Laut Deutscher Dienststelle (WASt), der früheren Wehrmachtsauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene (WASt), gelten heute noch etwa eine Millionen deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs als vermisst (Deutsche Dienststelle, 2011). Dies bedeutet, dass eine sehr hohe Anzahl an Personen in Deutschland aktuell noch mit der Ungewissheit leben muss, unter welchen Umständen der betroffene Familienangehörige verschollen ist bzw. ob und wie er damals evtl. zu Tode kam. Des Weiteren haben sie keine Kenntnis über den genauen Ort, an dem die sterblichen Überreste des Vermissten verblieben sind. Dieses Verlustereignis, die damit einhergehende Ungewissheit und das Gefühl des Nicht- abschließen-Könnens belastet in großen Teilen bis heute die direkt betroffenen Hinterbliebenen und teilweise auch deren Nachkommen. Die hier vorgestellte Studie befragte, in Kooperation mit der Deutschen Dienststelle (WASt), Hinterbliebene von vermissten deutschen Soldaten, die einen Suchantrag zur Klärung des Verbleibs ihres Familienmitgliedes aktuell gestellt hatten. Die anonymisierten Textaussagen, welche exemplarisch die mit dem Verlustereignis verbundenen Schicksale und Belastungen der Hinterbliebenen aufzeigen, sollen in diesem Artikel dargestellt und in ausgewählte psycho-traumatologische Forschungskontexte eingeordnet werden.
Questioning Relatives of Missing World War II Soldiers – Living with permanent uncertainty
According to the former Wehrmacht Information Office for War Losses and Prisoners of War (WASt), now referred to as Deutsche Dienststelle, about one million German soldiers of World War II still count as »missing in action« (Deutsche Dienststelle, 2011). This means that a very large number of people in Germany are still forced to live with uncertainty about the circumstances under which the family member in question went missing and whether and how they met their deaths. Further, they have no knowledge of the exact place where the dead bodies of their relatives are interred. Loss, the uncertainty associated with it and the inability to terminate the mourning process place considerable strain on the bereaved and partly also on their descendants. The study discussed here was undertaken in conjunction with the Deutsche Dienststelle (WASt) and assembles written statements by the relatives of missing German soldiers who have filed a search request to cast light on the fates of their lost relations. This article discusses selected anonymized statements reflecting typical destinies and deprivations of the bereaved and allocates them to various psycho-traumatological research contexts.
Schätzungen gehen davon aus, dass in der ersten Dekade nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland etwa 200.000 Kinder geboren wurden, deren Väter Angehörige der Besatzungsarmeen und deren Mütter Deutsche waren. Aus der historischen Forschung und aus Einzelberichten ist bekannt, dass diese sogenannten »Besatzungskinder« häufig Diskriminierungen ausgesetzt waren. Detaillierte und vor allem quantitative Untersuchungen dazu fehlten bislang. Im Jahr 2013 wurden 146 deutsche Besatzungskinder mit einem Fragebogen befragt, der unter anderem auch Stigmatisierungs- und Diskriminierungserfahrungen erfasste. Mehr als die Hälfte der Befragten (54.6 %) gab an, Stigmaerfahrungen gemacht zu haben, ein Fünftel davon »oft« oder »immer«. Gründe waren z. B. die Herkunft des Vaters, äußere Merkmale oder die uneheliche Geburt. Die Stigmatisierungen wurden im direkten sozialen Umfeld, in öffentlichen Einrichtungen/Institutionen und in der eigenen Familie erlebt – meist im Kindes- und Jugendalter. Mit der vorliegenden Untersuchung wird erstmals eine detaillierte Beschreibung der Stigmaerfahrungen der deutschen Besatzungskinder bereitgestellt.
German Occupation Children: Experiences of Stigmatisation after World War II
Estimates suggest that approx. 200,000 children fathered by members of the occupying forces were born by German women in the first decade after World War II. Historical research and individual case reports indicate that these so-called »occupation children« were frequently exposed to discrimination. So far, however, there have been no detailed (quantitative) investigations of this phenomenon. In 2013, 146 German occupation children were asked to complete a questionnaire inquiring (amongst other things) their experiences of stigmatisation and discrimination. More than half of the sample (54.6 %) stated that they had experienced stigmatization, one-fifth of them »frequently« or »constantly«. Major reasons were father’s origin, external features or illegitimacy at birth. Stigmatisation took place in childrens’ immediate social environment, in public institutions and in their own families, mostly in childhood and adolescence. The present study is the first to provide a detailed description of stigma experiences of German occupation children.
