Frühere Studienergebnisse in Bezug auf die Entwicklung der Persönlichkeit, die für eine hohe Stabilität von Persönlichkeitsmerkmalen nach dem 30. Lebensjahr sprechen, sind inzwischen um Hinweise auf ein Veränderungspotenzial für solche Merkmale ergänzt worden, das auch im höheren Lebensalter wirksam ist. Darüber hinaus deuten Langzeitstudien auf eine geringere Stabilität von Persönlichkeitsstörungen über die Lebensspanne als bislang angenommen. Dies gilt insbesondere für die Borderline-Persönlichkeitsstörung, bei der gemäß Studienergebnissen nach sechs oder zehn Jahren bei der Mehrheit der Betroffenen die Diagnosekriterien nicht mehr erfüllt sind. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass die Lebensqualität im Alter und das Risiko von altersassoziierten Erkrankungen durch die Persönlichkeit und durch Persönlichkeitsstörungen signifikant beeinflusst werden. Bestimmte Aspekte der Persönlichkeit wie ein erhöhter Neurotizismus-Wert wurden mit einem höheren Krankheitsrisiko im Alter in Verbindung gebracht. Für die Zukunft ist es dringend erforderlich, die Instrumente zur Diagnose von Persönlichkeitsstörungen im Alter zu optimieren und mehr Langzeitstudien im mittleren und höheren Lebensalter zum Thema Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen durchzuführen.
Development of personality and personality disorders across the lifespan
With regard to the development of personality previous results of longitudinal studies supporting the notion of a high stability of personality characteristics after the age of 30 have been supplemented by new data that suggest a potential for change in personality beyond that age and even up to old age. Moreover, recent longitudinal studies indicate that personality disorders may be less stable over lifetime than previously thought. Especially with regard to patients with borderline personality disorders it is remarkable that according to study results most patients no longer fulfill the diagnosis criteria of the disorders in follow-up examinations 6 or 10 years later on. Studies indicate that the quality of life and the risk of age-related illnesses are significantly influenced by personality and its disorders. Several aspects of personality like high scores in neuroticism were found to correlate with a higher risk for disorders in old age. For the future it is deemed necessary that diagnostic instruments are optimized for the diagnosis of personality disorders in old age and more longitudinal studies are initiated to study personality and personality disorders in middle and old age.
Längsschnittstudien zum Verlauf von psychischen Störungen haben zur Erkenntnis geführt, dass Persönlichkeitsstörungen genau wie alle anderen Arten von psychischen Störungen nur unter einer Lebensspannenperspektive sinnvoll zu beschreiben sind und dass die lange herrschende Vorstellung, es gebe auf bestimmte Lebensphasen beschränkte Störungen, empirisch nicht haltbar ist. Um das Störungsbild einer Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter verstehen zu können, ist das Verständnis der Genese über die ersten beiden Lebensjahrzehnte hinweg von herausragender Bedeutung. Vor dem Hintergrund der entwicklungspsychopathologischen Konzepte von Äquifinalität und Multifinalität werden empirische Befunde zur biologischen Vulnerabilität, zur Bedeutung von traumatisierenden Erfahrungen sowie zu Gen-Umwelt-Interaktionen dargestellt und in einem pathogenetischen Modell zusammengefasst. Nach dem Wegfall der Altersgrenze im DSM-5 zur Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen ist es von zentraler Bedeutung, das Störungsbild schon im Kindes- und Jugendalter reliabel und valide erfassen zu können, damit nach frühzeitiger Diagnostik eine spezifische Frühintervention eingeleitet werden kann, es aber andererseits auch nicht zu einer unkritischen und unangemessenen Verwendung der Diagnose im Kindes- und Jugendalter kommt. Es werden neue psychometrische Verfahren dargestellt und Hinweise für psychotherapeutische Verfahren zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter gegeben.
Developmental aspects, early detection and early intervention of personality disorders in adolescence
There is empirical evidence from longitudinal studies that personality disorders like all other mental disorders can only be fully understood from a lifespan perspective. On the background of equifinality and multifinality, the two basic concepts of developmental psychopathology, we describe the role of biological vulnerability, traumatizing experiences and gene-environment interactions in the development of personality disorders and summarize the data in a developmental model. In DSM-5 the age limit to classify personality disorders has been skipped. As a consequence of this fundamental change it is of major importance to develop assessment procedures for the reliable and valid detection of personality disorders in childhood and adolescence to start specific interventions at an early age but also to prevent uncritical and inappropriate use of the diagnosis. We describe newly developed assessment instruments and give hints for manualized approaches for the treatment of personality disorders in adolescence.
