In der Sozial- und Kriminalitätsforschung wird von verschiedenen Autoren behauptet, dass Kinder und Jugendliche nach anderen Gesetzmäßigkeiten handeln als Erwachsene und dass sich insbesondere die Ursachen von Kriminalität bei Kindern und Erwachsenen unterscheiden. Diese Hypothese hält jedoch einer empirischen Überprüfung nicht uneingeschränkt stand. Mit Hilfe einer 3-welligen Panelerhebung unter den Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5 bis 9 aller Haupt- und Förderschulen in Heidelberg kann gezeigt werden, dass bestimmte Wertorientierungen bei 10–16-jährigen Kindern und Jugendlichen einen bedeutsamen Einfluss auf delinquentes Handeln haben. Ein solches Modell kann auch für ältere Jugendliche und Erwachsene bestätigt werden. Der Unterschied zwischen Kindern und Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits liegt nicht in Werten als Kriminalitätsursachen, sondern lediglich in der Komplexität der Wertvorstellungen – der Werteraum von Erwachsenen ist differenzierter. Die Ergebnisse der Untersuchung belegen überdies, dass entgegen manchen Annahmen die Ausbildung von Werten nicht erst in der Adoleszenzphase erfolgt – bereits ältere Kinder haben Werte, die reliabel und valide erfasst werden können. Zudem zeigt die Studie die Wichtigkeit der Wertevermittlung für die Ausbildung gesetzeskonformer Verhaltensweisen.
In the literature on sociology and criminology, different authors state that the causes of crimes are different for children and adults. This hypothesis is studied for value-orientations as an important cause of actions. In an empirical study the hypothesis can be falsified to some extent. With the help of a three-wave panel survey among pupils of classes 5 to 9 of all secondary modern schools and special schools of Heidelberg it can be shown that certain value orientations of 10 to 16 year old persons can have an important influence on delinquent behavior. Such a model can also be confirmed for elder young persons and for adults. The difference between children and young people on the one hand and adults on the other is not to be seen in the relevance of value-orientations as causes of crimes but only in the complexity of value orientations. The values of adults are more differentiated.
Die Herausbildung psychotraumabedingter Symptomatiken stellt für Diagnostiker und Behandler eine enorme Herausforderung dar: Während unser gegenwärtiges Medizinsystem auf klar voneinander abgrenzbare und mit spezifischen Therapien behandelbare Erkrankungen ausgerichtet ist, zeigen sich Traumafolgestörungen sehr vielgestaltig und in individuell sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Ein besseres Verständnis der durch psychische Traumatisierung im Gehirn ausgelösten Veränderungen kann dazu beitragen geeignete diagnostische Verfahren und therapeutische Interventionen für Patienten mit posttraumatischen Störungen zu entwickeln.
Im vorliegenden Beitrag wird deshalb versucht, die neurobiologischen Grundlagen der Herausbildung und Verfestigung psychotrauma-bedingter Störungen in verständlicher und nachvollziehbarer Weise darzustellen. Grundlage dieser Darstellungen sind die in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse über erfahrungsabhängige Neuroplastizität, über die Kopplung und Bahnung neuronaler Verschaltungsmuster und über die Rolle des präfrontalen Cortex für subjektive Bewertungen und Selbstzuschreibungen. Unter Zuhilfenahme einer vereinfachenden Modellvorstellung werden die durch Monotraumatisierung, multiple Traumatisierungen und frühe sequenzielle Traumatisierungen im Gehirn ausgelösten Anpassungsprozesse beschrieben und Rahmenbedingungen aufgezeigt, die aus neurobiologischer Perspektive erfolgversprechende therapeutische Interventionen ermöglichen.