Am 09. April 1940 überfielen deutsche Truppen Norwegen. Neun Monate später kamen die ersten »Wehrmachtskinder« zur Welt. Im Laufe des Krieges wurden 12 Heime des »Lebensborn« (ein von der SS getragener Verein zur Erhöhung der Geburtenrate »arischer« Kinder) in Norwegen gegründet, so viele wie in keinem anderen durch das NS-Regime besetzten Land; darunter befand sich das erste außerhalb des damaligen Deutschen Reiches gelegene. In den Archiven des Lebensborn wurden knapp 8000 Kinder registriert. Schätzungen gehen davon aus, dass während der deutschen Okkupationszeit in Norwegen 10 000 bis 12 000 Kinder geboren wurden, deren Väter den deutschen Truppen angehörten und deren Mütter norwegische Staatsbürgerinnen waren. Die »Wehrmachtskinder« trugen ein doppeltes Stigma: Sie waren häufig unehelich geboren und waren durch die Beziehung mit dem Feind entstanden. Aus Zeitzeugnissen geht hervor, dass ihr soziales Umfeld sie diskriminierte und ausgrenzte; sie wurden verhöhnt und zum Teil körperlich und seelisch misshandelt. Auch von staatlicher Seite widerfuhren Ihnen unterschiedliche Repressalien.
Die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer haben die Umstände und Bedingungen der norwegischen »Wehrmachtskinder« bereits Ende des letzten Jahrhunderts als Forschungsgegenstand aufgegriffen. Die psychosozialen Fächer haben dieses Thema jedoch erst kürzlich begonnen zu bearbeiten. Im Rahmen des hier vorgestellten Forschungsvorhabens werden erstmalig mittels eines umfangreichen Fragebogens die psychosozialen Konsequenzen des Aufwachsens als »Wehrmachtskind« im Nachkriegsnorwegen erfasst. Das Projekt ist in eine bereits etablierte internationale und interdisziplinäre Forschungsstruktur zu den »Kinder[n] des Krieges« eingebunden (www.childrenbornofwar.org), wobei an den Universitäten Leipzig und Greifswald die psychosoziale Belastung von Besatzungskindern in Deutschland parallel untersucht wird. Eine Besonderheit der norwegischen Situation sind die umfangreichen Aktivitäten des »Lebensborn«, der während des Krieges für viele Wehrmachtskinder und deren Mütter eine wichtige Rolle spielte.
Norwegian »Wehrmacht Children« – Psychosocial aspects, identity development, stigmatization
On 9 April 1940, German troops invaded Norway. Nine months later the first »Wehrmacht children« were born. In the course of the war, 13 »Lebensborn« homes were established in Norway, more than in any other country occupied by the Nazis and including the first ever of these homes to be set up outside the former German Reich. (The Lebensborn was an SS-initiated association dedicated to raising the number of »Aryan« births via extramarital relations between people living up to Nazi standards of health and racial purity). In the archives of the Lebensborn almost 8,000 children were registered. It is estimated that 10,000 to 12,000 children were born during the German occupation of Norway whose fathers belonged to the German troops and whose mothers were Norwegian nationals. »Wehrmacht children« labored under a dual stigma. They were (often) born out of wedlock and they were the fruit of relations with the enemy. Socially they were discriminated and marginalized. They were ridiculed and, in many cases, physically and mentally abused. These children also suffered a variety of reprisals from the state. Initial investigations of the biographies and careers of the »Wehrmacht children« in Norway date back to the end of the last century, most of them undertaken by scholars working in the humanities and the social sciences. Recently, the psychosocial sciences have also taken up this issue. The research project discussed here is the first to investigate the psychosocial consequences of growing up as a »Wehrmacht child« in post-war Norway. The project is part of an established international and interdisciplinary research network named »Children Born of War« (www.childrenbornofwar.org). The Universities of Leipzig and Greifswald have conducted a parallel study on occupation-born German children after WWII. A special feature of the Norwegian situation is the extensive activity of the »Lebensborn«, which played an important role for many »Wehrmacht children« and their mothers during the war.
