Einige Übersichtsarbeiten und Metaanalysen konnten zeigen, dass die aktuellen evidenzbasierten Traumatherapien für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen mit Traumafolgestörungen wirksam sind in der Reduktion ihrer posttraumatischen Stresssymptome (PTSS) und komorbider Symptome. Diese Verfahren haben deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, insbesondere in Bezug auf die postulierten Änderungsmechanismen. Eine Individualisierung dieser Verfahren kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden: innerhalb der Therapie, zwischen den Therapien und bezogen auf die Intensität der Hilfsmaßnahme. Hierbei handelt es sich stets um einen fließenden, ressourcenabhängigen und individuellen Prozess. Eine ausführliche und multifaktorielle Anamnese zu Therapiebeginn kann hilfreich sein, und measurement-based care während der Intervention bietet dem:der Kliniker:in hilfreiches Feedback dazu, ob eine Intervention angepasst werden muss.
Several recent reviews and meta-analysis showed that current evidence-based trauma-focused interventions are effective in reducing symptoms of posttraumatic stress disorder (PTSD) for the majority of children and adolescents with trauma-related disorders. These interventions have much more in common than differences, particularly with regard to their postulated mechanisms of change. Individualization of these interventions can take place on various levels: Within the therapy, between therapies and in relation to the intensity of the support measure. This is always a fluid, resource-dependent and individual process. A detailed and multifactorial anamnesis at the start of the intervention can be helpful and measurement-based care during the intervention offers the clinician helpful feedback as to whether an intervention needs to be adapted.
Trotz der nachweislichen Wirksamkeit von Psychotherapie im Allgemeinen und PTBS-Behandlungen im Besonderen stehen Therapeut:innen vor Herausforderungen wie Therapieabbrüchen und fehlendem Ansprechen auf die Therapie. Die Entwicklungen neuer therapeutischer Ansätze zur Behandlung von PTBS allein konnten diese Probleme nicht lösen. Das offene transtheoretische Therapie- und Trainingsmodell (4TM) bietet eine vielversprechende Alternative, um die Wirksamkeit von Psychotherapie zu verbessern. Das Modell integriert Erkenntnisse aus Psychotherapieforschung und -praxis und dient als Leitfaden für prozessorientierte und evidenzbasierte Interventionen. Ein zentrales Element ist die Integration von Daten zur Unterstützung der klinischen Urteilsbildung und Personalisierung der Therapie. Datengestützte Entscheidungs- und Rückmeldesysteme wie der Trier Therapie Navigator (TTN) helfen Therapeut:innen, ungünstige Verläufe frühzeitig zu erkennen und die für jeden Fall individuell erfolgversprechendste Behandlungsstrategie auszuwählen. Besonders vielversprechend für die PTBS-Behandlung ist die Möglichkeit der personalisierten Empfehlung von motivations- oder problemorientierten Strategien. Zukünftige Forschung sollte sich auf die Weiterentwicklung und Implementierung solcher personalisierten Interventionen konzentrieren, um die Effektivität der Behandlung psychischer Störungen weiter zu verbessern.
Despite evidence of the effectiveness of psychological therapies in general and PTSD treatments in particular, therapists face challenges such as non-response and dropout. New creations of PTSD treatments have not solved these problems. The transtheoretical therapy and training model (4TM) offers a promising approach to improve the effectiveness of psychotherapy. The model integrates findings from psychotherapy research and practice and serves as a framework for process-oriented and evidence-based interventions. A core element is the integration of data to inform clinical judgment and personalize therapy. Data-based decision support and feedback systems, such as the Trier Treatment Navigator (TTN), help therapists identify not-on-track patients and select the most promising treatment strategy for each individual case. Personalized recommendations between motivation- and problem-oriented strategies are particularly promising for PTSD treatments. Future research should focus on improving and implementing such personalized interventions to enhance the effectiveness of precision mental health care.