Psychotrauma-related symptomatologies are an enormous challenge both for diagnosticians and therapists. Our present-day medical system is geared to clearly defined illnesses that respond predictably to specific therapies. By contrast, disorders related to the consequences of trauma are highly diverse and differ greatly from one individual to another. Improved understanding of changes triggered in the brain by trauma can help in getting to grips with this challenge and in devising appropriate diagnostic techniques and therapeutic interventions for patients with posttraumatic disorders. Accordingly, the present article attempts to give a readily understandable account of the essential neurobiological factors involved in the emergence and perpetuation of psychotrauma-related disorders. This account is based on the insights gained over the past few years on experience-dependent neuroplasticity, the coupling and facilitation of neuronal switching patterns, and the role of the prefrontal cortex in subjective evaluations and self-ascriptions. With recourse to a simplified model, the authors describe the adjustment processes triggered in the brain by single traumas, multiple traumas, and early sequential traumas, indicating parameters favoring successful therapeutic interventions from a neurobiological perspective.
In der Pilotstudie wurde die Behandlung mit einer kultursensitiven, narrativen Traumatherapie an weiblichen Flüchtlingen retrospektiv evaluiert. 16 Patientinnen mit Traumafolgestörung nach Extrembelastung auf dem Hintergrund sexualisierter Gewalterfahrungen wurden in einem Zeitraum von 2 Jahren in einem stationären Setting muttersprachlich behandelt. Eine Nachbefragung erfolgte 6 Monate nach Therapieabschluss. Anhand einer katamnestischen Untersuchung, ohne Kontrollgruppe, konnte ein positiver Effekt der kultursensitiven narrativen Traumatherapie auch noch ein halbes Jahr nach der stationären Behandlung nachgewiesen werden.
The pilot study retrospectively evaluated the treatment of female refugees using culture-sensitive narrative trauma therapy. Sixteen patients with persistent personality changes as a result of extreme traumatic stress caused by experiences of sexualized violence were treated in their own language in an inpatient setting over a period of 2 years. They were questioned six months to one year after the termination of therapy. A catamnestic study without a control group established that culture-sensitive narrative trauma therapy still had a positive effect six months after inpatient treatment.
Traumapatienten zeigen eine Reihe von Veränderungen in der sozialen Wahrnehmung von anderen Personen und sich selbst. In der sozialen Kognitionsforschung sind im Zusammenhang mit der sozialen Kognition die Konzepte »Transparency Illusion« (TI: Durchschautwerden-Können-Illusion) und Self-Handicapping (SH: Sich-selbst-Handicappen) beschrieben. Wir untersuchten diese beiden Phänomene mit neu entwickelten Methoden in einer Gruppenvergleichsstudie bei PTBS-Patienten. 16 Patienten mit einer partiellen oder voll ausgeprägten PTBS wurden mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. In zwei von drei TI-Parametern und in einem von zwei SH-Parametern wurden Unterschiede im Gruppenvergleich gefunden. Diese inkonsistenten Befunde können damit zu tun haben, dass die untersuchten Phänomene nur bereichsspezifisch vorliegen oder auch mit den methodischen Begrenzungen der Studie. Die nachgewiesenen Teilphänomene von TI und SH können als benachteiligend für Traumapatienten in sozialen Interaktionen gewertet werden. In Therapien sollten diese interpersonellen Defizite deshalb beachtet werden.
Trauma patients display a number of changes in social perception both of others and themselves. Research on social cognition has proposed the concepts of transparency illusion (TI) and self-handicapping (SH). In a comparative group study the authors employed newly devised methods to investigate whether these phenomena were discernible in PTSD patients. Sixteen patients with subsyndromal or full PTSD were compared with a normal control group. Deficits were identified in the trauma patients in two of three TI parameters and one of two SH parameters. These inconsistent findings may be conditioned by the fact that the phenomena investigated are only present in specific constellations. They may also be attributable to the methodological limitations of the study. At all events, even the partial presence of TI and SH can be evaluated as detrimental for trauma patients in social interaction. Accordingly, these interpersonal deficits should be taken account of in therapy.
Larry Park kontaktierte Vincent J. Felitti im Rahmen der Adverse-Childhood Experiences-Studie. So entstand das persönliche Zeugnis eines Mannes, der als Kind ein überwältigendes Trauma erlitt: Vor über dreißig Jahren entführten drei junge Männer aus San Francisco einen Schulbus in der Nähe von Chowchilla und sperrten die Insassen, darunter den 6-jährigen Larry P., in eine tiefe Grube. Erschütternd sind das enorme Ausmaß von Larrys Wut und die terrorisierenden Stimmen, die ihn bis heute heimsuchen. Selten findet sich ein Autor, der mit solcher Klarheit seine innere Welt beschreibt und uns vor Augen führt, dass Extremtraumatisierung eine permanent wirksame destruktive Kraft bedeutet, wenn sie unbehandelt bleibt. Nach einer Einführung von Vincent J. Felitti, die den Hintergrund des Geschehens erläutert, folgt der so beeindruckende wie leidvolle Erlebnisbericht von Larry Park, der nachfolgend von Paul J. Fink aus klinischer Sicht kommentiert wird.
