Der Beitrag behandelt die Geschichte der Nachkriegsdebatte um Traumatisierungen durch körperliche und seelische Gewalt unter der NS-Diktatur. Zugleich wird auch der Frage der Entschädigung von Traumatisierungsopfern in der jungen Bundesrepublik nachgegangen. Dieses Thema ist in der deutschen Medizinhistoriographie bislang eher zurückhaltend behandelt worden, was vor allem damit zusammenhängt, dass die historische Traumaforschung im deutschen Sprachraum noch in den Anfängen steckt. Hinzu kommen Behinderungen der Erforschung des individuellen Durchleidens von Holocaust und Verfolgung durch ein langes »kollektives Schweigen« und »gebrochene Identitäten«. Ein wichtiger Befund des Betrags deutet darauf hin, dass die Debatten um Traumatisierung und Entschädigung in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland zunächst noch ganz unter der opferfeindlichen Haltung deutscher Psychiater stand, wie sie für die Behandlung der Kriegstraumatisierten des Ersten Weltkriegs typisch war. In den Immigrationsländern vieler Überlebender der NS-Diktatur hingegen kamen entsprechende Forschungen und Debatten sehr viel früher in Gang. In Deutschland sind es vor allem die Arbeiten von Ulrich Venzlaff in den 1950er Jahren sowie die 1964 veröffentlichte Monographie »Psychiatrie der Verfolgten – Psychopathologische und gutachterliche Erfahrungen an Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung und vergleichbaren Extrembelastungen« von Walter Ritter von Baeyer, Heinz Häfner und Karl Peter Kisker, die eine Neubewertung der schweren Traumatisierungen erlaubten, die überlebende Opfer nationalsozialistischer Gewalt erlitten hatten. Diese Neubewertungen kennzeichneten auch den Weg vom ersten Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (1956) bis zum Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (1976).
The article discusses the post-war debate on traumatization from physical and psychological violence/cruelty under the Nazi dictatorship. At the same time, it inquires into the attitude toward compensation for trauma victims in the young Federal Republic. One important conclusion the article comes to is that initially the debates on trauma and compensation in Germany in the 1950s and 1960s were powerfully influenced by the anti-victim stance adopted by German psychiatrists, a stance typical of the way in which trauma victims of the First World War had been treated earlier. In countries to which many of the surviving victims of Nazi persecution emigrated, research and debate on this problem got off the mark much earlier. In Germany, the reevaluation of the severe traumas suffered by victims of Nazi violence was promoted above all by the work of Ulrich Venzlaff in the 1950s and the 1964 monograph by Walter Ritter von Baeyer, Heinz Häfner, and Parl Peter Kisker titled »Psychiatry for the Persecuted: Psychopathological and Assessment-related Experiences with Victims of Nazi Persecution and Similar Extreme Stress.«
Durch Beziehungspartner ausgeübte Gewalt gegen Frauen stellt weltweit ein häufiges Phänomen dar und ist für viele der Betroffenen mit langanhaltenden, psychischen Beeinträchtigungen verbunden. Studien legen zudem einen Zusammenhang zwischen frühkindlichen Missbrauchserfahrungen und erlebter Beziehungsgewalt im Erwachsenenalter nahe. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, das Ausmaß von Misshandlungserfahrungen in Kindheit und Erwachsenenalter und diesbezügliche Zusammenhänge mit der psychischen Gesundheit bei einer gezielt rekrutierten Stichprobe aus weiblichen Opfern von Beziehungsgewalt zu bestimmen. Standardisierte klinische Interviews mit den Frauen ergaben ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung stark erhöhtes Ausmaß an Missbrauchserfahrungen in der Kindheit. Entsprechend häufig ließen sich psychische Störungen bei den befragen Frauen feststellen. Über die Hälfte der Frauen litt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, ein Drittel wurde mit einer Major Depression diagnostiziert. Die Gesamtschwere der Beziehungsgewalt resultierte dabei als stärkster Prädiktor für die Schwere der posttraumatischen Symptomatik. Insgesamt weisen die Ergebnisse auf eine sehr hohe psychische Belastung bei Frauen mit Erfahrungen von Beziehungsgewalt hin und machen den dringenden Bedarf an gezielter psychotherapeutischer Intervention bei dieser Gruppe deutlich.
Intimate partner violence (IPV) inflicted on women has gained worldwide recognition as a major problem frequently associated with persistent mental-health issues. In addition, studies indicate an association between experience of childhood abuse and the likelihood of becoming a victim of IPV in later life. The present investigation examines a sample of women who have experienced IPV with a view to determining the extent of abuse experiences across their life spans and the way in which these are bound up with mental-health impairments. Standardized clinical interviews reveal that reports of child abuse are much more common in the sample in question than in the population as a whole. This is reflected in the high incidence of mental disorders: half the women were diagnosed for PTSD, over 30 percent for major depression. The overall severity of IPV turns out to be the strongest predictor for the severity of PTSD symptoms. In sum, the outcomes suggest that women who have experienced IPV display a high degree of traumatization and associated mental-health problems. The data also emphasize the need for systematic attempts to devise psychotherapeutic interventions for women with a lifelong history of violence and abuse.
