Die Folgen traumatischer Erfahrungen gehen über die Posttraumatische Belastungsstörung und weitere psychische Störungen weit hinaus und umfassen auch körperliche Erkrankungen, demenzielle Veränderungen und eine höhere Mortalität. Posttraumatische Belastungsstörungen verlaufen unbehandelt in ca. 30 – 40 % der Fälle chronisch, die Langzeitverläufe der PTBS zeigen sich üblicherweise in vier Verlaufsformen (resilient, chronisch, mit verzögertem Beginn, früh remittiert). Neben den negativen Folgen sind aber auch positive Entwicklungen nach Traumatisierungen wie das posttraumatische Wachstum nicht zu vernachlässigen, und heute wird das Zusammenspiel von positiven und negativen Entwicklungen als dualer Prozess verstanden. Spezifische Konzepte zur Bedeutung lange zurückliegender Traumatisierungen im höheren Alter werden vorgestellt und psychotherapeutische Konzepte für ältere Patienten und deren Wirksamkeit diskutiert. Darüber hinaus wird die Bedeutung lange zurückliegender Traumatisierungen in der Altenpflege und der Gerontopsychiatrie betont.
The consequences of traumatic experiences are manifold, complex and longterm. They comprise mental health outcomes (e. g. PTSD, depression) as well as physical health outcomes, an increased risk of dementia and premature mortality. Several studies have identified four trajectories for PTSD (chronic, resilient, delayed onset, early improvement) with about 30 – 40 % of untreated PTSD cases showing a chronic trajectory. In addition to negative outcomes there are also positive outcomes of traumatic experiences, like posttraumatic growth. Evidence suggests that both positive and negative outcomes interact in a dual process of consequences of trauma. Specific concepts of the long-term consequences of trauma in old age (e. g. LOSS, LATR, traumareactivation) as well as psychotherapeutic approaches are discussed. Moreover, lifespan traumatic experiences need to be considered in geriatric care and nursing as well as gerontopsychiatry.
Posttraumatisches Wachstum beschreibt positive psychologische Veränderungen, die aus dem Umgang mit hoch belastenden Erlebnissen resultieren. Da Grund zur Annahme besteht, dass sich Posttraumatisches Wachstum über die Zeit hinweg verändert, gibt dieser Beitrag einen Überblick über die internationale Literatur zum posttraumatischen Wachstum aus einer Lebensspannenperspektive. Aus den gesichteten Studien geht hervor, dass posttraumatisches Wachstum im frühen Erwachsenenalter am wahrscheinlichsten ist. Darüber hinaus weisen Langzeitstudien in der Anfangsphase nach dem Trauma auf stabile oder zunehmende Verläufe hin, während Posttraumatisches Wachstum in späteren Jahren zu Stabilität oder Abnahme tendiert. Werden die verschiedenen Domänen posttraumatischen Wachstums einzeln untersucht, wird klar, dass über längere Zeiträume hinweg wenig Stabilität besteht. In ihrer Gesamtheit weisen diese Befunde darauf hin, dass Personen mit gewissen demografischen Merkmalen im Zuge von traumatischen Erfahrungen Unterstützung in der Entwicklung von Posttraumatischem Wachstum benötigen könnten und dass Posttraumatisches Wachstum domänenspezifisch gefördert werden sollte.
Posttraumatic growth refers to positive psychological changes which originate from handling highly stressful life events. As there is reason to assume that posttraumatic growth changes over time, this article reviews the international literature on posttraumatic growth from a lifespan perspective. The literature shows that posttraumatic growth is most likely to develop in early adulthood. In addition, longitudinal studies suggest that in the early stages after trauma, posttraumatic growth follows a stable or increasing trajectory while later years are characterized by stability or decline. If domains of posttraumatic growth are investigated individually, it becomes clear that little stability exists across longer periods of time. In summary, these findings suggest that individuals with certain demographic characteristics may need support in the development of posttraumatic growth and that domain-specific fostering of posttraumatic growth may be most effective.
Narrative Behandlungsansätze, Biografiearbeit und Interventionen des Lebensrückblicks haben in der Psychotherapie, Geriatrie, Pflegewissenschaft und palliativen Pflege eine hohe Akzeptanz. Effekte zeigen sich bezüglich kognitiver, affektiver und verhaltensbezogener Maße. Menschen jeden Alters erinnern sich und teilen ihre Erfahrungen. Dies ist ein bindungsstiftendes und sinngebendes Bedürfnis und nicht nur dem Alter vorbehalten. Im Gegenteil: Die Vorstellung zukünftiger Ereignisse ist ohne die Erinnerung an vergangene Erfahrungen nicht möglich. Erinnerung, biografisches Gedächtnis und Identität sind eng aufeinander bezogen. Narrative Interventionen bearbeiten das autobiografisch-episodische Gedächtnis. Die meiste Forschung zum Lebensrückblick besteht zur Wirksamkeit bei Depression im Alter und bei demenziellen Erkrankungen. Aktuelle Studien untersuchen den Nutzen dieser Interventionen im mittleren Lebensalter sowie deren Indikation bei der Posttraumatischen Belastungsstörung. Das chronologische strukturierte Vorgehen des Lebensrückblicks unterscheidet sich von dem spontanen Erinnern, der Reminiszenz. Die klinische Anwendung ist der Lebensrückblicktherapie vorbehalten. Trotz guter Behandlungsergebnisse stehen die Verabschiedung therapeutischer Leitlinien und die Empfehlung als Methode innerhalb eines Richtlinienverfahrens jedoch noch aus.