In den letzten Jahrzehnten stand im Rahmen militärischer Einsätze der Bundeswehr eher die Optimierung der medizinischen Einzelfallversorgung im Fokus. Auch im Militärischen konnte personalisierte Behandlung, sowohl bei somatischen als auch psychischen Erkrankungen und angepasst an Vorgaben und Standards aus dem Zivilen, in den zurückliegenden Einsätzen der Bundeswehr umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine mit einer hohen Anzahl von Verletzten steht heute die sanitätsdienstliche Versorgung von Armeen vor erheblichen planerischen Herausforderungen. Die große Zahl an Soldat:innen, die im Ukrainekrieg an einem Tag bzw. an mehreren Tagen hintereinander verletzt werden, bringt die personalisierte Einzeltherapie zunehmend an Ressourcengrenzen. Es erfolgt dann eine Verschiebung in Richtung einer personalisierten Therapie von Gruppen von Soldat:innen. Die Rettungskette für Patient:innen mit psychischen Erkrankungen stellt in einem solchen Fall sowohl das Militär als auch im weiteren Verlauf das zivile Gesundheitssystem, das im Bedarfsfall ebenso zur Versorgung Verletzter herangezogen werden kann, vor erhebliche Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Artikel verschiedene Aspekte der psychotraumatologischen Versorgung von Soldat:innen beleuchtet, wobei insbesondere auch auf die Unterschiede zur Versorgung im zivilen Bereich und in Friedenszeiten eingegangen wird. Die hier entstehenden Grenzen der Behandlungsmöglichkeiten werden ebenso wie ethische Herausforderungen aus Perspektive des Militärs kritisch diskutiert.
In recent decades, the focus of military operations by the German Armed Forces has tended to be on optimizing medical care for individual cases. Personalized treatment, both for somatic and mental illnesses and adapted to specifications and standards from civilian life, has also been implemented in military operations in the past. Against the backdrop of the war in Ukraine with a high number of casualties, the medical care of armies today faces considerable planning challenges. The large number of soldiers injured in the Ukraine war in one day or several days in a row is increasingly pushing personalized individual therapy to its resource limits. There is then a shift towards personalized therapy for groups of soldiers. In such a case, the rescue chain for patients with mental illness poses considerable challenges for both the military and the civilian healthcare system, which can also be called upon to treat the injured if necessary. Against this background, this article examines various aspects of psychotraumatological care for soldiers, focusing in particular on the differences to care in the civilian sector and in peacetime. The limitations of treatment options that arise here are discussed critically, as are ethical challenges from the perspective of the military.
Diskriminierung ist ein Risikofaktor für die Entwicklung psychischer (Traumafolge-)Störungen. Von n = 1050 deutsch(sprachig)en Frauen, die vor acht bis zehn Wochen ein lebendes Kind geboren haben (M (Alter) = 32.40, SD = 4.20 Jahre), gaben in einer anonymen Online-Befragung 41.15 % (n = 431) an, in den vergangenen zwei Jahren diskriminiert worden zu sein. Die häufigsten Gründe für die wahrgenommene Diskriminierung waren das Geschlecht (32.95 % berichteten diesbezüglich Diskriminierung), eine psychische Erkrankung (3.90 %) und zu hohes Alter (3.14 %). Personen, die aufgrund ihrer persönlichen Merkmale auf den Diversitätsdimensionen Alter, Bildung, Einkommen, Carearbeit, sexuelle Orientierung, Ethnizität, Religion oder Weltanschauung sowie körperlicher und psychischer Gesundheit als minorisiert oder marginalisiert gelten, berichteten überproportional häufig von Diskriminierung in den entsprechenden Bereichen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Diversität und Diskriminierung in der Versorgung von Frauen in der Postpartalzeit, einer Periode mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung stressbezogener psychischer Störungen, zu berücksichtigen. Sie weisen weiterhin auf das Potenzial hin, die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern, indem diskriminierungsbedingter Stress adressiert wird.