Es wurde eine Halbjahreskatamnese bei Patienten mit PTBS (n = 54) durchgeführt, bei der quantitative und qualitative Forschungsstrategien kombiniert wurden. Die stationäre psychodynamische Traumatherapie sollte unter dem Aspekt der Erfolge und Misserfolge einer Qualitätsprüfung unterzogen werden, indem nach der Klärung quantitativer Therapieeffekte mittels der näheren Betrachtung von Einzelfällen einflussnehmende Faktoren erhoben wurden, die als zugrunde liegende Muster die Phänomene der klinischen Fälle differenziert abbilden können. Durch die Bildung von Subgruppen wurden typische Erfolgs- und Misserfolgsskripte erhoben, die sich im Verlauf günstig bzw. hemmend auswirken können. Die Analyse kommt zum Ergebnis, dass z. B. Ressourcenorientierung, die nachhaltig positive Beziehung zum Therapeuten und die Unterstützung durch das soziale Umfeld als typische Erfolgsskripte zu bewerten sind. Zu den Misserfolgsskripten gehören z. B. Rentenbegehren, Komorbidität mit Persönlichkeitsstörung und Unterbrechung des Heilungsprozesses. Die Skripte geben dem Therapeuten ein hervorragendes Instrument an die Hand, um zu prüfen, ob die Konfiguration seines Falls günstige oder weniger günstige Parameter aufweist.
The article reports on a six-month follow-up study of patients with PTSD (n=54) that combined quantitative and qualitative research strategies. The inpatient psychodynamic trauma therapy in question was subjected to a quality test in terms of successes and failures. To this end, an initial clarification of quantitative therapy effects was followed by the identification of impact factors via closer inspection of individual cases. As underlying patterns, these factors can provide a detailed image of clinical cases. Subgroups were formed to capture typical success and failure scripts that in the course of therapy can have a favourable or inhibitory effect. The analysis indicated that factors like resource orientation, an enduringly favourable relationship with the therapist and support from the social environment can be classified as typical success scripts. Among the typical failure scripts are applications for premature retirement pensions, co-morbidity with personality disorders and interruption of the healing process. The scripts are an outstanding resource for therapists in testing whether the respective configuration in individual cases displays favourable or less favourable parameters.
Ziel des vorliegenden Artikels ist es, die Auswirkungen von Gewalterfahrungen auf die (psychische) Gesundheit von betroffenen Frauen zu spezifizieren. Ausgehend von theoretischen Überlegungen wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt. Die Auswertung lieferte Ergebnisse, die die Aussage erlauben, dass körperliche Gewalterfahrungen mit dem Störungsbild der Posttraumatischen Belastungsstörung, sexuelle Gewalterfahrungen hingegen mit dem Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung, speziell der Borderline-Persönlichkeitsstörung, einhergehen. Bezüglich der posttraumatischen Störungsbilder konnte sowohl die Posttraumatische Belastungsstörung als auch die Borderline-Persönlichkeitsstörung mit den psychosomatischen Beschwerden der Patientinnen in Verbindung gebracht werden. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ein Zusammenhang zwischen körperlichen Gewalterlebnissen, psychosomatischen Beschwerden und der Posttraumatischen Belastungsstörung sowie ein Zusammenhang zwischen sexuellen Gewalterlebnissen, einem hohen Ausmaß an körperlichen Beschwerden und der Borderline-Persönlichkeitsstörung erkennen. Zusätzlich zeigten die Analysen eine erhöhte Ausprägung der Somatoformen Dissoziation bei erlebter körperlicher Gewalt sowie bei Vorliegen posttraumatischer Störungen, wie der Posttraumatischen Belastungsstörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung.
The aim of this article is to specify the effects of experience of violence on the (psychic) health of the women victims involved. To this end, an empirical study was conducted on the basis of prior theoretical considerations. The evaluation came up with findings that substantiate the following statement: while experiences of physical violence can be correlated to the posttraumatic stress disorder (PTSD), experiences of sexual violence tend to trigger a personality disorder, most notably the borderline syndrome. In terms of the posttraumatic syndromes themselves, both PTSD and borderline personality disorder can be correlated with the patients’ psychosomatic complaints. This outcome indicates on the one hand a connection between experiences of physical violence, psychosomatic complaints and PTSD, and on the other, between experiences of sexual violence, a high incidence of physical symptoms and borderline personality disorder. In addition, the analyses revealed a heightened degree of somatoform dissociation as a result of experiencing physical violence and in the presence of posttraumatic disorders like PTSD and borderline personality disorder.
