Die Frage nach früh identifizierbaren Prädiktoren von Persönlichkeitsstörungen und nach ihren biologischen Mediatoren stellt sich angesichts der hohen Stabilität, die Persönlichkeitsstörungen über die Lebensspanne aufweisen, und angesichts der Schwierigkeiten ihrer therapeutischen Beeinflussung im fortgeschrittenen Lebensalter. Es werden zwei Forschungsrichtungen dargestellt, die Temperamentsforschung und die entwicklungspsychologische Perspektive. Die Temperamentsforschung beschäftigt sich mit basalen, bereits in der frühen Kindheit beobachtbaren, überdauernden Eigenschaften der Affektivität, des Antriebes und der Selbststeuerung. Temperamentsfaktoren werden allgemein als in hohem Maße genetisch determiniert angesehen, und ihre biologischen Grundlagen können zunehmend differenziert beschrieben werden. Die entwicklungspsychologische Perspektive: Die Kinder- und Jugendpsychiatrie untersucht mögliche Kontinuen zwischen Verhaltensweisen in Kindheit und Jugend sowie Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter. Unter dem Aspekt der Prävention und Intervention beinhalten Temperaments- und Persönlichkeitsforschung keineswegs ein fatalistisches Menschenbild, sondern die Möglichkeit zum Verständnis der komplexen Interaktionen zwischen Disposition sowie Lern- und Beziehungsgeschichte und ihrer Bedeutung für die Entstehung psychischer Störungen und ihrer Therapie.
Predictors of personality disorders – temperament and character as predispositional factors
As personality disorders are rather stable and often difficult to influence by (psycho)therapy in later life, the identification of predictors and their biological mediators is of high interest. Two research fields are of interest: the temperamental perspective and the perspective of developmental psychology. The temperamental perspective deals with basal and stable traits of affect, drive and self-control. Temperamental factors are generally regarded as highly genetically determined, and meanwhile – due to intense research work in this field – we know more of their biological underpinnings. The perspective of developmental psychology: child psychiatry intends to detect continua between patterns of behavior in childhood and personality disorders in adulthood. With regard to prevention and intervention research of temperament and personality does not have a fatalistic conception of man. It rather provides the chance to understand the complex interactions between disposition and environment on the one hand, and their significance for the etiology of mental disorders and their therapy on the other hand.
Unter Komorbidität wird in der Psychiatrie das Auftreten von mehr als einer spezifisch diagnostizierbaren psychischen Störung bei einer Person in einem definierten Zeitintervall verstanden. Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen erfüllen diese Definition von Komorbidität, da sie überzufällig häufig miteinander auftreten. Hinsichtlich Ätiopathogenese unterscheiden sich die beiden Krankheitsbilder wesentlich voneinander. Die meisten Traumatisierten haben keine familiäre Belastung und Vorgeschichte mit psychiatrischen Erkrankungen, entwickeln nicht die Symptomatik einer Borderline-Persönlichkeitsstörung; nur ein Drittel bis die Hälfte der Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung weisen schwere Traumatisierungen in der Kindheit auf. Dennoch gibt es Überschneidungen von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Posttraumatischer Belastungsstörung: Die Symptomatik der Posttraumatischen Belastungsstörung (Dissoziation, paranoides Erleben) findet sich bei Borderline-Persönlichkeitsstörung, und Traumatisierte können eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung mit Ähnlichkeiten zur Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickeln. In jedem Fall muss bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung auf Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung geachtet und sie als eigenständiger Behandlungsschwerpunkt gesehen werden.
Problems of the comorbidity of posttraumatic stress disorder and of borderline personality disorder
Comorbidity is defined in psychiatry as occurrence of more than one specific diagnosable Psychiatric disorder in one person during a defined time interval. Borderline personality disorder (BPD) and posttraumatic stress disorder (PTSD) fulfil the definition of comorbidity because of their more frequent co-occurrence than by chance. In regard to aetio-pathogenesis, however, both disorders are different. Most traumatized persons do not have familial loading and no history of Psychiatric disorders, do not develop the characteristics of borderline personality disorder; only one third or half of persons with borderline personality disorder were severely traumatized in childhood. Nevertheless, there is an interface of borderline personality disorder and posttraumatic stress disorder: Symptoms of posttraumatic stress disorder (dissociation, paranoid experiences) are found in borderline personality disorder and traumatized persons can develop a complex posttraumatic stress disorder with similarities to borderline personality disorder. In any case, symptoms of posttraumatic stress disorder have to be taken in consideration and specifically treated.
