Theweleit analysiert die rebellisch-visionäre Sexualität der späten 60er Jahre als Antwort der damals jungen Generation auf die Schuld der eigenen Eltern an der Teilnahme oder Duldung am Judenmord der Nazizeit. In Anschluß an eine These von Reiche führt er aus, daß die Sexualisierung dazu gedient habe, die Wahrnehmung dieser Schuld zuzudecken. Die Idee einer sexuellen Befreiung durch die gelebte »Triebtat ohne Schuld« habe der Schonung der Eltern gedient. Am literarischen Beispiel eines Textes von Arno Schmidt aus den fünfziger Jahren zeigt Theweleit, daß das von den »68ern« in sexuelles Handeln umgesetzte Motiv, durch radikale Sexualisierung einen Ausweg aus der latent lauernden Gewalt zu finden, schon früher bereitliegt.
Theleweit interprets the rebellious and visionary sexuality of the late Sixties in germany as a reaction of the then young generation to the guilt of their parents for having participated in the genocide of the Nazi regime. Following a thesis of Riche, he states that sexualization may be a defense against thje perception of this guilt. The idea of a sexual liberalization by living »sex without guilt« may have served as a protection of the parents. Analyzing a text ba Arno Schmidt from the Fifties, he shows an earlier instnce of the Motif of sexualization as a way out of latently present violence.
Die relative Symptomhäufigkeit bei der Klassifikation sexueller Symptome hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten dramatisch verändert. Die Zunahme des Anteils sexueller Lustlosigkeit (bei Frauen von 8 % auf 58 %, bei Männern von 4 % auf 16 %) erklärt Schmidt damit, daß Patienten wie Therapeuten heute weniger die sexuelle Funktion als die sexuellen Wünsche in den Vordergrund stellen. Die Lustlosigkeit sieht er paardynamisch polarisiert und geschlechtsspezifisch zugespitzt, indem die Frauen das Desinteresse und die Männer den trieb »übernehmen«. Die Ursachen analysiert der Autor aus soziologischer Perspektive und faßt sie in fünf Thesen zusammen: (1) Die Emanzipation schafft den Freiraum für Lustlosigkeit und in dem Sinne, (2) Moderne Beziehungsstrukturen und Beziehungsideale machen die »natürliche« Lustlosigkeit/sexuelle Langeweile schwer erträglich, (3) Wünsche werden knapp, (4) Sexuelle Langeweile spiegelt die Abwendung von einer mechanischen und biologisierenden und die Hinwendung zu einer psychologisierenden und ästhetisierenden Sichtweise der Sexualität wider. (5) Tabuisierung der Sexualität erstickt Erotik und Leidenschaft.
The prevalence of sexual symptoms has dramatically changed during the last two decades. The author interprets the increase of lack of desire (from 8 % to 58 % in women, from 4 % to 16 % in men) by a shift in the diagnostic focus. Patients as well as therapists today emphazise rather sexual wishes than the sexual function. Lack of desire in couples is interpreted as a gender-specific polarization, in that the lack of interest is »taken over« by the women and the drive by the men. The author analyzes the background from a sociological perspective and posits five theses: (1) Emancipation provides room for sexual inappetence, (2) Modern relational structures and relationship ideals make it difficult to accept that sexual inappetence/boredom may be »natural«, (3) Desires are becominh scarce, (4) Sexual boredom reflects the move away from a mechanistic and biological view of sexuality towards a more psychological and esthetic view, (5) The taboo of aggressive dynamics in sexuality suffocates eroticism and passion.
Entgegen der verbreiteten Sichtweise, Sexualität als Ausdruck der Paarbeziehung zu sehen, wird die These vertreten, daß sexuelles Begehren und Partnerbindung einer unterschiedlichen Prozeßlogik folgen. Sexuelles Begehren, das durch Ambivalenz charakterisiert ist, und Partnerbindung, die auf Berechenbarkeit zielt, sind aufeinander bezogen, gehen aber nicht ineinander auf. Sexuelle Lustlosigkeit in langfristigen Paarbeziehungen läßt sich demnach nur begrenzt in der Binnenperspektive der Paardynamik behandeln. Ausgehend von der Überlegung, daß bei der Therapie sexueller Lustlosigkeit Unterschiede eingeführt werden müssen, die den abgegrenzten romantischen Konsens des Paares stören, ist der Kern der therapeutischen Strategie die Nutzung von Phantasien und Verhaltensoptionen, die außerhalb der Dyade liegen. Es wird die spezifische Bedeutung therapeutischer Neutralität bei sexuellen Themen erörtert, und es werden therapeutische Interventionsmöglichkeiten vorgestellt.