Als Folge einer kontinuierlichen Verbesserung der medizinischen Grundversorgung erreichen immer mehr Menschen ein sehr hohes Lebensalter. Der Alterungsprozess hingegen ist nach wie vor mit einer erhöhten Vulnerabilität für chronische und degenerative Krankheiten und Störungen assoziiert. Hinzu kommt, dass der Verlauf von altersassoziierten Erkrankungen in der Regel progredient und folglich pflegeintensiv ist, was das Gesundheitssystem zusätzlich gravierend belastet. Auch deshalb besteht die Notwendigkeit, Faktoren für gesundes Altern zu identifizieren, um diese in Präventionsmaßnahmen implementieren zu können. Bekannte Risikofaktoren für altersassoziierte Erkrankungen wie das Alter selbst, (weibliches) Geschlecht, familiäre Häufung und genetische Prädisposition sind jedoch im Hinblick auf ihre Nichtbeeinflussbarkeit für solche Vorhaben ungeeignet. Psychologische Determinanten werden aufgrund ihrer Modifizierbarkeit vermehrt in Bezug auf ihre potenzielle Wirkung auf die Gesundheit im Alter untersucht. Die Frage bleibt, wie effektiv psychologische Determinanten in der Vorhersage von altersassoziierten Erkrankungen tatsächlich sind. In diesem Artikel werden Konzepte und aktuelle Forschungsarbeiten zum Einfluss psychologischer Determinanten auf das gesunde Altern zusammengetragen und mögliche zugrundeliegende Wirkmechanismen diskutiert.
Psychological determinants of healthy aging
As a consequence of a continuous improvement of basic medical care, more and more people achieve a high age. However, aging is still associated with an increased vulnerability for chronic and degenerative diseases and disorders. In addition, the course of age-related diseases and disorders is generally progressive and therefore care-intensive. Together, this places a heavy burden on our health system. As a consequence, there is an urgent need to identify predictors for healthy aging so as to implement those in public health interventions. Known risk factors for age-related diseases and disorders such as age itself, (female) sex, genetic predisposition and family history are not suitable for the implementation in preventative methods, as they are not modifiable. Psychological determinants, which fulfill this requirement, are increasingly investigated with the aim to determine their potentially predictive value for healthy aging. The question remains whether psychological determinants are indeed effective in the prediction of the incidence of age-related diseases and disorders. In this article we assemble concepts and the current state of research regarding the effect of psychological determinants for healthy aging and discuss potentially underlying mechanisms.
Die Analyse der Biografie und des Spätwerkes von Johann Sebastian Bach dient als Deutungsgrundlage für theoretische und empirische Arbeiten zur Kreativität im Alter. Diese Beiträge machen deutlich, wie wichtig Offenheit für Neues, Neugierde und Fleiß in allen Lebensphasen sind, um kreative Potenziale bis in das hohe Alter zu verwirklichen. Sie zeigen weiterhin auf, dass von einer Alterskreativität gesprochen werden kann. Der Beitrag plädiert für ein verändertes Verständnis von Alter, das die seelisch-geistigen Potenziale dieser Lebensphase berücksichtigt. Zudem zeigt er die Notwendigkeit einer Integration der Verletzlichkeits- und Potenzialperspektive auf. Damit wird ausgedrückt, dass auch in Phasen vermehrter körperlicher Verletzlichkeit die Verwirklichung seelisch-geistiger Potenziale möglich ist.
Being creative in old age – Johann Sebastian Bach’s lifetime achievement and late work
Analyzing John Sebastian Bach's biography and late work provides the basis for interpreting theoretical and empirical contributions to creativity in old age. These contributions emphasize the influence of openness, curiosity and studiousness in all stages of life on realizing creative potentials in old age. Moreover they speak for the validity of a model which focusses on a special form of creativity in old age. This contribution is moving for a different understanding of old age taking into account the emotional, motivational and cognitive potentials in this stage of life. Moreover it accentuates the necessity of integrating two different perspectives - the vulnerability- and the potential-perspective - when analyzing old age. This integration gives weight to realizing these potentials even in phases of increased vulnerability.