Die in der deutschen Forschungstradition begründeten vier subaffektiven Persönlichkeitsstörungen (depressiv, asthenisch, zyklothym, hyperthym) können alternativ im Sinne der Persönlichkeitsstörungen aus den modernen Klassifikationssystemen oder als leichte, aber chronische subsyndromale Formen einer affektiven Erkrankung aufgefasst werden. In der vorliegenden Studie wurde die Validität der subaffektiven Persönlichkeitsstörungen an einer affektiv erkrankten (N = 141), einer schizophren erkrankten (N = 65) sowie einer gesunden Kontrollstichprobe (N = 138) anhand von Selbstbeurteilungen überprüft. Die subaffektiven Persönlichkeitsstörungen enthielten einen starken gemeinsamen Faktor des negativen Affektes und zeigten deutliche Zusammenhänge mit den Persönlichkeitsmerkmalen Neurotizismus und Aggressivität, die unabhängig von dem jeweiligen psychopathologischen Zustand waren. Die Mehrzahl der Beziehungen zwischen den subaffektiven Persönlichkeitsstörungen und den Persönlichkeitsstörungen des DSM-IV sowie die unterschiedliche Ausprägung der subaffektiven Persönlichkeitsstörungen bei affektiv und schizophren Erkrankten wurden jedoch über die akute depressive Symptomatik vermittelt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die subaffektiven Persönlichkeitsstörungen (insbesondere die depressive subaffektive Persönlichkeitsstörung) einen persönlichkeitsbedingten negativen Affektfaktor repräsentieren, dessen Beziehungen zu anderen Merkmalen leicht durch eine depressive Symptomatik konfundiert sein können und der eher unspezifisch für Achse-I-Störungen disponiert.
Validation of subaffective personality disorders
The four subaffective personality disorders (depressive, asthenic, cyclothymic, hyperthymic) founded in German research tradition can be conceptualised as personality disorders according to modern Classification systems or as mild and chronic subsyndromal forms of affective disorders. The validity of subaffective personality disorders was tested by self-report forms in samples of N = 141 patients with affective disorders, N = 65 patients with schizophrenia, and N = 138 healthy controls. The subaffective personality disorders represented a strong common factor of negative affect, and were substantially correlated with the personality traits neuroticism and aggressiveness (agreeableness) independent of psychopathological symptoms. However, the majority of relationships between subaffective personality disorders and DSM-IV personality disorders, and the mean difference in subaffective personality disorder scores between patients with affective disorders and patients with schizophrenia was mediated by acute depressive symptomatology. In sum, subaffective personality disorders (particularly, the depressive subaffective personality disorder) represent enduring personality traits of negative affect, whose relationships to other variables can be easily confounded by depressive symptoms, and whose dispositional characteristics seem to be rather unspecific in regard to axis-l disorders.
Die in den 80er-Jahren durchgeführten Langzeitfolgeuntersuchungen (nach 10 bis 25 Jahren) zu Persönlichkeitsstörungen haben gezeigt, dass bestimmte Störungen eine relativ günstige Prognose haben (z. B. Störungen vom gehemmten Typ), andere eine mäßige bis günstige (so die Borderline-, Schizoide, Narzisstische und Schizotypische Persönlichkeitsstörung), dissoziale und psychopathische Störungen eine ungünstige Prognose. Bestimmte Traits beeinflussen oft maßgeblich den Verlauf. Vor allem narzisstische Züge wie Gefühllosigkeit, Fehlen von Mitgefühl oder Empathie, Ausnutzen zwischenmenschlicher Beziehungen und Überheblichkeit sind »psychopathische« Schlüsselmerkmale und mit einer ungünstigen Prognose verbunden wie auch chronische Feindseligkeit, Wut und Rachebedürfnisse. Im Gegensatz dazu legen gute Bindungsfähigkeit, Respekt für andere und Mitgefühl einen günstigen langfristigen Ausgang nahe, unabhängig von den diagnostischen DSM-Kriterien. Es bleibt noch viel zu erforschen, gerade in Bezug auf die Frage, welche Behandlungsmethode für welche spezifischen Patiententypen im Rahmen jeder DSM-Kategorie die optimale ist. Dies gilt insbesondere für die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Langzeitstudien sind nach wie vor eine wesentliche Nachweismethode für die Wirksamkeit psychiatrischer Behandlungen, wobei dies abhängt von der Größe der Stichprobe, der Auffinderate der Probanden über einen langen Beobachtungszeitraum hinweg und einem (günstigstenfalls) prospektiven Design.
