Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) oder Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) haben häufig verkleinerte Volumina von Hippocampus und Amygdala. Bei beiden Patientengruppen können auch kognitive Minderleistungen auftreten. Deshalb wurde häufig angenommen, dass Trauma-bezogene klinische Störungen generell mit solchen neuralen und psychischen Veränderungen vergesellschaftet sind. Wir untersuchen gegenwärtig BPS-Patientinnen, welche in der Kindheit physisch/sexuell missbraucht wurden. Wir können nachweisen, dass solche Patientinnen, die eine chronifizierte PTBS entwickelt haben, diese beschriebenen neuralen und psychischen Veränderungen auch aufweisen. BPS-Patientinnen, die in der Folge des Kindesmissbrauches jedoch eine dissoziative Störung (Dissoziative Amnesie, DA, oder Dissoziative Identitätsstörung, DIS) ausgebildet haben, weisen trotz vergleichbarer Krankheitsschwere diese änderungen nicht auf. Hippocampus- und Amygdala-Volumina sind in dieser Patientinnengruppe normal, und auch kognitiv bestehen keine Defizite. Darüber hinaus konnten wir feststellen, dass der superiore Parietallappen, welcher für das Bewusstsein, Selbstbeobachtung und Imagination wesentlich ist, bei BPS-Patientinnen mit DA oder DID vergrößert ist. Ein solcher Effekt ist bei BPS-Patientinnen mit PTBS nicht zu beobachten. Aus unseren Ergebnissen könnte gefolgert werden, dass ein hochdissoziativer Abwehrstil Stress-bezogene schädigende Einflüsse auf das Gehirn abmildert oder gar verhindert. Auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass die anlagebedingte Größe von Hippocampus und Amygdala mitbestimmen, ob eine traumatisierte Person eine PTBS entwickelt oder nicht. Ein in der Kindheit und Jugend auftretender hochdissoziativer Abwehrstil könnte eventuell dazu führen, dass sich, für Bewusstseinsprozesse relevante, parietale Hirnregionen anomal entwickeln. Diese Anomalitäten könnten dann im Sinne eines Circulus vitiosus zu einer weiteren Verstärkung der dissoziativen Symptomatik führen.
Neural and neuropsychological changes in trauma-exposed patients with dissociative disorders and borderline personality disorder
Evidence is accumulating that borderline personality disorder (BPD) and posttraumatic stress disorder (PTSD) ares related to small hippocampal and amygdala size, and to impaired cognition. We report results from several recent empirical studies on female BPD patients with childhood abuse and PTSD and female BPD patients with childhood abuse and a dissociative disorder (dissociative amnesia, DA, or dissociative identity disorder, DID). BPD patients with PTSD presented with small hippocampal and amygdala size and impaired cognition. However, BPD patients with DA or DID showed normal hippocampal and amygdala size, and normal cognition. Further investigation into the structure of superior parietal cortices, being crucial for psychological processes regarding the self, yielded increased superior parietal cortex volumes in BPD patients with DA or DID, but not PTSD. It may be concluded that high-level dissociation may protect the brain from stress-related deteriorating influences on hippocampus and amygdala. On the other hand, it may be possible that trauma-exposed persons with pre-existing small hippocampal and amygdala size are at risk for developing PTSD, but not DA or DID. Furthermore, it may be speculated that high-level dissociation during childhood makes an unusual or abnormal superior parietal cortex development more likely. Abnormal superior parietal cortex size may in turn lead to chronic and dominant dissociative behaviors.
Häufig leiden Patienten mit psychischen Störungen unter aversiven Anspannungszuständen und dissoziativen Phänomenen. Bei manchen Störungsbildern, wie z. B. der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), werden diese Zustände subjektiv als so quälend empfunden, dass sie häufig mit selbstverletzenden Handlungen oder anderen dysfunktionalen Verhaltensweisen einhergehen. Der Beitrag liefert einen aktuellen überblick zu den Phänomenen aversive Anspannung und Dissoziation, jeweils unter Schwerpunktsetzung der BPS. Auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Spannungszuständen und dissoziativem Erleben wird eingegangen. Auswirkungen der aktuellen Forschungsergebnisse auf den klinischen Alltag werden dargelegt.
Tension and dissociation
Patients with psychological disorders often suffer from aversive tension and dissociative phenomena. For some disorders, such as Borderline-Personality Disorder (BPD), these conditions can be experienced as being so distressing that behaviour involving self-injury or other dysfunctional behaviour will also be involved. The article presents an updated overview on the phenomena of aversive tension and dissociation, both with main focus placed on BPD. Differences and similarities between states of aversive tension and dissociation will be pointed out. The impact of these new findings on clinical work in everyday life will be analyzed.