Discrimination increases the risk to develop mental disorders in general and trauma-related disorders in particular. In an anonymous online survey among n = 1,050 German(-speaking) women who had given birth to a living child eight to ten weeks ago (M (age) = 32.40, SD = 4.20 years), 41.15 % stated that they had been discriminated against during the past two years. The most common reasons for perceived discrimination were their sex / gender (32.95 % reported discrimination in this regard), a mental disorder (3.90 %) and being too old (3.14 %). Individuals who were minoritized or marginalized due to their age, education, income, care work, sexual orientation, ethnicity, religion or worldview as well as mental and physical health reported disproportionately higher levels of discrimination in the corresponding areas. This emphasizes the need to address diversity and discrimination when caring for women in the postpartum, a high-risk period for stress-related mental disorders. It further indicates potential to improve psychotherapy by addressing minority stress.
Migrant:innen sind häufig von Diskriminierung betroffen. Diskriminierungserfahrungen können die psychische Belastung erhöhen. Gleichzeitig stehen Migrant:innen vor der Herausforderung, einen Akkulturationsprozess an die Lebensbedingungen im Ankunftsland zu vollziehen. In der vorliegenden Studie werden erstmalig die psychische und somatische Belastung bei N = 106 Afghan:innen und Iraker:innen (M = 37.25 Jahre, SD = 13.29 Jahre) mit persönlicher Einwanderungsgeschichte nach Deutschland sowie deren Zusammenhänge mit Diskriminierungserfahrungen und den verwendeten Akkulturationsstilen (nach Berry, 1997) beschrieben. In vier linearen Regressionsmodellen zur Vorhersage der psychischen und somatischen Symptome sind Diskriminierungserfahrungen mit einem höheren Ausmaß aller untersuchten psychischen Beschwerden assoziiert, zeigen jedoch keinen Zusammenhang mit somatischen Symptomen. Der Akkulturationsstil Assimilation war im Vergleich zur Integration mit einer höheren psychischen und somatischen Belastung assoziiert. Insgesamt erweisen sich die afghanischen und irakischen Migrant:innen als hoch belastet, wobei sowohl Diskriminierungserfahrungen als auch die Zurückweisung der eigenen Herkunftskultur mit einer schlechteren psychischen Gesundheit assoziiert sind. Klinische Interventionen bei Migrant:innen sollten Diskriminierungserfahrungen und Akkulturation miteinbeziehen. Durch die Stärkung von Offenheit und Toleranz in der Aufnahmegesellschaft sowie der Partizipation von Migrant:innen kann die psychische Gesundheit von Migrant:innen langfristig gefördert werden.
Migrants often experience discrimination. These experiences can increase psychological distress. At the same time, migrants face the challenge of acculturating to the conditions in their country of arrival. This study is the first to describe the psychological and somatic distress in N = 106 Afghans and Iraqis (M = 37.25 years, SD = 13.29 years) with a personal history of immigration to Germany as well as the predictability of symptoms due to experiences of discrimination and the acculturation style used (according to Berry, 1997). In four linear regression models, experiences of discrimination predicted an increase in all psychological distress measures, but not in somatic distress. The acculturation style assimilation was associated with higher psychological and somatic distress compared to integration. Overall, Afghan and Iraqi migrants prove to be highly distressed, with both experiences of discrimination and the rejection of their own culture of origin being associated with worse health. Clinical interventions with migrants should therefore include acculturation and experiences of discrimination. By strengthening openness and tolerance in the host society as well as the participation of migrants, the mental health of migrants can be promoted in the long term.