Unter den vielen politisch motivierten, oft mit Enteignungen verbundenen Vertreibungen innerhalb der SBZ/DDR waren die »Zwangsaussiedlungen« aus dem 1952 geschaffenen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze in das Hinterland der DDR eine Besonderheit. Insgesamt waren davon fast 12 000 Personen (von über 320 000 Grenzbewohnern) betroffen – vorwiegend in zwei Aktionen 1952 und 1961. Obwohl von der Bundesregierung bereits 1953 kritisch dokumentiert, wurde ihre Aussiedlung nach zähem Ringen erst 1992 als exceptionelle, individuelle politische Verfolgung anerkannt. Doch bis heute bekommen die Opfer für ihre entwürdigende Vertreibung, langjährige Kriminalisierung und Stigmatisierung keinerlei finanzielle Entschädigung. Wie die Haftopfer auch, können sie Folgeansprüche aus dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz (UnBerG) geltend machen, doch Gesundheitsschäden und berufliche Nachteile werden kaum anerkannt, und vermögensrechtlich sind sie oft schlechter gestellt als politisch nicht Verfolgte. Faktoren, die helfen, ein Trauma zu überwinden, sind bei ihnen bis heute ungünstig. Psychiater der Universität Greifswald haben 2006 in einer Studie über psychische Erkrankungen bei Opfern nichtstrafrechtlicher Repression (Zwangsausgesiedelte und Zersetzungsopfer) festgestellt, dass ca. 60,8 % von ihnen psychisch erkranken – fast dieselbe Häufigkeit liegt bei den Opfern von politischer Strafjustiz vor. Haftopfer bekommen eine Kapitalentschädigung/Haftmonat und eine monatliche Ehrenrente. Die Forscher beklagen erhebliche Defizite im Hinblick auf angemessene Entschädigungsleistungen für die untersuchte Gruppe: Gerade die gesellschaftliche Anerkennung und Würdigung als Opfer sei entscheidend für die Bewältigung der politischen Verfolgung. Die UOKG hat in einem Brief an den Petitionsausschuss des DBT gefordert, die Zwangsausgesiedelten in die Renteregelung analog den Haftopfern einzubeziehen.
Forced evacuation of East German families from the restricted-access zones along the German-German border to the hinterlands of the GDR in 1952 and 1961 – An obstinate Trauma
Among the many politically motivated displacements of persons in the GDR, many of them involving dispossession and seizure of property, the »forced evacuations« of families living in the restricted-access zones just inside the German-German border set up in 1952 and their transfer to the hinterlands of East Germany were especially noteworthy. A total of almost 12,000 people (out of over 320,000 near-border dwellers) were affected, the evacuation taking place mostly in two major campaigns in 1952 and 1961. Although this was critically registered by the Federal Republic as early as 1953, it was not until 1992 and only after a tough struggle that this displacement was finally recognized as exceptional individual political persecution. Today, the victims have yet to receive any financial compensation for this humiliating displacement and the long-years of criminalization and stigmatization that went with it. Like prison victims, they can lodge claims derivable from the 2nd SED Unrechtsbereinigungsgesetz – UnBerG (Second Rehabilitation Law). But health impairments and occupational disadvantages are hardly recognized and in terms of property law they are frequently worse off than people who were not politically persecuted. Today, the factors that might help them come to terms with this trauma cannot be considered favorable. In 2006, psychiatrists at the University of Greifswald established in a study on mental illness in victims of non-penal repression (i.e. forced evacuees and victims of systematic psychological duress) that about 60.8 % of them come down with mental disorders, almost the same percentage as with the victims of politically motivated persecution under criminal law. Prison victims receive compensation based on the number of months they were in jail and a monthly pension. The scientists involved in the study deplore the compensation deficits affecting the group in question, insisting that social recognition of, and appreciation for, these victims is a crucial factor in enabling them to come to terms with the political persecution they suffered. In a letter to the Petitions Committee of the Federal German Parliament, the Union of the Associations of the Victims of Communist Tyranny has called for inclusion of the forced evacuees in a pension scheme analogous to the one devised for prison victims.
Der Terrorismus tritt in den letzten Jahren mit einer unerwarteten Zerstörungskraft auf. Er zeigt ein bisher unbekanntes Gesicht und erweitert seinen Radius auf die ganze Welt, wenn er auch in der Regel lokal beginnt. Der Terrorismus bedient sich zunehmend neuer Mittel; die Zahl potenzieller Täter und Unterstützer ist enorm. Der Terror hat viele religiöse und ideologische Gesichter; er nutzt moderne Medien und schafft transnationale Netze; zivile Opfer werden in Kauf genommen oder sind beabsichtigt. Er zielt auf die Verbreitung von Angst und Schrecken, und in nie dagewesenem Ausmaß töten die Attentäter sich selbst bei Anschlägen oder misshandeln, vergewaltigen, verkaufen junge Mädchen, köpfen vor laufender Kamera Menschen und stellen sie über die Netzwerke zur Schau. Dieser neue islamistische Terror, vor allem jener des IS (»Islamischer Staat«) übersteigt unser menschliches Verständnis von Grausamkeit und Leid. In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie es dazu kommt, dass Tausende von Menschen aus aller Welt sich dieser Gruppe anschließen und zu Massenmördern werden, und welche psychologischen, soziokulturellen, religiösen und politischen Strukturen bei der Motivation der Täter eine Rolle spielen.
