Im Artikel werden mögliche negative Auswirkungen rassistischer Gewalt und Diskriminierung auf Betroffene und deren psychische Gesundheit dargelegt. Diskutiert wird hierbei ein Zusammenhang zwischen Rassismuserfahrungen und erlebtem Trauma. Dafür wird einerseits rassistische Diskriminierung als sozialpolitisch und gesamtgesellschaftlich eingebettete, menschlich verursachte (man-made) Polytraumatisierung behandelt. Andererseits wird gerade im Kontext wiederkehrender, von außen induzierter Rassismuserfahrungen die Begrenztheit einer Diagnose wie »PTBS« hinterfragt. Schließlich wird verdeutlicht, wie psychosoziale Beratung sich aufstellen muss, um vor dem beschriebenen Hintergrund unterstützend wirken zu können. Hierfür wird die Relevanz einer rassismuskritischen, traumasensiblen Perspektive betont. Das heißt, möglicherweise in Beratung selbst (re-)produzierte primäre wie sekundäre Rassismusphänomene wahrzunehmen und abzubauen. Dazu braucht es die im Artikel – nicht abschließend – gesammelten Handlungsorientierungen, wie (Selbst-)Reflexion von u. a. Machtverhältnissen in Beratung, Wissensaneignung, das Schaffen sicherer Räume, Parteilichkeit sowie Empowerment- und Netzwerkarbeit.
The article describes possible negative effects of racist violence and discrimination on those affected and their mental health. A connection between experiences of racism and trauma is discussed. On the one hand, we argue, that racist discrimination is a socio-political and socially embedded, man-made polytraumatization. On the other hand, we question the limitations of a diagnosis such as »PTSD«, especially in the context of recurring, externally induced experiences of racism. Finally, we ask how psychosocial counseling must be set up to support victims of racial discrimination effectively and emphasize on the relevance of a racism-critical, trauma-sensitive perspective. This may mean recognizing and reducing (re-)produced primary and secondary racism phenomena in counselling. This requires the orientation points collected in the article such as (self-)reflection on, among other things, power relations in counseling, knowledge acquisition, the creation of safe spaces, advocacy as well as empowerment and network interventions.
Innerhalb des Kollektivs von Geflüchteten stellen unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMG) eine Hochrisikogruppe für psychische Störungen dar und sind zugleich aufgrund ihres Alters besonderen Anpassungs- und Akkulturationsanforderungen ausgesetzt. Insbesondere Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus können gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von UMG haben. In der vorliegenden Studie wurden Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, Bewältigungsstrategien und deren mögliche Zusammenhänge mit psychischer Belastung bei männlichen UMG aus Syrien und Afghanistan untersucht. Es wurden semi-strukturierte Interviews mit 20 aus Syrien und Afghanistan stammenden UMG im Alter von 15 bis 17 Jahren geführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Analysen offenbaren ein breites Spektrum von erlebten Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen sowie ihren Bewältigungsstrategien. Zudem berichten die UMG im Kontext individueller Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen von psychischen Belastungen. Die Ergebnisse legen darüber hinaus nahe, dass psychische Belastungen der UMG nicht nur mit individuellen, sondern auch mit strukturellen Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen verbunden sein könnten. Die Ergebnisse implizieren einerseits, dass weitere Forschung für ein tieferes Verständnis der erfassten Zusammenhänge notwendig ist. Andererseits besteht eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, UMG vor Diskriminierungen und Rassismus zu schützen sowie die möglichen gesundheitlichen Folgen bedarfsorientiert zu behandeln.
Unaccompanied Refugee Minors (URM) represent a high-risk group for mental disorders and are at the same time exposed to special adaption and acculturation requirements. Although experiences of racism and discrimination seem to have a particularly serious impact on URM mental health, there is only little empirical – and almost no qualitative – research on this among URM. In the present study, racism and discrimination experienced by UMR were examined along coping mechanisms, as well as possible interactions with mental health. Semi-structured interviews with 20 URM aged 15 – 17 from Syria and Afghanistan were conducted and analyzed using qualitative content analysis. A wide spectrum of different experiences with racism and discrimination as well as different coping strategies were reported by URM. In addition, URM report psychological distress in the context of experiences of racism and discrimination. The results further suggest that psychological distress experienced by URM may not only be linked to personal factors, but also to experiences of discrimination and racism on an individual and institutional level. The findings underline on the one hand that further research is needed for a deeper understanding of interactions examined. On the other hand, the results provide clearly an urgent need for greater protection of URMs affected by racism and discrimination on different levels addressing the responsibilities of the host society, policy makers and institutional bodies, as well as health professionals to provide help for URMs in need of psychosocial care.