Hintergrund: Beim Reizdarmsyndrom handelt es sich um eine Störung der (Mikrobiota-) Darm-Hirn-Achse. Die komplexen Mechanismen zur Entstehung und Aufrechterhaltung des Syndroms basieren auf dem bio-psycho-sozialen Modell, wobei frühkindlichem Stress eine bedeutsame Rolle zukommt, die noch nicht ausreichend verstanden ist. Daher war es Ziel dieser Übersichtsarbeit, den Zusammenhang zwischen aversiven Kindheitserfahrungen und dem Reizdarmsyndrom genauer zu beleuchten und mögliche psychologische Mechanismen herauszuarbeiten. Methode / Ergebnisse: Es wurde ein narratives Review durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass Patient:innen mit Reizdarmsyndrom häufiger über aversive Kindheitserfahrungen berichten als gesunde Proband:innen (Odds-Ratio ~2). Geschlechtsspezifische Effekte wiesen auf einen deutlicheren Zusammenhang bei Frauen hin. Diskussion: Mögliche psychologische Mechanismen zwischen aversiven Kindheitserfahrungen und dem Reizdarmsyndrom sind eine erhöhte Stressreaktivität, Ängstlichkeit und Depressivität, unsichere Bindungsmuster und Vertrauensverlust sowie strukturelle Defizite in der verkörperten Mentalisierungsfähigkeit und Emotionsregulation.Schlussfolgerung: Aversive Kindheitserfahrungen als vulnerabilisierender Faktor erhöhen das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms um ca. den Faktor 2, wobei psychologische Mechanismen eine tragende Rolle spielen könnten.
Background: Irritable bowel syndrome (IBS) is a disorder of the (microbiota-)gut-brain axis. The complex mechanisms of the development and maintenance of IBS are based on the biopsychosocial model. In this model, the role of early childhood stress is discussed, but not well understood. Therefore, the aim of this study was to give an overview on the relationship of adverse childhood experiences and IBS and to identify possible psychological mechanisms. Methods / Results: A narrative review was conducted, which showed that patients with IBS report adverse childhood experiences more often than healthy subjects (odds ratio ~2). Gender effects indicate a more significant association in women. Discussion: Possible psychological mechanisms driving the connection between adverse childhood experiences and IBS are increased stress reactivity, anxiety, depression, insecure attachment, loss of epistemic trust, and structural deficits in personality functioning regarding embodied mentalizing and emotion regulation. Conclusion: Adverse childhood experiences are a vulnerabilizing factor for IBS and increase the presence of IBS by approximately factor 2. Psychological mechanisms may play a crucial role.
Silke Birgitta Gahleitner, Prof. Dr., lehrt »Klinische Psychologie und Sozialarbeit« an der Alice Salomon Hochschule in Berlin und leitet die Arbei...
Silke Birgitta Gahleitner, Prof. Dr., lehrt »Klinische Psychologie und Sozialarbeit« an der Alice Salomon Hochschule in Berlin und leitet die Arbeitsgruppe »Psychosoziale Traumaarbeit, Traumaberatung und Traumapädagogik« der DeGPT.
Heide Glaesmer, Prof. Dr., ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Lei...
Heide Glaesmer, Prof. Dr., ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig und Leiterin der dortigen Arbeitseinheit »Psychotraumatologie und Migrationsforschung«.
Ingo Schäfer, Prof. Dr. med., aktuell leitet er die Spezialambulanz für Traumafolgestörungen und die OEG-Ambulanz am UKE, das Hamburger Behandlungs...
Ingo Schäfer, Prof. Dr. med., aktuell leitet er die Spezialambulanz für Traumafolgestörungen und die OEG-Ambulanz am UKE, das Hamburger Behandlungszentrum für geflüchtete Menschen mit Traumatisierungen, einen Schwerpunkt zur integrierten Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Borderline-Störung sowie den Arbeitsbereich Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte betreffen neben komplexen Traumafolgen und Komorbiditäten die Versorgung akuter Traumatisie...
Prof. Dr. med. Carsten Spitzer studierte Medizin in Aachen und Lübeck. Er promovierte bei Prof. Dr. Harald J. Freyberger (einem der Gründung...
Prof. Dr. med. Carsten Spitzer studierte Medizin in Aachen und Lübeck. Er promovierte bei Prof. Dr. Harald J. Freyberger (einem der Gründungsherausgeber dieser Zeitschrift) zu Patienten mit Konversionsstörungen und beschäftigt sich seither klinisch und wissenschaftlich mit dem Konstrukt der Dissoziation und der Psychotraumatologie.
Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie leitete er von 2012 bis 2019 als Ärztlicher Dir...
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