Das bisherige Soziale Entschädigungsrecht, das systematisch noch intensiv an den Bedarfen der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen orientiert war, wurde durch den Gesetzgeber, insbesondere aufgrund der Erfahrungen aus den terroristischen Anschlägen der letzten Jahre reformiert. Durch die Reform sollte das Soziale Entschädigungsrecht anwenderfreundlicher und transparenter werden. Es sollten weiter gehend auch die heutigen Bedarfe der Opfer von Gewalttaten und deren Angehörigen mehr berücksichtigt werden. Der Aufsatz vermittelt einen ersten Überblick über wichtige Erweiterungen der geschützten Tatbestände (u. a. psychische Gewalttaten und Vernachlässigung von Kindern) sowie wesentliche verfahrensrechtliche Änderungen insbesondere bei der Anerkennung von psychischen Schädigungsfolgen bei Gewalttaten. Darüber hinaus setzt sich der Autor mit den Änderungen der Kausalitätsgrundsätze in Teil C der VersMedV auseinander.
Germany’s Social Compensation Law was initially closely geared to the needs of war victims and their surviving relatives. The legislator has now reformed this law, notably on the basis of experience with the terrorist attacks perpetrated over the last few years. The reform is designed not only to make the Social Compensation Law more user-friendly and more transparent, but also to take more extensive account of the needs of victims of violence and their relatives. The article supplies an initial overview of important crimes / offences newly included in the extended purview of the Law (e. g. mental cruelty and neglect of children) and major procedural changes pertaining notably to the recognition of psychic impairment resulting from acts of violence. The author also engages with the changes to the causality principles operative in Part C of the Ordinance on Medical Care.
In diesem Beitrag findet sich eine Übersicht über die sechs Rechtsbereiche im Sozialen Entschädigungsrecht, die für die psychotraumatologische Kausalitätsbegutachtung von Bedeutung sein können. Im Anschluss folgt eine Kasuistik aus der Begutachtungspraxis im Bereich des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG), nach welchem ehemals aus politischen Gründen in der DDR inhaftierte Personen Entschädigungen für durch Haftumstände hervorgerufene Gesundheitsstörungen geltend machen können. Besonders bei chronisch komplexen psychischen Traumafolgen können Symptome die gutachterliche Exploration erschweren. Denn das aus Angst vor emotionaler Überflutung oder aus Scham und durch Schuldgefühle hervorgerufene Vermeidungsverhalten, was bis zu einer dissoziativen Amnesie für wesentliche Aspekte der traumatischen Erfahrungen reichen kann, steht den Bemühungen des Gutachters um eine erschöpfende Exploration im Wege und kann damit zu gutachterlichen Fehlbeurteilungen führen.
The article discusses the six sectors of Germany’s Law of Social Compensation that are potentially relevant for the assessment of psychotraumatological causality. Subsequently, the author outlines a specific case of assessment practice in the context of the Criminal Rehabilitation Law, which is the basis for compensation claims by individuals from the former GDR jailed for political reasons and suffering from health disorders caused by the circumstances of their imprisonment. Notably the symptoms of chronically complex psychic trauma sequels may have a detrimental effect on the exploration required for assessment. Avoidance behaviour caused by fear of emotional engulfment, shame or guilt feelings may in extreme cases lead to dissociative amnesia in connection with essential aspects of traumatic experience. This may impede the efforts of the expert assessor to achieve exhaustive exploration of the circumstances and can thus lead to errors in the appraisal of cases.
Psychotraumatologische Kausalitätsgutachten spielen in der sozialgerichtlichen Praxis eine große Rolle. Sie sind häufig notwendig in Fällen des Sozialen Entschädigungsrechts und des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung. Obwohl sich beide Rechtsgebiete im Detail voneinander unterscheiden, sind die vom Sachverständigen zu beachtenden Vorgaben doch weitgehend identisch. Der Begutachtungsauftrag beginnt mit dem Eingang der Beweisanordnung und der vom Gericht zur Verfügung gestellten Akten. Was zu beachten ist, findet sich einerseits im Gesetz – vor allem § 407a ZPO –, andererseits in der Beweisanordnung nebst Begleitanschreiben des Gerichts. Abweichungen von gerichtlichen Vorgaben sind nur nach vorheriger Genehmigung durch das Gericht zulässig. Im psychotraumatologischen Gutachten kann im Einzelfall eine körperliche Untersuchung erforderlich sein, wenn auch die Anamnese und die Erhebung des psychischen Befundes den Schwerpunkt darstellen. Obwohl rechtliche Ausführungen vom Sachverständigen nicht erwartet werden, so hat er doch den rechtlichen Rahmen, in dem er sich bewegt, zu beachten.
