamen Sinne und nachhaltig von der Intervention profitieren. Insbesondere Paare mit anfänglich hoher Belastung können sich nicht verbessern, brechen oftmals vorzeitig ab und trennen sich in der Folge. Diese Befunde bestätigen sich auch in der aktuellen Studie. Abschließend werden Schlussfolgerungen für die Praxis gezogen.

The article presents the findings from a nationwide German study on the effectiveness of couple counselling on the background of international efficacy research on couple therapy. In conjunction with two other studies investigating the effectiveness of couple counselling by Catholic services over the last 20 years, the present study confirms the effectiveness of this service. However, all studies conducted under real-­life conditions indicate that only 40 % of couples benefit from the intervention to a sustainable and clinically significant extent. Especially couples with high initial stress levels do not improve, frequently break off counselling and subsequently separate. The article closes with a discussion of the consequences for clinical practice.

Schlagworte: Paartherapie, Paarberatung, Scheidung, Trennung, Wirksamkeit, Risikofaktoren, effectiveness, risk factors, couple therapy, couple counselling, separation/divorce
Formate: pdf, html
Christian Roesler
Seite 126 - 136 | doi: 10.21706/fd-44-2-126
Seiten-Blicke
Die Macht der Demü­tigung
Formate: pdf, html
Ute Frevert
Seite 138 - 142 | doi: 10.21706/fd-44-2-138
Systemische Notfall­beratung mit geflüchteten Familien in einer Erstregistrierungsstelle

Dieser Praxisbericht beschreibt familiendynamische Beobachtungen und familientherapeutische Kurzinterventionen in einer Ambulanz für Psychosoziale Medizin in einer Erstregistrierungsstelle für geflüchtete Menschen in Baden-Württemberg. Ziel dieser systemischen Notfallberatung ist es, Kriseninterventionen für Flüchtlingsfamilien auch bei kurzen Verweildauern und hoher perspektivischer Unsicherheit im Asylverfahren zu entwickeln. Wir beschreiben erste Erfahrungen aus den Jahren 2016 und 2017 mit 36 Paaren und Familien aus neun Ländern, 16 davon in einer separaten »Familiensprechstunde«. Die Interventionen reichten von Psychoedukation und Normalisierung über Ressourcenarbeit bis zu Verhaltenstipps und Kontaktaufnahme zu Sozial- und Verfahrensberatung, Kinderbetreuung und Sprachkursen. Chancen und Grenzen dieser Arbeit werden verdeutlicht.

This report on current practice combines family-dynamic observations with descriptions of brief family-therapeutic interventions at an outpatient department for psychosocial medicine of an initial registration centre for refugees in Baden-Württemberg. The aim of this systemic emergency counselling is to devise crisis interventions feasible for refugee families unlikely to be staying long in Germany, not least because of their poor prospects of success in the asylum process. We discuss initial experiences from 2016 and 2017 with 36 couples and families from nine countries, 16 of them in separate »family sessions«. The interventions range from psycho-education and normalisation to resource work, behaviour tips and the establishment of contacts for social and procedural counselling, child care and language courses. The opportunities and limitations of this approach are made apparent

Schlagworte: transkulturelle systemische Therapie, interkulturelle systemische Therapie, geflüchtete Familien, Notfallberatung, transcultural systemic therapy, intercultural systemic therapy, refugee families, emergency counselling
Formate: pdf, html
Christoph Nikendei, Jochen Schweitzer, Clara Schliessler, Rupert Maria Kohl, Beate Ditzen
Seite 144 - 154 | doi: 10.21706/fd-44-2-144
Die Fake News Debatte
Kritische Anmerkungen

Der Begriff »Fake News« hat einen ungeheuren Erfolg in der Öffentlichkeit und bereits Eingang in das Oxford English Dictionary und den Duden gefunden. Politiker, Historiker und Philosophen haben sich in die Diskussion eingebracht, in der es darum geht, Unterscheidungen festzustellen, zu treffen oder zu verwischen – Unterscheidungen wie jene zwischen Tatsache und Meinung, Wahrheit, Fiktion und Falschheit, zwischen dem, was ist, und dem, was nicht ist. Wahrheit als Diskursregulativ scheint zu versagen, und das traditionelle philosophische Vokabular steht auf dem Spiel. Was sind die Optionen?

The concept of »fake news« is a sweeping success in the public sphere and already made its way into the Oxford English Dictionary and the German Duden.

Politicians, historians and philosophers have weighed into the discussion which is about stating, making or blurring distinctions: distinctions such as those between fact and opinion, truth, fiction and falsehood, between what is and what is not.

Truth as a regulative principle seems to fail and the traditional philosophical vocabulary is at stake. What are the options?

Schlagworte: Wahrheit, Donald Trump, Fake News, Postmoderne, postmodern, Interpretation, truth, Tatsachen, Meinung, Unterscheidungen, fact, opinion, distinction
Formate: pdf, html
Josef Mitterer
Seite 156 - 162 | doi: 10.21706/fd-44-2-156
Lost & Found
Synergetik: Ein interdisziplinärer Ansatz, ­systemisch zu denken
Formate: pdf, html
Wolfgang Tschacher
Seite 164 - 165 | doi: 10.21706/fd-44-2-164
Zeit der Kannibalen – Eine Heldenreise in die Kümmerlichkeit
Formate: pdf, html
Bernhard Moritz
Seite 166 - 170 | doi: 10.21706/fd-44-2-166
Buchbesprechungen
Ahnen auf die Couch.
Formate: pdf, html
Nathalie Blome
Seite 172 - 173 | doi: 10.21706/fd-44-2-172
Bindung am Lebensende. Eine Untersuchung zum Bindungserleben von PalliativpatientInnen und HospizbewohnerInnen.
Formate: pdf, html
Astrid Riehl-Emde
Seite 173 - 174 | doi: 10.21706/fd-44-2-173
Aus dem Feld
Das Feld wird neu aufgerollt
Formate: pdf, html
Sebastian Baumann
Seite 175 - 175 | doi: 10.21706/fd-44-2-175
Entdecken Sie Bücher mit verwandten Themen

Hefte der gleichen Zeitschrift

Alle Hefte der Zeitschrift