Die Oktoberausgabe ist ein Themenheft der vergangenen KINDERANALYSE-TAGUNG, die vom 24. bis 26. März 2022 in Stuttgart stattgefunden hat: Spiel und Deutung sind zwei Eckpunkte des Tagungsthemas und zugleich ein Spannungsfeld. Die Kinderanalyse geht konkret vom kindlichen Spiel aus und sucht gemeinsam eine Sprache für unbewusste Konflikte.
Vernachlässigung und emotionale Misshandlung stellen in vielen westlichen Industrienationen die bei weitem häufigsten Formen von Kindesmisshandlung dar. Diese Misshandlungsformen werden in der breiten Öffentlichkeit nur wenig beachtet, jedoch bekommen wir es in der therapeutischen Arbeit mit Kindern sehr oft mit den äußeren und inneren Folgen von Vernachlässigungserfahrungen zu tun. Ausgehend von einem Fallbeispiel wird aufgezeigt, wie die Spielfunktion eines Kindes unter der Last transgenerationaler Misshandlungserfahrungen zusammenbrechen kann. Einige wesentliche Charakteristika des inneren emotionalen Erlebens von vernachlässigten Kindern werden dargestellt und daraus Prinzipien für die psychoanalytische Behandlung abgeleitet.
Der Autor beschreibt die psychoanalytische Behandlung eines zu Beginn siebenjährigen Jungen, der an einer mangelnden Steuerungsfähigkeit seiner überflutenden Affekte litt. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen monologischen und dialogischen Elementen im kinderanalytischen Prozess wird in Anlehnung an eine Formulierung Heinrich von Kleists die Entwicklung emotional-denkerischer Fähigkeiten bei diesem Jungen als allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreien und Bewegen im analytischen Feld und der analytischen Beziehung dargestellt. Im monologischen Modus dient der Analytiker zunächst als Gegenüber und Empfänger noch nicht formulierter Gedanken, im dialogischen Modus beteiligt er sich an der weiteren Entwicklung und Ausformulierung eines emotional-kognitiven Selbstverständnisses des Kindes. Die Nutzung präsentativer Symbolik im kindlichen Spiel, wie Zeichnen und leibliche Interaktion, kann durch begleitende sprachliche Deutungen zur triangulären Ausgestaltung des therapeutischen Raums führen und die Bildung diskursiver Symbole fördern. Auf diese Weise kann aus hyperkinetischem Schreien und Bewegen allmählich ein epistemisches Vertrauen in das Gegenüber und in die eigene Denk- und Steuerungsfähigkeit hervorgehen.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der psychoanalytischen Technik auseinander. Eine analytische Sitzung mit einem autistischen Kind wird ausführlich beschrieben und besprochen. Das 6-jährige Kind verfügt über keine verbale Sprache. Seine Mittel der Darstellung sind sein Körper, Handlungen und Laute, mit welchen es sich in den therapeutischen Raum und in den Körper des Analytikers einschreibt. Der Analytiker versucht der Bedeutung des Geschehens Worte zu verleihen. Seine Sprache dient dazu, sowohl dem Kind als auch dem Analytiker Halt in der Hilflosigkeit zu geben und Ordnung zu stiften. Im letzten Abschnitt wird das Verhältnis zwischen Körper, Handlungen und Sprache in der Psychoanalyse allgemeiner erörtert. Die historische Entwicklung der Technik der Psychoanalyse ist eine wechselvolle zwischen einer technischen, handlungsorientierten und einer sprachlichen, diskursorientierten Vorgehensweise. Freud erkannte, dass vielleicht gerade das Wesentliche nicht erinnert, sondern nur wiederholt werden kann. Die Wiederholungen in Handlungen und Inszenierung wie der Übertragung, dem Kinderspiel oder dem Trauma sind neben der Sprache notwendiger Bestandteil jeder Psychoanalyse. Erst Körper, Handlungen und Sprache zusammen ermöglichen einen schöpferischen Prozess und ergeben ein sinnvolles Ganzes.
Michael Günter, Dr. med., Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Studium der Medizin, Kunstgeschichte und Empirischen Kult...
Michael Günter, Dr. med., Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Studium der Medizin, Kunstgeschichte und Empirischen Kulturwissenschaft in Tübingen und Wien, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene und Lehranalytiker (DPV/IPA), Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Stuttgart, Leiter des Weiterb...
Kai von Klitzing, Prof. Dr. med., ist Direktor der Universitätsklinik und -poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes-...
Kai von Klitzing, Prof. Dr. med., ist Direktor der Universitätsklinik und -poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters in Leipzig, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse/IPV; Gewählter Präsident der World Association for Infant Mental Health (WAIMH). Forschungsschwerpunkte: Entwicklungspsychopathologie, frühe Kindheit, Familienbeziehungen, Kinder-Narrative, Psychoanalyse...
Daniel Barth, Dr. med., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapie; Erwachsenen, Jugend- und Kinderpsychoanalytiker; Mitgl...
Daniel Barth, Dr. med., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapie; Erwachsenen, Jugend- und Kinderpsychoanalytiker; Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa/IPA). 1995/96 Forschungsaufenthalt im Anna-Freud-Center bei Mary Target, psychoanalytische Lesegruppe mit Peter Fonagy von 1995 bis 2000. Schwerpunkt bildet die psychoanalytische Arbeit mit früh gestörten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im analytischen Setting. Daniel Barth ist Mit...
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