Psychotraumatological causality assessments play a major role for social-insurance tribunals. They are frequently required in cases subject to the Law of Social Compensation and the Law of Statutory Accident Insurance. Although these two sectors differ from one another in detail, they are largely identical in terms of the provisions to be observed by expert assessors. The call for assessment begins with the arrival of the order to collect evidence and the files placed at the assessor’s disposal by the court / tribunal. The provisions to be observed are located first of all in the Law itself (notably § 407 a, Code of Civil Procedure) and also in the order to produce evidence and the court’s letter accompanying the order. Deviations from the provisions laid down by the court are only admissible after prior approval by the court. In individual cases, physical examination may be required for the psychotraumatological assessment, although the main focus will normally be on anamnesis and psychic assessment. Remarks of a legal nature are not expected of assessors, but they must be mindful of the legal framework in which they are operating.
Der Beitrag fasst die rechtlichen Rahmenbedingungen zusammen für medizinische oder psychologische Sachverständige, die im Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung Zusammenhangsgutachten über psychoreaktive Störungen erstatten. Er erläutert die rechtlichen Prüfschritte, die nötig sind, um über Leistungsansprüche zu entscheiden, die Beweisanforderungen und wichtige Rechtsbegriffe wie Erstschaden, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität, Ursachenzusammenhang und Verschiebung der Wesensgrundlage. An Beispielen wird gezeigt, welche Aufgaben Sachverständige haben und welche rechtlichen Anforderungen bei der Begutachtung zu beachten sind.
The article summarizes the legal framework conditions relevant for medical or psychological experts supplying expert assessments on psycho-reactive disorders in the context of statutory accident insurance. It details the legal steps required to come to a decision on claims for emolument / compensation and discusses the call for evidence and important (German) legal terms like
Autounfälle, die während der Ausübung des Berufes oder auf dem Arbeitsweg passieren, sind von der gesetzlichen Unfallversicherung eingeschlossene Ereignisse. Treten nach solchen Arbeits- oder Wegeunfällen unspezifische psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen auf, fehlen häufig inhaltliche Bezüge zwischen den psychischen Symptomen und dem Unfallereignis. Die Kausalitätsbeurteilung erfordert in diesen Fällen umso mehr eine individuelle und differenzierte Beweisführung. In diesem Beitrag wird anhand zweier Kasuistiken dargestellt, wie die Kausalität der diagnostizierten Angststörungen durch die Gegenüberstellung und Gewichtung von unfallabhängigen und unfallunabhängigen Faktoren begründet wird. Im ersten Fallbeispiel wird die unfallbedingte Kausalität der Angststörung verneint, im zweiten Fallbeispiel wird die Angststörung kausal auf den Unfall zurückgeführt.
Vehicle accidents taking place during work or on the way to or from work are covered in Germany by statutory accident insurance. When unspecific psychic illnesses like anxiety disorders or depression occur in the aftermath of occupational or commuting accidents, the connections between the psychic symptoms and the accident event are frequently hard to define. In these cases, causality appraisal requires individual and detailed handling of the evidence. With reference to two actual cases, the article demonstrates how the causes of anxiety disorders can be substantiated by comparing and weighing up factors dependent on, and independent of, the accident in question. In the first case, the anxiety disorders proves not to have been caused by the accident. In the second case, the accident is shown to be the cause of the disorder.
Von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (UV-Träger) werden jährlich über 2 000 Gutachten auf psychischem Fachgebiet mit Kausalitätsbeurteilung eingeholt. In der gesetzlichen Unfallversicherung gelten besondere rechtliche Rahmenbedingungen, mit denen Sachverständige vertraut sein müssen. Bei der Begutachtung von Unfallfolgen auf psychischem Fachgebiet nutzen die UV-Träger einen standardisierten Gutachtenauftrag. Für die Verwertbarkeit des eingeholten Gutachtens ist entscheidend, ob die Beweisfragen vom Sachverständigen vollständig, nachvollziehbar und schlüssig beantwortet worden sind. Für die Qualitätssicherung von Gutachten zeichnen UV-Träger und Sachverständige gemeinsam verantwortlich.