Eine erfolgreiche Behandlung von Patienten mit komplexen dissoziativen Störungen erfordert eine Auseinandersetzung mit nichtintegrierten, früher adaptiven, heute jedoch dysfunktionalen Bewältigungsstrategien. Ziel der Behandlung ist eine Förderung der internen Kommunikation und damit einhergehend eine verbesserte Steuerungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit im Alltag. Basierend auf einem Störungsmodell dissoziativer Symptome werden bewährte Behandlungsstrategien vorgestellt. Insbesondere die Arbeit mit Ich-Anteilen ermöglicht einen Zugang zu zuvor nur schwer steuerbaren und schwer verständlichen traumaassoziierten Reaktionsweisen und Gefühlszuständen. Die Zuwendung zu scheinbar destruktiven Persönlichkeitsanteilen kann einen sehr wichtigen Schritt in der Therapie darstellen.
Useful and clinically proven strategies in the psychotherapeutic treatment of patients with complex dissociative disorders
Successful treatment of patients with complex dissociative disorders implies to deal with formerly adaptive but today dysfunctional and therefore disintegrated coping strategies. Based on an etiological model of dissociation we will describe clinically proven treatment strategies. The promotion of internal communication is probably the most important strategy for strengthening personal competence and self-control. Ego-State work offers access to formerly uncontrolled trauma related reaction patterns and emotions. A careful approach aiming to come into contact with apparently destructive parts of the person is often very helpful.
Der übersichtsartikel beschreibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Dissoziativen und Borderline Persönlichkeitsstörungen aus dem Blickwinkel der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung unter Berücksichtigung einer internalisierenden und externalisierenden Symptomatik. Aus der differenzierten Gewichtung der einzelnen Symptome ergeben sich unterschiedliche Herangehensweisen für die Therapie. Schwere dissoziative Phänomene (strukturelle Dissoziation) müssen vorrangig behandelt werden.
Dissociative disorders in borderline-personality disorder patients and the trauma etiology
This review article describes the overlapping symptomatology and differences between dissociative disorders and borderline personality disorders in relation to complex posttraumatic stress disorder. A sophisticated evaluation of symptons implies a variety of treatment modalities. Severe structural- dissociative phenomena have to be given priority.
Das integrative Behandlungskonzept der Station 9 im Asklepios Fachklinikum Göttingen vereint die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT), Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) sowie Elemente der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT). Behandelt werden Frauen mit komplexen posttraumatischen Symptombildern überwiegend nach Typ-II-Traumatisierungen. Die kurzfristige Wirksamkeit traumazentrierter Psychotherapien wurde vielfältig untersucht. Erste Ergebnisse einer Ein-Jahres-Katamnese bei Patientinnen der Station 9 wurden bereits publiziert. Bislang fehlen allerdings empirische Untersuchungen zu Chancen und Grenzen hinsichtlich der langfristigen allgemeinen und störungsspezifischen Therapieerfolge. Eine retrospektive Langzeitnacherhebung wurde daher für diese Zielgruppe durchgeführt, um zunächst eine weitere Hypothesengenerierung und Methodenprüfung zu ermöglichen. Die Auswertung der retrospektiven Erhebung zeigt, dass die Erinnerung an die Traumata langfristig bestehen bleibt. Es zeigen sich jedoch deutliche, statistisch hochsignifikante Verbesserungen in störungsspezifischen und angrenzenden Symptombereichen, im Coping-Verhalten, in der Lebensqualität und allgemeinen psychischen Belastung.
Long term follow-up of inpatient psychotherapy in complex posttraumatic stress disorder
The Asklepios Clinical Center in Göttingen has a specialised integrative treatment concept for trauma therapy, which combines Psychodynamic Imaginative Trauma Therapy (PITT), Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) and elements of the Dialectic Behavioral Treatment for borderline personality disorder (DBT). It is an inpatient treatment for women with complex posttraumatic stress disorder mainly caused by type II trauma. There is much research about short term efficacy of trauma therapy. Results of an one-year follow-up with inpatients of the unit were recently published. But there is still a lack of empirical data concerning long term convertibility of trauma sequelae. A retrospective long term follow-up was currently realized. Analysis shows, that the memory remains. But there are highly significant improvements in disorder specific and adjoining symptoms, in coping-behavior, quality of life and general psychological strain.
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