The Psychology of Islamic Terror
In the last few years, terrorism has developed a destructive impetus that hardly anyone could have anticipated. Its face has changed out of all recognition, and although it usually begins locally, it has extended its radius to encompass the whole world. Increasingly, terrorism makes use of new resources, and the number of potential perpetrators and supporters is enormous. Terrorism comes in many religious and ideological guises, it uses modern media and creates transnational networks. Civilian victims are either regarded as unavoidable collateral damage or actively targeted from the outset. Terrorists set out to spread fear and horror, more of them than ever before kill themselves with their victims, they abuse, rape or barter young girls, film themselves beheading their captives and blazon the horrific pictures all over the Internet. This exacerbation of Islamic terror, notably as practised by the IS (»Islamic State«), opens up a whole new dimension of cruelty and suffering. The article inquires (a) into what it is that makes thousands of people all over the world decide to join this group and become mass murderers themselves and (b) into the psychological, socio-cultural, religious and political structures that play a role in their motivation.
Ein stationärer Traumaschwerpunkt kann in Form eines störungsspezifischen Moduls oder einer Spezialstation entwickelt werden. Der Aufbau des Settings geht weit über die psychotraumatologische Qualifizierung einzelner Mitarbeiter und die Einführung zusätzlicher Gruppenangebote zur Vermittlung von Stabilisierungstechniken hinaus. Teamkonflikte sind vor allem am Übergang der Pionierphase zur Differenzierungsphase des Teams zu erwarten. Eine hinreichende personelle Ausstattung, psychotraumatologische Schulungen aller Mitarbeiter und fortlaufende störungsspezifische Supervision sind erforderlich, um traumaspezifische Reinszenierungen zu begrenzen. Über Retterphantasien und eine Identifikation mit der Opferseite kann sich ein Sonderstatus des Teams herausbilden, der die Integration des Traumaschwerpunkts in die Gesamtinstitution erschwert.
Establishing a Trauma Ward – Developing organisational structures, team dynamics and institutional acceptance
Inpatient trauma treatment at psychosomatic institutions can be organized either as a specific modular set of treatment tools or as a separate specific ward for PTSD patients. Establishing such a setting means dealing with challenges that go far beyond additional psychotraumatology qualifications for staff members or specific forms of group therapy for stabilisation purposes. Team conflicts can be expected to materialize primarily in the transition from the pioneering stage to a phase of greater differentiation within the team. Adequate staff numbers, psychotraumatology training for all staff members and a supervisor with a trauma therapy background are essential in minimizing trauma-specific re-enactment. Rescue fantasies and (over-)identification with victims can lead to the team attaining a special »heroic« status that interferes with the integration of the trauma ward into the clinical institution it is part of.
Die Anwendung der wertschätzenden Beziehung als wichtiges Instrument sozialpädagogischer Arbeit führt in der herkömmlichen Kinder- und Jugendhilfe zu deutlich besseren Ergebnissen, als in der traumapädagogischen Arbeit. In diesem Beitrag wird diskutiert, inwieweit diese Erkenntnisse nicht alleine auf die stärkere Ausprägung der Symptome sondern vor allem auf traumatisch bedingte veränderte Wirkmechanismen zurückzuführen sind, die explizit dem »in Beziehung sein« entgegenstehen. Zunächst werden die Grundzüge des sozialen Konstrukts »Beziehung« betrachtet und daraus die notwendigen Voraussetzungen abgeleitet, um Beziehung wahrnehmen und erfahren zu können. Diese werden mit den gegebenen Traumafolgen abgeglichen um die zusätzlichen Herausforderungen zu ermitteln, welche traumatisierte Klienten im Vergleich zur herkömmlichen Kinder- und Jugendhilfe überwinden müssen, um von wertschätzender Beziehung profitieren zu können. Die heutige Traumapädagogik muss daher zusätzliche Maßnahmen entwickeln, damit traumatisierte Klienten die angebotene Wertschätzung auch als solche wahrnehmen und für sich verwenden können.
The Trauma Pedagogy Dilemma in the Context of Child and Youth Welfare
The Appreciative Relationship strategy as an important instrument in social pedagogy has been much more successful in conventional child and youth welfare than in trauma pedagogy. The author discusses the extent to which this caused not only by the greater severity of the symptoms but primarily by the trauma-related change of mechanisms that have a detrimental effect on the client’s ability to »be in« a relationship. Subsequently he investigates the term ›relationship‹ as a social construct, deriving from this the prerequisites necessary to perceive and experience relationships. These need to be linked to the given traumatic effects if we are to identify the additional challenges traumatised clients (as opposed to clients in conventional child and youth social work) have to overcome in order to benefit from Appreciative Relationships. It is these challenges that dictate the measures trauma pedagogy needs to develop in order to support clients in recognising the appreciation offered and thus being able to benefit from it.
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