US-amerikanische Studien belegen, dass Rassismus einen Risikofaktor für die Gesundheit der betroffenen Kinder und Jugendlichen darstellt, und beschreiben rassistische Diskriminierung u. a. als möglichen Auslöser für traumaspezifische Stressreaktionen. Als protektiver Faktor gilt der familiäre Umgang mit den Rassismuserfahrungen der Kinder und Jugendlichen. Ausgehend davon untersucht die vorliegende Studie explorativ die Auswirkungen von Rassismuserfahrungen bei Kindern und Jugendlichen auf die elterliche Erziehung im deutschen Kontext. Es werden mit sechs Elternteilen Interviews geführt. Die Auswertung erfolgt anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse. Die Eltern berichten von wiederkehrenden Rassismuserfahrungen ihrer Kinder und beobachten bei ihnen als Folgeerscheinung internalisierende und externalisierende Reaktionen. Es zeigt sich, dass das Rassismusverständnis der Eltern entscheidend dafür ist, welche Erfahrungen ihrer Kinder sie als rassistisch identifizieren und mit welchen Copingstrategien sie in ihrer Erziehung reagieren. Ein komplexer Umgang wird sichtbar: Eltern fungieren als Unterstützungspersonen, stärken das Selbstbewusstsein und bereiten auf Rassismuserfahrungen vor. Neue Forschungsfragen sowie Interventionsmöglichkeiten für gesellschaftliche Akteur*innen werden abgeleitet.
U. S. studies show that racism is a risk factor for the health of affected children and adolescents. They describe racial discrimination as a potential trigger for trauma-specific stress reactions. The way families handle their children’s and adolescents’ experiences of racism is considered a protective factor. Based on these findings, this study explores the effects of children’s and adolescents’ experiences of racism on parenting in the German context. Interviews are conducted with six parents. The evaluation is based on a qualitative content analysis. The parents report recurring events of racial discrimination towards their children and observations of internalizing and externalizing reactions. The parents’ definition of racism determines which of their children’s experiences they identify as racist and how they cope with them in their parenting. A complex approach is observed: parents function as support persons, strengthen the self-confidence and prepare for racism. New research questions and possible interventions are derived.
Trotz gestiegener gesellschaftlicher und medialer Aufmerksamkeit bleibt Rassismus in der Psychotherapie nach wie vor ein »blinder Fleck«. Dabei stellen sich Rassismus und rassistische Mikroaggressionen im Alltag als ein komplexes, diffuses Muster von Ausgrenzung und Diskriminierung dar, das bei Betroffenen nicht nur negative Folgen für das körperliche und psychische Befinden hat, sondern selbst traumatisierend wirken kann. Dieser Beitrag fragt aus der Sicht einer weißen Therapeutin, wie eine rassismuskritische Haltung in der Arbeit mit geflüchteten Menschen etabliert werden kann und wie rassismussensible Ansätze umgesetzt werden können. Auf einen Überblick über psychische Folgen von Rassismus und Theorien zu Alltagsrassismus und Mikroaggressionen folgt eine Beschäftigung mit dem Spannungsfeld der Dyade weiße:r Therapeut:in und Klient:in of Color. Reflexionen aus der eigenen therapeutischen Praxis in einem psychosozialen Zentrum (PSZ) spiegeln Suchbewegungen im Prozess hin zu einer rassismuskritischen Therapie wider. Der Beitrag schließt mit Überlegungen zu Gestaltungsmöglichkeiten auf Team- und institutioneller Ebene.