Larry Park contacted Vincent J. Felitti in the framework of the Adverse Childhood Experiences study. The result of this encounter is the personal testimony of a man who suffered an overwhelming trauma in his childhood. Over 30 years ago, three young men from San Francisco kidnapped a school bus in nearby Chowchilla and buried its occupants in an underground trench for two days. One of the children was Larry Park, aged six at the time. His account reveals the frightening degree of rage he still carries within him and describes the voices that have gone on terrorizing him to this day. It is rare indeed to find an author able to describe his inner world so graphically and to demonstrate that extreme trauma is a permanently virulent destructive force if it is left untreated. After an introduction by Vincent J. Felitti explaining the background of the events follows the harrowing and profoundly affecting report penned by Larry Park. Subsequently his account is commented on from a clinical viewpoint by Paul J. Fink.
Vorgestellt wird ein Schlüsselsetting einer gestalttherapeutischen Handlungsinszenierung bei einer Seniorenpatientin mit starkem Ekelerleben. Die komplextraumatisierte Patientin hat dabei zunächst erziehungsbedingt große Mühe, die psychosomatische Selbsthypothese anzunehmen. In der Interaktionsarbeit mit beseelbaren Therapieobjekten kann sie dann jedoch sehr schnell und beeindruckend problematische Zugänge zum Ekelerleben assoziativ öffnen und durch emotionale Probeäußerungen schließen bzw. verringern. Durch diese didaktische Selbsterfahrung zur psychosomatischen Kopplung erreicht die zuvor zum Teil querulatorische Patientin einen großen Erkenntnisgewinn und therapeutischen Motivationsschub, durch welchen agierte Beziehungskämpfe im ärztlichen Behandlungsfeld beigelegt werden können.
The article describes a key setting in a gestalt-therapeutic enactment intervention for an elderly female patient with strong subjective feelings of revulsion. Initially, and as a result of her upbringing, the patient suffering from a complex trauma had great difficulty accepting the psychosomatic hypothesis in connection with herself. However, in the course of interactive work with »beseelbare« therapy objects (objects to which a »soul« can be imputed) she was quickly and impressively able via association to tap problematic forms of access to her subjective feelings of revulsion and subsequently to close them off or restrict them by means of trial utterances of an emotional nature. This didactic self-related experience with the psychosomatic connection gave the initially sometimes obstreperous patient a major gain in self-knowledge and enhanced her therapy motivation to the extent that overt interpersonal conflicts with doctors treating her could be settled.
Die mit einer Pressemitteilung der Universität Greifswald angekündigte Studie zur sexualisierten Gewalt am Ende des
II. Weltkrieges erzielte eine so große und komplexe Resonanz bei Betroffenen, Interessierten und in den Medien, dass ein vielschichtiges Erfahrungs- und Meinungsbild zu dem bislang im öffentlichen Diskurs kaum thematisierten Traumageschehen entstand. Der vorliegende Artikel versucht, typische Diskussionsbeiträge beispielhaft zu zitieren und psychotraumatologisch zu kommentieren. Sämtliche Mitteilungen von Betroffenen sind vollständig anonymisiert und bezüglich biografischer Details verfremdet.
A press announcement by the University of Greifswald announcing a study on sexualized violence in the final stages of World War II engendered an enormous response from the women involved, others interested in the topic, and the media. This response represents a genuine kaleidoscope of reports and opinions on a trauma hitherto largely neglected in public discourse. The article quotes a number of typical responses on the subject and attempts to elucidate them in psychotraumatological terms. All responses from the women affected have been completely anonymized and the biographical details changed to make them unidentifiable.
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