Es wird ein postmoderner Ansatz verwendet, um die Diskurse zu untersuchen, die im Therapieraum in Umlauf sind. Die dominanten Diskurse stützen und reflektieren die in der Gesellschaft herrschenden Ideologien. Drei Beispiele, die immer wieder Vorkommen, betreffen die Beziehungen zwischen den Geschlechtern: der Diskurs über den männlichen Sexualtrieb, der Diskurs über die Freizügigkeit und der Diskurs über die Ehe zwischen gleichberechtigten Partnern. Ich lege dar, daß der therapieraum ein verspiegelter Raum ist, der die Diskurse, die von der Familie und vom Therapeuten in ihn hineingetragen werden, lediglich reflektieren kann. Das therapeutische Gespräch hat einen vorbestimmten Inhalt, der durch die dominanten Diskurse in der jeweiligen Sprachgemeinschaft und Kultur vorgegeben wird. Ich behaupte, daß Therapeuten ein reflektierendes Bewußtsein entwickeln müssen, wenn unterdrückte Diskurse in den verspiegelten Raum gelangen sollen.
Discourses in the Mirrored Room: A Postmodern Analysis of Therapy. — A postmodern approach is used to examine the discourses that circulate in the therapy room. Dominant discourses support and reflect the prevailing ideologies in the society. Three ready examples concern gender relations: the male sex drive discourse, the permissive discourse, and the marriage between equals discourse. I point out how the therapy room is a mirrored room that can only reflect back the discourses brought to it by the family and therapist. There is a predetermined content in the conversation of therapy, that provided by the dominant discourses of the language community and culture. I suggest that therapists need to develop a reflexive awareness if muted discourses are to enter the mirrored room.
Es gibt Hinweise aus Praxis und Forschung, daß etwa 2/3 aller Paare häufig oder gelegentlich unter sog. Appetenzstörungen leiden. Auf dem Hintergrund des traditionellen Mythos, wonach leidenschaftliche Sexualität unvereinbar sei mit einer verbindlichen Paarbeziehung, fragt die Autorin, warum systemische Therapietheorien Sexualität und insbesondere Lust und Lustverlust kaum thematisieren. Es werden gesellschaftliche Machtverhältnisse sowie sozialisatorische und biografische Rahmenbedingungen für die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten des sexuellen Begehrens von Frau und Mann aufgezeigt. Die Frage, ob beim Thema Lustverlust eher eine fokale Sexualtherapie oder eine allgemeine Paartherapie indiziert sei, wird mit dem Hinweis auf den Vorrang des Fallverständnisses in einer emotional intimen (nicht sexuellen) therapeutischen Begegnung beantwortet und mit Beispielen aus der Praxis zu zwei kritischen Übergängen im Paarzyklus ergänzt: Wenn Paare Eltern werden sowie in und nach der Lebensmitte.
Embers beneath the ashes. Couples between passion and boredom. — Practice and research of couples therapy suggest that about 2/3 of all couples occasionally or frequently suffer from a lack of sexual appetence. Referring to the traditional western myth according to which sexual passion is incompatible with long-term commitment between spouses, the author asks why systemic therapy theories have focussed so little on intimacy, sexuality and especially the loss of passion in long-lasting relationships. Historical, societal and biographical aspects of gender differences and similarities are presented and the issue of asymmetrical power distribution is stressed. The question whether focal sex-therapy or general couples therapy is indicated is answered with reference to the priority of the uniqueness of each case which is best understood in an intimate (not sexual) encounter between a couple and a therapist. Two case vignettes referring to the transitional crises when couples become parents and when they reach mid-life illustrate the author’s approach.
Der Triebbegriff der psychoanalytisch orientierten Sexualwissenschaft läßt sich nur im Spannungsfeld sexueller Unterdrückung verstehen. Dieses Unterdrückungsparadigma der Sexualtheorie ist heute in den Hintergrund gerückt und hat die Sexualwissenschaft in eine "interparadigmatische" Situation gebracht, in der auch konstruktivistische Ansätze diskutiert werden. Die vorliegende Arbeit verbindet Skripttheorie mit systemischen Überlegungen und schlägt ein Modell vor, demzufolge sexueller Skriptentwurf, Skriptinszenierung und Skriptkonsequenz zirkulär miteinander rückgekoppelt sind. Über diese selbstrekursiven Verbindungen bildet sich sexuelle Identität. Erregung wird als sexualisierte Angstlust verstanden, die dann entsteht, wenn in einer sexuellen Interaktion Vertrautheit verbunden wird mit Fremdheit und Unberechenbarkeiten der Skriptinszenierung. Diese Überlegungen werden auf die Ätiologie der sexuellen Inappetenz angewendet.
Sexual Scripts. — The concept of "drive" of the psychoanalytically oriented sexual science can only be understood within the context of sexual repression. This repression paradigm of sexual theory has resigned and has turned sexual science into an "interparadigmatic" situation where constructionist approaches are discussed. The present article combines script theory and systemic considerations. It offers a model which defines sexual script draft, script acting and script consequence as circularly interconnected. These feedback connections are constructing sexual identity. Sexual excitement is conceptualized as sexualized thrill which comes into existence when closeness is coupled with strangeness and unpredictability of scrips acting. These reflections are applied to the etiology of sexual desire problems.
Der Beitrag befaßt sich mit Überlegungen zum Wandel der Sexualität in ehelichen Zweierbeziehungen. Frauen suchen heute vor allem wegen Libido- und Männer wegen Erektionsstörungen therapeutische Hilfe. Die Zunahme dieser Störungen wird als Hinweis auf eine Psychologisierung der weiblichen und eine Medikalisierung der männlichen Sexualität gewertet. In der Genese dieser Störungen können vielfältige somatische und psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen. In der Behandlung des Lust- und Erektionsverlusts zeigen sich einige gemeinsame Grundmotive, welche durch die Symptombildung symbolisch dargestellt werden: Ein Widerstand gegenüber einem übersteigerten Beziehungsideal, eine sanfte Inszenierung eines ehelichen Machtkampfes und eine Reaktion gegen tradierte Klischees von männlicher und weiblicher Sexualität. Abschließend wird die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der "Pazifizierung" ehelicher Zweierbeziehungen und der öffentlichen Gewaltdiskussion gestellt.
The woman without sexual desire and the man with erectile dysfunction — reflections on sexuality in marital relationships. — The contribution focuses on the change of sexual life in marital relationships. Today women seek therapeutical help mainly because of lack of sexual desire and men because of erectile dysfunction. The increase of these disorders is judged as an indication of a psychologification of female and a médicalisation of male sexuality. Different somatical and psychosocial factors can play a role in the genesis of these disorders. In the treatment of disorders of sexual desire and erectile dysfunction some common themes can be seen which are presented by the symptom in a symbolic manner: A resistance against an exaggerated ideal of marital relationships, a gentle production of a marital struggle for power and a reaction against traditional cliches of male and female sexuality. Finally the question is raised if there is a correlation between the pacification of marital relationships and the public discussion of power.
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