Long-term follow-up studies of personality disorders
The long-term (10- to 25-year) follow-up studies of personality disorders carried out mostly in the 1980s demonstrated that certain disorders carried a relatively favourable prognosis (disorders of the inhibited type); others, a fair to guarded prognosis (borderline, schizoid, narcissistic, schizotypal); while still others, a poor prognosis (antisocial, psychopathic). Certain specific traits were offen the determining factors. Intensely narcissistic traits, such as callousness, lack of compassion or empathy, exploitativeness and contemptuousness are simultaneously key »psychopathic« traits and associated with poor prognosis, as well as chronic hostility, anger and vengefulness. In contrast, a good capacity for attachment, respect for others, and compassion augured well for long-term outcome, irrespective of DSM diagnostic category. Much work remains to be done in order to determine which treatment methods are optimal for which specific types of patients within each DSM category. This is especially true for borderline personality disorder. Long-term follow-up remains a crucial index of the efficacy and proper scope of Psychiatric treatment. Such studies depend upon large-N’s, high trace-rates, and (optimally) a prospective design.
Bei Personen mit Angststörungen werden häufiger als in der Normalbevölkerung Persönlichkeitsstörungen festgestellt. Die häufigste komorbide Persönlichkeitsstörung stellt die Vermeidend-Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung dar, die in dem vorliegenden Artikel mit ihrem Pendant, der Sozialen Phobie, verglichen wird. Die Soziale Phobie ist die häufigste Angststörung und, nach Depression und Alkoholabhängigkeit, die dritthäufigste psychische Störung überhaupt. Aufgrund des frühen Beginns, des chronischen Verlaufs und der starken sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen weist die Soziale Phobie per se große Parallelen zu Persönlichkeitsstörungen auf. Die Überlappung zwischen beiden Störungen hinsichtlich der diagnostischen Kriterien und die hieraus erwachsenden hohen Komorbiditätsraten von bis zu 90 % haben die Frage aufgeworfen, ob es sich bei beiden Störungen um unterschiedliche Ausprägungen einer zugrunde liegenden Dimension handelt. Schließlich werden die Implikationen der komorbiden Diagnose für die Therapie erörtert und Ergebnisse aus einer eigenen Therapiestudie vorgestellt, in der die Wirksamkeit eines neueren kognitiv-behavioralen Therapieansatzes für Soziale Phobie überprüft wurde.
Social phobia and avoidant personality disorder: comorbidity and treatment prognosis in cognitive-behavioral therapy
Patients suffering from anxiety disorders offen show additional personality disorders. Avoidant personality disorder is the most prevalent personality disorder in patients with other mental disorders. Social phobia is closely related to avoidant personality disorder and represents the most prevalent anxiety disorder as well as the third prevalent mental disorder, only outnumbered by depression and alcohol dependence. Social phobia closely resembles personality disorders in that it frequently begins in early adolescence or late childhood, usually follows a chronic course and causes strong occupational and social impairments. This artide focuses on the special relation of social phobia and avoidant personality disorder. First, problems in differential diagnosis and results concerning comorbidity are presented. The overlap of the two disorders with regard to diagnostic criteria and the resulting comorbidity of up to 90 % raises the question whether these two disorders might in fact represent different levels of an underlying dimension. Finally, implications of comorbid diagnoses of avoidant personality disorder and social phobia are discussed and results from a randomized clinical trial of cognitivebehavioural treatment for social phobia are presented.
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