Der vorliegende Artikel möchte eine Ergänzung tradierter Rassismusdefinitionen im Kontext von Traumatisierung anbieten. Es soll dargestellt werden, inwieweit Rassismus in Geschichte und Gegenwart gewaltsame Erfahrungen generiert, fortschreibt und normalisiert und inwiefern dies traumatisierend sein kann. Dabei werden verschiedene Ebenen beleuchtet, in welchen Menschen rassistisch agieren, wobei dies letztlich nicht nur Menschen trifft. Es wird außerdem der Versuch unternommen, Bilder und Worte für jenen elementaren Bruch zu finden, als der Rassismus definiert wird, und zuletzt versucht, dieser Entmächtigung die Kraft zur (Selbst-)Ermächtigung entgegenzusetzen.
This article proposes an extension of traditional definitions of racism in the context of traumatization. It sets out to show the extent to which, both in history and in the present, racism can be generated, perpetuated and normalized via the experience of violence and the degree to which this can be traumatic. The author casts light on a number of different levels at which individuals may behave in a racist manner, although ultimately it is not only humans that are affected by it. The author also attempts to find images and words for the elemental breach that racism is defined as and ultimately endeavours to pit (self-)empowerment against the disempowerment that racism involves.
Der Artikel berichtet von Erfahrungen mit der psychodynamischen Psychotherapie bei traumatisierten, in Deutschland lebenden Migranten aus den urbanen Unterschichten Brasiliens, die in ihrer Heimat Opfer von vor allem sexuell motivierter Gewalt wurden, dort aber aus ökonomischen Gründen von therapeutischer Hilfe ausgeschlossen waren. Die Migration nach Mitteleuropa stellt möglicherweise einen Abwehrversuch der traumatischen Erfahrungen dar, der zum Zeitpunkt des Therapiebeginns bereits gescheitert ist. Der Autor untersucht das spezifische Zusammenwirken psychodynamischer und kultureller Faktoren im psychotherapeutischen Verlauf. Es müssen stereotype Zuschreibungen und Projektionen in einem Integrationsprozess überwunden werden, der die zentrale Aufgabe der Behandlung darstellt und verschieden weit gelingen kann. Abschließend werden transgenerationale Aspekte gestreift und konkrete therapeutische Empfehlungen gegeben.
The article reports on experiences with psychodynamic psychotherapy as a form of treatment for traumatized Brazilian immigrants to Germany. These patients stem from the lower urban classes and were victims of sexually motivated violence in their own country. For financial reasons they were not given the benefit of therapeutic assistance of any kind. Their migration to Central Europe may be seen as an attempted defence against these traumatic experiences. As such it had already failed when therapy commenced. The author discusses the interaction between psychodynamic and cultural factors in the course of therapy. The central focus of treatment is on an integrative process designed to overcome stereotypical attributions and projections. This process may be more or less successful. Finally, transgenerational aspects are touched upon and specific recommendations made by the author.
In Europa stellen Menschen mit Migrationsgeschichte einen bedeutenden Anteil der Bevölkerung. Wie Studien zeigen, ist die Geburtenrate bei Migrantinnen hoch. Auch in Österreich werden in Migrantenfamilien mehr Kinder geboren als in einheimischen Familien. Migrantinnen sind zusätzlichen psychosozialen Stressfaktoren ausgesetzt, welche das Risiko für Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen erhöhen können. Ein nicht unwesentliches Risiko ist auch die geringere Inanspruchnahme von vorgeburtlichen Maßnahmen. Migrantinnen sind von Schwangerschaftsrisiken stärker betroffen, als einheimische Frauen. Die Autorinnen berichten von einer im Jahr 2006 ins Leben gerufenen Spezialambulanz für psychosoziale Krisen rund um das Thema Mutterschaft in Wien (FEM-Elternambulanz), in der neben deutschsprachiger Beratung zusätzlich eine türkischsprachige psychosoziale Beratung angeboten wird. Beim speziell muttersprachlichen Beratungsangebot wird auf die migrationsbedingten psychischen und körperlichen Stressfaktoren sowie auf mögliche Doppelbelastungen (Migrationserfahrung und die Veränderungen durch die Schwangerschaft) der Frauen und Familien während und nach der Schwangerschaft eingegangen. Insbesondere werden sekundäre psychische Probleme, die sich u. a. durch kritische Lebensereignisse, intra-familiäre Gewalt, Partnerschaftskonflikte oder den Kulturschock ergeben, oft erstmalig erkannt und bei Bedarf einer Therapie zugeführt. Im Jahre 2011 wurden 755 Beratungskontakte in der Ambulanz nachgefragt, was die Weiterführung und den möglichen Ausbau der Einrichtung als Teil der geburtshilflichen Versorgung im 16. Gemeindebezirk in Wien auch in Zukunft rechtfertigt. Abschließend wird anhand eines Falles beispielhaft die Arbeit der Einrichtung dargestellt.