Zwei gleichzeitige Bombenanschläge erschütterten 2007 den Nordirak, bei denen 311 Menschen ums Leben kamen und mehr als 600 verletzt wurden. 2009 untersuchten wir die Opfer des Bombenanschlags, um den Grad möglicher posttraumatischer Belastungsstörungen (PTSD) und deren Einflussfaktoren festzustellen. Alle Opfer gehörten der nicht-muslimischen religiösen Gemeinschaft der Yeziden im Nordirak an.
Insgesamt nahmen 296 Probanden an der Studie teil. Davon hatten 19 Prozent schwere unmittelbare Verletzungen davongetragen (mit über drei bis sechs Wochen Krankenhausaufenthalt). Sie litten aufgrund der Bombenexplosionen an unterschiedlichen multiplen Körperschmerzen (53 Prozent) und PTSD (41 Prozent) (95 % ci=33.5 %–46.5 %). Die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse deuteten auf ein erhöhtes PTSD-Risiko bei Frauen (odds ratio=2.63), den 35- bis 54-Jährigen (odds ratio=2.72) und TeilnehmerInnen hin, die schwere unmittelbare Verletzungen (odds ratio=2.78) davongetragen oder sich durch den Anschlag stark bedroht gefühlt hatten (odds ratio=3.88).
Die Häufigkeit von PTSD zwei Jahre nach einem Terroranschlag unterstreicht den Bedarf nach einer besseren Gesundheitsversorgung, um die mittel- und langfristigen Folgen des Terrorismus zu bewältigen.
Aim: A wave of bombings in North Iraq in 2007 killed 311 people and injured more than 600. The author conducted evaluations with the victims in 2009 to determine the prevalence of, and factors associated with, posttraumatic stress disorder (PTSD). All the victims belong to the non-Muslim religious community of the Yezidis in North Iraq.
Method: Victims directly exposed to the bombings (N=296) were recruited for a retrospective, cross-sectional study. Interviews in North Iraq were conducted by trained personnel to evaluate PTSD on the basis of DSM-IV criteria and to assess (a) health status before the attack, (b) initial injury severity (including mutilations) and perceived threat at the time of attack, (c) psychological symptoms, and (d) other health issues at the time of the study. Factors associated with PTSD were investigated with univariate logistic regression, followed by multiple logistic regression analyses.
Results: A total of 296 respondents participated in the study. Of these, 19 % had severe initial physical injuries (hospitalization 3 – 6 weeks and longer). Problems reported at the evaluation stage included various multiple body pains (51 %) and PTSD (41 %) (95 % confidence interval= 34.5 %–47.5 %). The results of the logistic regression analyses indicated that the risk of PTSD was significantly higher among (a) women (odds ratio=2.54), (b) participants aged 35 – 54 (odds ratio=2.83), (c) those who had suffered severe initial injuries (odds ratio=2.79), and (d) those who had felt substantially threatened during the attack (odds ratio=3.99).
Conclusions: The high prevalence of PTSD two years after a terrorist attack emphasizes the need for an improved health care system able to address the medium- and long-term consequences of terrorism.
Die psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen scheint in Deutschland noch nicht ausreichend; vielmehr ist ein Versorgungsnotstand gegeben. Erfahrungen aus der Praxis machen die Notwendigkeit einer spezifischen Traumatherapie für diese Altersgruppe deutlich. Das körperliche Altern wie z. B. die eingeschränkte Mobilität, das Nachlassen der Sinne, Krankheiten und Schmerzen sowie der Abschied von Menschen kann im Einzelfall ein Gefühl des Ausgeliefertseins auslösen und zu einer Traumareaktivierung führen. Hier greift ein Kurzzeittherapiekonzept, das Elemente von EMDR und Brainspotting mit einer Lebensrückblickintervention verbindet. Da diese Altersgruppe kaum Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten hat, wird es ein Behandlungsangebot vor Ort in einem Seniorenzentrum in Köln geben mit dem Titel »Altlasten über Bord werfen«. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das wissenschaftlich begleitet wird.
In Germany, psychotherapeutic care for the elderly is patently inadequate, in fact the situation has emergency status. Practical experience tells us that specific trauma therapy for this age-group is imperative. In individual cases, features associated with old age (restricted mobility, sensory deficiencies, pain and illness, leave-taking) can induce a feeling of powerlessness and lead to a reactivation of earlier trauma(s). Useful in such cases is a brief-therapy strategy combining elements of EMDR and brainspotting with a retrospective intervention. As this age group has little access to psychotherapeutic offerings, there are plans to organise a local treatment unit at a senior citizens’ centre in Cologne. The unit will be called »Throwing Ballast from the Past Overboard«. It is a pilot project conducted under scientific supervision.
Bestell-Informationen
Service / Kontakt
Kontakt