Annually, the institutions handling statutory accident assurance approach over 2000 experts on psychic matters for assessments that include the question of causality. Statutory accident insurance operates under special legal framework conditions that assessors must be cognizant of. In connection with the assessment of accident sequels of a psychic nature, the insurance institutions use a standardized request form. The essential requirement for the usability of the assessment thus requested and for its implementation in terms of claims for insurance / compensation is that the assessor’s responses to questions concerning proof / evidence be complete, logical, and convincing. Insurance institutions and assessors are jointly responsible for assessment quality assurance.
Der Einsatz von Beschwerdenvalidierungstests zur Unterscheidung von echten, aggravierten oder sogar simulierten Beschwerden im Rahmen der Begutachtung wird von Expertenseite durchaus strittig diskutiert. Im Beitrag wird die klinische Beschwerdenvalidierung, die einen unentbehrlichen Bestandteil der gutachterlichen klinischen Untersuchung darstellt und Symptome auf verschiedenen Ebenen erfasst und miteinander vergleicht, anhand eines Fallbeispiels illustriert. Dabei werden hilfreiche Hinweise für das Identifizieren vorgetäuschter PTBS-Symptome zusammengestellt. Daran anschließend werden die gängigen Performancevalidierungs- und Symptomvalidierungstests dargestellt. Abschließend wird kritisch diskutiert, inwieweit die erläuterten Beschwerdenvalidierungstests als zusätzliches Hilfsmittel im Rahmen der klinischen Begutachtung reaktiver Traumafolgen nützlich sein können.
In the context of expert assessment, there is much controversy over the use of perfomance or symptom validation tests designed to distinguish between genuine, aggravated (exaggerated), and even simulated symptoms. The article draws upon a case example to illustrate clinical symptom validation. Identifying symptoms at various levels and comparing them with one another, such validation is an indispensable feature of clinical examinations for assessment purposes. The author lists a number of helpful resources for identifying »fake« PSTD symptoms. There follows a description of the usual performance-validation and symptom-validation tests. Finally, the author engages in a critical discussion of the extent to which these tests covered in the article can be of use in the framework of clinical assessment of reactive trauma sequels.
In diesem Beitrag werden die Grundzüge der aussagepsychologischen Begutachtung aus der Sicht einer Praktikerin mit aussagepsychologischer und klinischer psychotherapeutischer Ausbildung dargestellt. Dabei werden grundlegende Unterschiede zwischen aussagepsychologischer und klinischer Vorgehensweise und Zielsetzung beschrieben sowie Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Aussagepsychologie zitiert, die auch bei der klinischen Begutachtung Beachtung finden sollten. Hierdurch soll der Blick des Klinikers bei der klinischen Begutachtung geschärft und zu einem kritischeren und vorsichtigeren Umgang mit klinischen Erhebungen angeregt werden.
The article provides a description of the basic features of criteria-based content analysis (credibility assessment) from the perspective of a practitioner trained both in credibility assessment and in clinical assessment and psychotherapy. The author deals with fundamental differences between approaches and objectives of credibility assessment and clinical assessment, also reporting on research findings in the psychological field that deserve to be taken account of in clinical assessment. The intention is to sharpen the perceptions of clinical assessment and to encourage a more critical and discriminating approach to clinical evidence.
Dieser Beitrag widmet sich den besonderen Herausforderungen in der Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren. So richten sich beispielsweise in Asylklageverfahren die Fragen an den Gutachter auf das Vorliegen möglicher physischer oder psychischer Gesundheitsstörungen und darauf, inwieweit diese gegebenenfalls aus klinischer Sicht die Angaben eines Asylantragstellers, im Herkunftsland gefoltert worden zu sein, stützen können oder nicht. Klinische Gutachten können eine wertvolle Unterstützung zur Entscheidungsfindung in Asylverfahren bieten, wie dieser Beitrag anhand einer Kasuistik deutlich macht.
The article discusses the special challenges involved in the expert assessment of psycho-reactive disorders in proceedings related to Germany’s Law on the Residence of Aliens. In asylum claim proceedings, for example, assessors are likely to be asked whether health disorders of a physical or psychological nature exist and to what extent from a clinical perspective they corroborate an asylum seeker’s assertions of having been tortured in his/her country of origin. Clinical assessments can provide valuable support in arriving at a verdict in asylum proceedings. The article outlines a specific case illustrating the point.
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