Bisher gab es keine international einheitlich erhobenen Daten zur psychischen Belastung und zur Versorgung mit Behandlungsangeboten zur Reduzierung des Rückfallrisikos bei Langzeitgefangenen. Das Greifswalder Projekt zur Menschenrechtssituation im Langstrafenvollzug in elf europäischen Ländern schließt diese Lücke. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse zur Symptombelastung, gemessen mit dem BSI, sowie zur Teilnahme an Behandlungs- und Trainingsmaßnahmen für ca. 1050 Gefangene vorgestellt. Insgesamt sind über 50 % der Stichprobe hinsichtlich ihrer psychischen Belastung behandlungsbedürftig. Bei der Teilnahme an Straftäterbehandlung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den nationalen Samples. Es erscheint eine deutliche Verbesserung der psychiatrischen Versorgung erforderlich, auch um die Compliance bei den Angeboten zur Rückfallvermeidung zu erhöhen.
So far there have been no uniform international data on psychological stress and treatment designed to reduce the likelihood of relapse in long-term prison inmates. The Greifswald project on the human rights situation for long-term prisoners in 11 European countries closes this gap.
The article discusses initial findings on BSI symptoms and on participation in treatment and training measures for approx. 1,050 prisoners. Over 50 % of the sample are in need of treatment for psychological stress. With regard to participation in treatment for prisoners, there are major differences between the national samples. Definite improvement in psychiatric care is required, not least to increase compliance with offerings targeted at relapse prevention.
Unter dem euphemistisch-zynischen Begriff der »Euthanasie« wurden zwischen 1939 und 1945 systematisch mehrere hunderttausend kranke und behinderte Menschen ermordet. Viele der Opfer, darunter auch Patienten der Rostocker Psychiatrischen und Nervenklinik, sind allenfalls statistisch erfasst. Der Mensch dahinter, sein individuelles Schicksal hingegen wird eher selten betrachtet. Diese Tatsache ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass von den Opfern nur geringe Lebensspuren geblieben sind. Nicht wenige wurden für immer gelöscht. Die Arbeit möchte neben einer allgemeinen Darstellung des Forschungsgegenstandes »Euthanasie« in Mecklenburg und speziell in Rostock, sich den Opfern als Gruppe und Individuen annähern. Es soll der Frage nachgegangen werden, welche Kriterien den einzelnen Kranken zum Teil einer Gruppe mit bestimmten Merkmalen werden ließen, nach denen schließlich selektiert wurde. Zudem sollen individuelle Lebensspuren nachgezeichnet werden.
»Euthanasia« was the cynical euphemism used by the Nazis to refer to the systematic extermination of hundreds of thousands of mentally sick and handicapped people between 1939 and 1945. Today, many of the victims, including patients at the Rostock Psychiatric and Neurological Hospital, are no more than figures on a statistics sheet. Accordingly, it is quite rare for individual fates to be taken into consideration, not least because of the meagre traces left by the victims, many of which have in fact been obliterated for good.
The article pursues two aims: (a) to give a general account of the research interest involved in investigating euthanasia in Mecklenburg, and more specifically in Rostock, and (b) to approach the victims both as groups and as individuals. A key concern is to identify the criteria used to assign individual patients to a group with specific characteristics leading to final selection. In addition, an attempt is made to trace individual destinies.
Vertreter der Gestalttherapie sehen in
der Symptomatik der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) die Reaktion auf eine offene Gestalt – eine Unterbrechung des Kontakt-Erfahrungszyklus. In der gestalttherapeutischen Behandlung der PTB soll die offene Gestalt der traumatischen Erfahrung geschlossen und so in die Biographie des Betroffenen integriert werden. Häufig kommt dazu die Technik des Stuhldialogs zur Anwendung.
Im Feld der Psychotraumatologie findet die Gestalttherapie nur wenig Anerkennung und ist kaum in universitären Einrichtungen verankert. Einige Studien zeigen jedoch, dass gestalttherapeutische Interventionen in der Behandlung der PTB wirksam sein können. Allerdings unterliegen diese Studien einigen methodischen Einschränkungen, so dass keine generalisierte Aussage über die Wirksamkeit der untersuchten Methoden getroffen werden kann. Hinzu kommt, dass die in den Studien erfolgreichen gestalttherapeutischen Methoden im Vergleich zur ursprünglichen Gestalttherapie stark modifiziert wurden und daher keine einfache Übertragung gestalttherapeutischer Konzepte auf die Behandlung der PTB gerechtfertigt erscheint.
Proponents of gestalt therapy see the symptoms of posttraumatic stress disorders (PTSD) as a reaction to an open gestalt – an interruption of the contact-experience cycle. Gestalt-therapeutic treatment for PTSD is designed to close the open gestalt of traumatic experience and integrate it into the biography of the patient. Use of the empty-chair dialogue technique is frequent. In the field of psychotraumatology, gestalt therapy has received little recognition and is hardly represented at all in university institutions. While some studies do indicate that gestalt-therapeutic interventions can be effective in the treatment of PTSD, these studies are subject to a number of methodical limitations that render it impossible to make generalized statements about the efficacy of the methods investigated. In addition, the gestalt-therapeutic methods found to be successful in these studies display major modifications over and against gestalt therapy in its original form. Accordingly, the straightforward application of gestalt-therapeutic strategies to the treatment of PTSD does not appear to be justified.