Despite growing attention in society and media racism continues to be a »blind spot« in psychotherapy. This is even the case although racism and racial microaggressions as a complex, diffuse pattern of exclusion and discrimination do not only have negative effects on people’s mental and physical health, but is potentially traumatising itself. From the view of a white therapist, this article discusses questions on how a critical and sensitive approach towards racism can be established within psychotherapy with traumatized refugees. Following an overview on psychological effects of racism and on theories on everyday racism and microaggressions the therapeutic dyad white therapist and client of color will be focused. Reflexions on therapeutical practice in a psychosocial centre for refugees reflect searching movements towards a critical anti-racist therapy. The article ends with considerations on changing processes on the level of therapeutic teams and institutions.
Der Beitrag stellt Ergebnisse fallrekonstruktiver Analysen von Lebensgeschichten erwachsener Kinder komplex traumatisierter Mütter vor und baut auf einer früheren Studie zu den biografischen Verläufen ebendieser Mütter auf (Zillig, 2016). Es werden transgenerationale Spuren massiver Gewalterfahrungen rekonstruiert. Die spezifischen Belastungen ihrer Mütter sind den interviewten jungen Erwachsenen seit früher Kindheit allgegenwärtig. In Hinblick auf die Gewalterfahrungen ihrer Mütter besitzen sie jedoch kaum Möglichkeiten der Versprachlichung. Ihre Sprachlosigkeit geht mit einer Individualisierung und Entkontextualisierung der Gewalterfahrungen einher. Gewaltausübende Personen und ausbleibende sozial(staatlich)e Unterstützung geraten dabei aus dem Blick. Es zeigt sich stattdessen eine Angst der jungen Erwachsenen vor transgenerationalen Folgen der mütterlichen Belastungen. Abschließend werden die Ergebnisse im Kontext sozialer Interventionen diskutiert.
This article presents results of case-reconstructive analyses of life narratives of adult children of mothers with complex traumata. It builds on an earlier study on the biographical trajectories of these same mothers (Zillig, 2016). Transgenerational traces of massive experiences of violence are reconstructed. The specific burdens of their mothers have been omnipresent to the young adults since early childhood. With regard to their mothers’ experiences of violence, however, they have hardly any means of verbalisation. Their speechlessness goes hand in hand with an individualisation and decontextualisation of the experiences of violence. Perpetrators and the lack of social (state) support are lost from view. Instead, the young adults show a fear of transgenerational consequences of maternal stress. Finally, the results are discussed in the context of social interventions.
Silke Birgitta Gahleitner, Prof. Dr., lehrt »Klinische Psychologie und Sozialarbeit« an der Alice Salomon Hochschule in Berlin und leitet die Arbei...
Silke Birgitta Gahleitner, Prof. Dr., lehrt »Klinische Psychologie und Sozialarbeit« an der Alice Salomon Hochschule in Berlin und leitet die Arbeitsgruppe »Psychosoziale Traumaarbeit, Traumaberatung und Traumapädagogik« der DeGPT.
Heide Glaesmer, Prof. Dr., ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Lei...
Heide Glaesmer, Prof. Dr., ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig und Leiterin der dortigen Arbeitseinheit »Psychotraumatologie und Migrationsforschung«.
Ingo Schäfer, Prof. Dr. med., aktuell leitet er die Spezialambulanz für Traumafolgestörungen und die OEG-Ambulanz am UKE, das Hamburger Behandlungs...
Ingo Schäfer, Prof. Dr. med., aktuell leitet er die Spezialambulanz für Traumafolgestörungen und die OEG-Ambulanz am UKE, das Hamburger Behandlungszentrum für geflüchtete Menschen mit Traumatisierungen, einen Schwerpunkt zur integrierten Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Borderline-Störung sowie den Arbeitsbereich Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte betreffen neben komplexen Traumafolgen und Komorbiditäten die Versorgung akuter Traumatisie...
Prof. Dr. med. Carsten Spitzer studierte Medizin in Aachen und Lübeck. Er promovierte bei Prof. Dr. Harald J. Freyberger (einem der Gründung...
Prof. Dr. med. Carsten Spitzer studierte Medizin in Aachen und Lübeck. Er promovierte bei Prof. Dr. Harald J. Freyberger (einem der Gründungsherausgeber dieser Zeitschrift) zu Patienten mit Konversionsstörungen und beschäftigt sich seither klinisch und wissenschaftlich mit dem Konstrukt der Dissoziation und der Psychotraumatologie.
Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie leitete er von 2012 bis 2019 als Ärztlicher Dir...
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