In European countries, people with a migration background represent a significant percentage of the population. Several studies indicate that the birth-rate among migrant women is high. In Austria, as elsewhere, more children are born in immigrant families than in native Austrian families. Migrant women are exposed to additional psychosocial stress factors that may increase the likelihood of complications in pregnancy and at birth. A substantial risk factor is the minimal use they make of prenatal care and advice, the upshot of which is that migrant women are more prone to pregnancy risks than Austrian women. The authors report on a special outpatient clinic established in Vienna in 2006 and geared to coping with psychosocial crises associated with motherhood (»FEM – Elternambulanz«). Counselling and consultation takes place in German and in Turkish. On the Turkish side especially, particular emphasis is given to migration-related stress factors and the likelihood of a dual strain (migration experiences plus changes due to incipient motherhood) for women and their families during and after pregnancy. Secondary psychological problems arising after critical events, intra-familial violence, partnership conflicts and culture shocks are often identified for the first time and remedial therapy provided on request. In 2011 a total of 755 counselling contacts came about at the clinic, justifying the continuation and possible future expansion of the institution as part of obstetric and gynaecological care provision in Vienna’s 16th district. Finally, a case report gives an example of the service provided at this special outpatient clinic.
Junge Flüchtlinge, ob unbegleitet oder mit ihren Familien nach Deutschland eingereist, gelten als besonders vulnerable Gruppe hinsichtlich einer sequentiellen Traumatisierung. Im Mittelpunkt des Artikels steht ein möglicher (schul-)pädagogisch nutzbarer Verstehenszugang zu Traumatisierung bei Zwangsmigration, aus dem sich individuell sinnvolle Handlungsoptionen ableiten lassen. Es zeigt sich, dass wichtige Rückschlüsse auf die Bedürfnisse der jungen Flüchtlinge möglich werden, wenn sich Pädagoginnen und Pädagogen selbst zum Instrument des Verstehens machen. Der pädagogisch-praktische Nutzen dieses Vorgehens wird mithilfe eines Fallbeispiels aufgezeigt. Abschließend werden praktische Hinweise zum Vorgehen gegeben und kurz stichpunktartig Möglichkeiten und Barrieren einer dringend notwendigen Verankerung traumapädagogischen Wissens in der universitären Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern aufgezeigt.
Young refugees are generally held to be particularly vulnerable in connection with sequential traumatization. This article focuses on one potential approach to individual traumatization in the context of involuntary migration. The approach has proven effective in the school setting and a number of educational options can be derived from it for work with traumatized refugees. It generates important conclusions about the needs of young refugees and implies that education professionals can use their own personal emotions as a diagnostic instrument. The practical value of this mode of understanding is demonstrated with reference to a case study. Finally, the author offers practical tips and also provides a brief discussion of the options and barriers connected with the urgently required implementation of trauma-related knowledge in teacher training.