Narrative approaches and interventions are well accepted within the domain of psychotherapy, geriatrics, nursing science and palliative care. Good efficacy is reported for life review or relating biographical interventions. Effects are reported for cognitive, affective or behavioral outcomes. To share memories is a basic human need which strengthens attachment and helps people to establish meaning in life. Autobiographical memory and identity are tightly linked together. It is not possible to envisage future events without the episodic recall of the past. Therefore, narrative interventions target the autobiographical memory. Most of the related studies address typical mental health problems of age, e. g. dementia and affective disorders. More recent work dedicates itself to posttraumatic-stress disorder or investigates the benefit of life review techniques for middle-aged persons. Life review follows a structured protocol and shows more impact on mental outcomes than mere reminiscence. Life review therapy is the clinical application of a narrative approach. In spite of good treatment results it has not been listed in official guidelines yet.
Im Jahr 2000 wurde das Konzept der Late Onset Stress Symptomatology (LOSS) als Wiederaufscheinen lange zurückliegender Traumatisierungen aus Kriegseinsätzen im höheren Alter unter älteren US-Kriegsveteranen beschrieben. Fokusgruppen wurden durchgeführt, um das Konzept zu entwickeln, und es wurde ein Fragebogen zur Erfassung von LOSS entwickelt und validiert. 2010 begann dann die Überarbeitung und Erweiterung des Konzeptes als Later-Adulthood Trauma Reengagement (LATR), um auch Resilienz und posttraumatisches Wachstum zu integrieren. Das LATR-Modell beschreibt, dass ältere Kriegsveteranen sich bewusst mit ihren Kriegserinnerungen auseinandersetzen und diese nachträglich verarbeiten, um ihrem Lebensnarrativ Kohärenz und dem Erlebten Sinn zu geben. Dieser Prozess kann zu positiven (z. B. posttraumatisches Wachstum) und / oder zu negativen Konsequenzen (z. B. Zunahme psychopathologischer Symptome) führen. Im Weiteren wurde eine Gruppenintervention entwickelt, die Kriegsveteranen dabei unterstützen soll, ihre Kriegserinnerungen zu verarbeiten und positive Entwicklungen zu befördern. Die Bedeutung von LOSS als einem Konzept, das Konsequenzen beschreibt, und von LATR als Prozesskonzept und deren Nutzen für die psychosoziale Unterstützung von Menschen mit lange zurückliegenden Traumatisierungen, wie z. B. Kriegseinsätzen, werden diskutiert.
We describe the evolution of our development and understanding of the reemergence of trauma in aging U. S. military combat veterans. Beginning in 2000, we characterized late-onset stress symptomatology (LOSS) as the later-life emergence of stress symptoms related to early-life combat trauma among aging veterans. Validation of the LOSS construct was achieved through focus group research and scale development and validation. In 2010, we began to reconceptualize LOSS as later-adulthood trauma reengagement (LATR) to incorporate perspectives on posttraumatic growth and resilience. This new LATR model suggests that many aging combat veterans intentionally confront and rework their wartime memories to find meaning and build coherence in their life story. This process can lead to positive (e. g., growth) and / or negative outcomes (e. g., increased symptomatology). We developed a group-based intervention to assist veterans in processing combat-related reminiscences and enhancing positive outcomes. Implications of the evolution from LOSS, the outcome, to LATR, the process, are discussed, in the context of understanding and assisting aging survivors of early-life trauma such as warzone deployment.
Was wirkt in Therapeutischen Jugendwohngruppen? Nach wie vor fehlt es in diesem und ähnlichen Jugendhilfebereichen an tragfähigen Ergebnissen zu Gelingensbedingungen und Wirkungen von Jugendhilfeprozessen. Um diese Forschungslücke zu verkleinern, hat sich der Arbeitskreis Therapeutischer Jugendwohngruppen Berlin (AK TWG) in Zusammenarbeit mit der Alice Salomon Hochschule Berlin in einem mehrjährigen Forschungsprojekt ausführlich diesem Thema gewidmet. Der Artikel gibt einen Überblick über den Forschungsstand und einen stichpunktartigen Einblick in die zentralen – schwerpunktmäßig quantitativen – Ergebnisse der Studie. In Anlehnung an den aktuellen Forschungsstand wird dabei insbesondere der Einfluss der Hilfedauer fokussiert, und die quantitativen Ergebnisse werden an einem Beispiel aus dem qualitativen Untersuchungsteil veranschaulicht.
What works in therapeutic adolescent residential groups? There is still a lack of sustainable results with regard to successful conditions for and the effective impact of youth welfare processes in this and similar youth welfare areas. In order to close this research gap, the Arbeitskreis Therapeutischer Jugendwohngruppen Berlin (AK TWG), in collaboration with the Alice Salomon University of Applied Sciences in Berlin, has devoted itself to this topic in the form of a research project lasting several years. This article provides an overview of the state of research and a brief summary of the central – primarily quantitative – findings of the study. Corresponding to the current state of the research, the focus is on the question of the duration of support and the quantitative results are illustrated using an example from the qualitative section of the study.
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