Obwohl der unbewusste Vorgang der Introjektion bei der psychischen Verarbeitung von traumatischen Verletzungen, sowohl in der Kindheit wie im Erwachsenenalter, eine so wichtige Rolle spielt, sind Gebrauch wie Definition dieses ursprünglich psychoanalytischen Terminus sehr unterschiedlich und oft verwirrend. Nach Klärung der ursprünglichen Bedeutung von Introjektion und Introjekt, entwirft der Autor eine Systematik verschiedener Formen der Introjektion, von der adaptiven Introjektion, wie sie Freud für die Gewissenbildung beschrieben hat, über die Introjektion als Abwehr von realem oder phantasiertem Verlust bei psychischem Missbrauch, bis hin zur traumatischen Introjektion als Überlebensmechanismus bei physischer und sexueller Gewalt.
The unconscious process known as introjection plays a major role in dealing with traumatic psychical injuries, both in childhood and later. Hence it is surprising that the usage and the definition of this originally psychoanalytic concept should be so wide-ranging and (frequently) confusing. After clarification of the original meaning of introjection and introject, the author proposes a systematic overview of different forms of introjection, ranging from adaptive introjection (as described by Freud in connection with the formation of conscience) to the introject as a defence mechanism against real or fantasised loss in cases of mental cruelty, and traumatic introjection as a survival mechanism in response to physical and sexual abuse.
Der allgemeine Konflikt zwischen sich anpassend-unterwerfendem Verhalten und der Verfolgung autonomer Lebensentscheidungen verschärft sich durch die Repressionsmöglichkeiten einer Diktatur und kann ein traumatisierendes Ausmaß erreichen. Unter Verwendung persönlicher Schilderungen wird die These vertreten, dass den Ostdeutschen die groben und subtilen Verletzungen ihrer Würde in der Zeit der DDR-Diktatur bislang nur teilweise bewusst geworden sind. Weder hat es bislang ausreichend inneren Raum für die mit den Diktaturfolgen verbundene Selbstauseinandersetzung gegeben, noch sind die Konflikte zwischen Ostdeutschen aus dieser Zeit der Diktatur ausgetragen worden.
Die heutige Verharmlosung der DDR-Diktatur geht aber nicht nur von Ost- sondern auch von Westdeutschen aus. Es handelt sich um eine kollusive Abwehr, die vielen Westdeutschen hilft, ihre früheren ideologiebedingten Ausblendungen zu verleugnen. Kränkungen Ostdeutscher seit der Wiedervereinigung erklären manche der zwischen Ost- und Westdeutschen bestehenden Spannungen, werden aber ebenfalls für diese Abwehr instrumentalisiert.
The general conflict between adaptive/submissive behaviour and the pursuit of independent life-decisions is aggravated by the repressive potentialities of a dictatorship and can take on traumatic dimensions. With reference to personal experiences, this article contends that the East Germans have not yet become fully aware of the insults to their dignity (both blatant and more insidious) imposed on them during the GDR dictatorship. They have not achieved the broader internal perspective required for an engagement with the self bound up with the consequences of dictatorship, nor have the conflicts between East Germans stemming from this regime been openly thrashed out. But the present tendency to play down the repressions of the GDR dictatorship comes not only from East but also from West Germans. We are faced here with a collusive defence mechanism that helps many West Germans to deny their earlier ideological blind-spots. Offensive behaviour to East Germans since reunification explains some of the tensions existing between East and West Germans. But it is also pressed into service to reinforce this defence mechanism.
Die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschlands haben über den Weg zweier deutscher Diktaturen zu unterschiedlichen Lebens- und Wahrnehmungswelten der Ost- und der Westdeutschen geführt, die das Leben eines Westdeutschen im Osten zu einer partiellen Exilerfahrung werden lassen. Es ist allerdings seit der politischen Wende 1989 zu einer bemerkenswerten Angleichung beider zuvor getrennter Kulturen gekommen, wobei die sich zunehmend verwischenden Unterschiede auf individueller wie kollektiver Ebene über die Etablierung von Wahrnehmungs- und Handlungsstereotypen zu dem manchmal verzweifelten Versuch führen, eine Restidentität »Ost« und »West« – separiert voneinander – aufrechtzuerhalten. Meine persönlichen und beruflichen Erlebnisse und Erfahrungen als in Ostdeutschland lebender Westdeutscher werden vor dem Hintergrund wahrnehmbarer Selbst- und Objektrepräsentanzen dargestellt und anhand von epidemiologischen Daten und Daten aus der Traumaforschung
zu politischen Opfern der DDR-Dikatur exemplifiziert.
Against the background of two German dictatorships (Nazism and Communism), the division and reunification of Germany spawned differing life-worlds and systems of perception among East and West Germans. For a West German living in the East, these differences are so extreme as to sometimes arouse the impression of living in exile. Since 1989 there has been a remarkable rapprochement between the two formerly segregated cultures. As the differences between them start to blur, stereotypic perceptions and reactions have established themselves both on the individual and on the collective plane.
The results are (sometimes desperate) attempts to uphold residual »Eastern« and »Western« identities separately from one another. In this article I describe my personal and professional experiences (both subjective and objective) as a West
German living in East Germany. I do so against the background of perceptible self- and object representations and exemplify those experiences with reference to epidemiological data and data from trauma research on political victims of
the GDR regime.
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