Dass die moderne Gesellschaft angeblich immer narzisstischer wird und wir uns im Angesicht einer narzisstischen Epidemie befinden, kann man sowohl in den Medien als auch seitens von Psychiatern und Psychotherapeuten regelmäßig hören. Die empirische Grundlage dieser Meinungsäußerungen ist jedoch fraglich, da aussagekräftige Daten hierzu bislang fehlten. Eine empirische Studie hat nun angeblich Belege für diese These gefunden, dass junge Menschen in den USA immer narzisstischer würden, was die Vorstellung einer immer narzisstischer werdenden Gesellschaft zu bestätigen scheint. Bei näherer Betrachtung der Studie und ihrer Methodik stellen sich jedoch Zweifel an deren Aussagekraft ein. Darüber hinaus konnte dieses, wenn überhaupt, schwach positive Ergebnis von anderen Studien nicht repliziert werden. Empirische Daten belegen jedoch die Erfahrung, dass die narzisstischen Eigenschaften in jeder Generation mit zunehmendem Alter abnehmen. Die Kritik der älteren Generation, dass die jüngere Generation mehr narzisstische Eigenschaften aufweist, ist insofern berechtigt, aber stellt keine transgenerationale Zunahme dar. Somit muss aus empirischer Sicht die These einer narzisstischer werdenden Gesellschaft zurückgewiesen werden. Ob der psychopathologische Begriff des Narzissmus in seiner derzeitigen Handhabung ein hinreichend valides Konstrukt darstellt oder eher zu einer beliebten Begrifflichkeit für unliebsame Mitmenschen oder soziokulturellen Erscheinungsformen verkommen ist, bleibt dabei offen.
Is there anything like a narcissistic epidemia?
There is a widespread notion of a modern narcissistic society and a narcissistic epidemia, propagated by media, psychiatrists and psychotherapists. Because of a lack of empirical data this assertion was questionable for a long time. A recent study has allegedly found empirical support for this assertion. However, for methodological reasons the results of this study are not well suited to support the claim of a narcissistic development of our society. Furthermore other studies could not replicate or support this weak positive result. Empirical data otherwise do support the common experience of a decline of narcissistic traits within the life-cycle of each generation. Therefore the critic of older people that the younger generation displays more narcissistic traits compared to themselves is accurate but does not support a transgenerational increase. Whether the psychopathological term »narcissism« is reasonable well-defined and appropriately used or whether it has become a derogative and normative labeling for disagreeable people or manifestations of modern society remains an unsolved problem.
Bestimmte psychotherapeutische Interventionen erscheinen auch für die Psychotherapie älterer Patienten geeignet und wirksam. Dies sind jene Verfahren, die sich auch in der psychotherapeutischen Arbeit mit jüngeren Patienten bewährt haben, wobei bei der Durchführung die Besonderheiten des Alters zu berücksichtigen sind. Durch die Verwendung neuerer Psychotherapieverfahren ergeben sich daher auch für ältere Patienten, welche auf die traditionellen Verfahren nicht ansprechen, erweiterte Behandlungsmöglichkeiten. Im vorliegenden Artikel werden der mögliche Gewinn des Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) sowie die Optionen der Anpassung einzelner Elemente und Methoden des Verfahrens erörtert. CBASP ist die erste Psychotherapie, welche speziell für die Behandlung chronischer Depressionen entwickelt wurde. Randomisiert kontrollierte Studien und Einzelfallstudien geben Hinweise auf die Wirksamkeit von CBASP in der Behandlung der chronischen Depression. Für ältere chronisch depressive Patienten finden sich derzeit noch keine entsprechenden Studien. Eine erste Analyse im Hinblick auf Altersunterschiede nutzt die Daten einer offenen Studie im stationären Kontext. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass CBASP bei älteren chronisch depressiven Patienten sinnvoll und wirksam sein könnte.
Psychotherapy in old age: The Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) for chronically depressed elderly patients
Specific psychotherapeutic interventions turned out feasible and effective for the treatment of elderly patients. These are the psychotherapies which have proved themselves in the psychotherapeutic work with younger patients. However, the specifics of ageing have to be taken into consideration. Hence, by the use of recently developed psychotherapy procedures especially designed for the non-responder to traditional psychotherapies enlarged possibilities of treatment also arise for older patients. In this paper, the potential profit of CBASP as well as the options of adjusting individual elements and methods are discussed. CBASP is the first treatment tailored to the particular needs of chronically depressed patients. Randomized controlled trials and case studies indicate the efficacy of CBASP in the treatment of chronic depression. Currently no study could be found regarding the feasibility and effectiveness of CBASP in older chronically depressed patients. A first analysis concerning age differences uses the data of an open study in an inpatient program. The results point out that CBASP might be useful and effective in elderly chronically depressed patients.
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