In contrast to viewing sexuality as an expression of a committed relationship, it is stated that sexual desire and partner commitment follow a distinct logic. Sexual desire that is in intself ambivalent, and partner commitment that aims at reliability, are related to one another but cannot be merged. Thus, the perspective of couples’ dynamics is a limited framework for sex therapy. Based on the concept that the treatment of sexual inappetence needs »differences that make a difference«, it is proposed to use fantasies and behavioral options which are beyond the dyadic persepctive, and which may break through the romantic limitation of the couple. The specific relevance of therapeutic neutrality towards sexual topics is considered. Some therapeutic interventions are introduced.
Es wird ein systematischer Überblick über Forschungsarbeiten zur sexuellen Entwicklung in heterosexuellen Beziehungen gegeben, bezogen auf sexuelle Aktivität, Interesse, Genuß und Orgasmus sowie weitere Dimensionen. Gut erforscht ist die Entwicklung der koitalen Aktivität in Ehen (die quantitativ abnimmt), während über nichtehliche Beziehungen, über Zärtlichkeit und andere sexuelle Praktiken sowie über das sexuelle Erleben der Betroffenen kaum etwas bekannt ist. Doch zumindest Frauen erleben sowohl negative, als auch positive Veränderungen der Sexualität in Dauerbeziehungen. Die Relation von emotionaler Beziehungsqualität und Sexualität ist ebenfalls kaum erforscht; gleichzeitig sind die Befunde zu etwaigen Zusammenhängen von Ehezufriedenheit und sexueller Zufriedenheit wiedersprüchlich. Abschließend werden Ratschläge prominenter PsychotherapeutInnen zum Thema skizziert und die empirischen Befunde kritisch diskutiert in Hinblick auf theoretische Implikationen, Forschungsdefizite, das alltägliche Beziehungsleben und die therapeutische Arbeit.
The article reviews empirical research on the development of sexual activity, interest, pleasure and orgasm in heterosexual relationships. The development of marital coital activity (which declines over time) is well investigated. Little systematic knowledge is available on nonmarital relationships, nongenital behavior or other sexual practices, nor on sexual emotions. Women experience negative as well as positive changes of sexuality in longterm relationships. The correlation between emotional variables (including attachment) and sexuality is also rarely investigated. All empirical data on correlations between marital and sexual satisfaction are contradictory. Finally, the favorite interventions of prominent psychotherapists are outlined. The empirical findings are critically evaluated with respect to theoretical implications, research deficits, the everyday life in a relationship, and therapeutic aspects.
Die Autoren beschreiben als spezielle Aspekte schwuler Partnerschaften das Fehlen von Rollenvorbildern und institutionalisierten Bindungsritualen. HIV-Infektion und AIDS haben gerade bei sich neu bildenden Paaren mit unterschiedlichem Serostatus eine besondere Bedeutung in Bezug auf Schuldzuschreibung und unterschiedliche Lebensperspektive.
The authors state that the lack of role models, and of rituals for institutionalized commitment, are specific to gay relationships. HIV-infection and AIDS are of particular importance to partners with discordant HIV-status, with respect to guilt attribution and diverging life perspectives.
Das Internet als sozialer Raum zusammengeschlossener Computernetzwerke wird wie jedes andere Medium (Sprache, Buch, Film) von Beginn an auch erotisch besetzt. Dieser Beitrag stellt überblicksartig dar, welche technischen Systeme den Online-Anwender/innen zur Verfügung stehen, im Internet erotisch und in Echtzeit mit anderen Menschen zu kommunizieren.
Um für die sexuelle Kommunikation resonanz- und beziehungsfähig zu werden, bedürfen die Handelnden im Internet lesbarer Identitäten. Die Struktur des Netzwerkes erlaubt den Akteur/innen, solche Identitäten unter experimentellen Vorzeichen zu schaffen und sie auszuprobieren. Entwickeln sie mit ihren Identitäten die Bereitschaft, sich den anderen Online-Wesen zu öffnen, entstehen Beziehungsangebote, die zu schwachen oder starken Bindungen, zu flüchtigen Begegnungen oder intensiven Flirts über viele Wochen führen können.
Betrachtet man Sexualverhalten als Form zwischenmenschlicher Kommunikation lassen sich »Probleme« und »Symptome« entsprechend ihrer Abweichung von den Erwartungen der Beteiligten als »Plus-« und »Minus-Symptome« unterscheiden. Für beide Symptomtypen werden therapeutische Strategien entwickelt und diskutiert.
If one views sexual behavior as a form of communication, »problems« and »symptoms« can be distinguished as «plus« or »minus symptoms« according to whether the behavior is a positive or negative deviation from the expectations of the observer. For both types of symptoms therapeutic strategies are explained and discussed.
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