In der Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen sind schon immer Kinder geboren worden, die von ausländischen Soldaten mit einheimischen Müttern gezeugt wurden. Dennoch gibt es nur wenige Themen, über die so weitreichend geschwiegen wurde wie über diese Kinder des Krieges. Zu dieser Gruppe zählen sowohl Kinder, die aus Vergewaltigungen als auch solche, die aus mehr oder weniger freiwilligen Beziehungen mit Besatzungssoldaten entstanden sind. Häufig war das Forschungsinteresse eher einseitig auf Kinder von Vergewaltigungsopfern beschränkt. In den letzten Jahren wird jedoch mehr und mehr auch die Problematik der Kinder, deren Eltern freundschaftliche oder Liebesbeziehungen hatten, in der kulturwissenschaftlichen und zeitgeschichtlichen Forschung adressiert, während die psychosozialen Fächer sich dem Thema bislang nicht zugewandt haben. Die Übersichtsarbeit fasst den bisherigen Wissensstand zu den Kindern des Krieges zusammen und konzipiert ein erstes Rahmenmodell für die psychosoziale Forschung. Es besteht dringender Forschungsbedarf zu den Belastungen und Ressourcen dieser Gruppe.
In war history there were always children fathered by enemy soldiers and local women. Despite this fact there are only few topics more hidden in the discourse of war consequences than those children born of war. There is a range of the children born of rape on one side and children fathered during – more or less liberal – love affairs on the other side of the spectrum (children born of occupation). Up to date, the sparse research on the topic was concentrated on the children born of rape. More recently, cultural and historical studies also focused the problems of the children born of occupation including those born in intimate relationships, but psychosocial research almost totally neglected the topic. The paper reviews the literature about children born of war and conceptualizes a first frame work to understand the specific problems from the scope of psychosocial sciences. There is an urgent need for psychosocial research to evaluate stresses and resources of this particular group.
Auch wenn es schwer vorstellbar und unerträglich scheint, müssen Berichte von Menschen über Erfahrungen ritueller Gewalt ernst genommen werden. Der nachfolgende Beitrag fasst Informationen Betroffener über Manipulationsstrategien zusammen, die von Kulten gegenüber Mitgliedern und Opfern angewendet werden. So werden kleine Kinder in traumatisierenden Situationen konditioniert. Dabei werden Konditionierungen höhe-rer Ordnung aneinandergesetzt (Programme), so dass die Täter komplexe Handlungsmuster mit Signalreizen abrufen können. Die parallel dabei entstehenden Dissoziativen Identitätsstrukturen verhindern eine Einflussnahme der »programmierten« Menschen auf das eigene Verhalten. Durch diese Programme können Kulte das Alltagsverhalten von Menschen gezielt beeinflussen: essen oder hungern, schlafen oder wachen, Gehorsam, Vermeiden von Hilfe, Verschwiegenheit. Menschen können dadurch auch in brutalen Ritualen und im Menschenhandel gequält und ausgebeutet und zu eigenen brutalen Handlungen gezwungen werden. In langfristigen Therapieprozessen ist es möglich, die Konditionierungen aufzulösen und eigenen Einfluss auf das Verhalten zu erarbeiten.
Though harrowing to read, reports on experience with ritual violence demand to be taken seriously. The article brings together information received from victims on the manipulative strategies employed by cults to subjugate their members and victims. Small children are conditioned in traumatic situations. Instances of higher-order conditioning are sequenced (programmed) so that the perpetrators can summon up complex action patterns when stimulated to do so by signals. This conditioning goes hand in hand with the materialisation of dissociative identity structures that prevent the »programmed« individuals from exerting any influence on their own behaviour. These programmes enable cults to systematically influence the everyday behaviour of individuals (eating or fasting, sleeping or waking, obedience, avoidance of help, keeping silence, etc.). In the context of brutal rituals and human trafficking, individuals can hence be tormented and exploited and also forced to commit acts of brutality themselves. Long-term therapies can break down this conditioning and thus help patients to exercise influence over their own actions.
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