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PTT - Persönlichkeitsstörungen: Theorie und Therapie, 2001, Jg. 5, Ausgabe 2

PTT - Persönlichkeitsstörungen: Theorie und Therapie, 2001, Jg. 5, Ausgabe 2

Bindungsforschung und Persönlichkeitsstörung

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Bibliographische Angaben


Erscheinungstermin: 01.06.2001
ISSN print: 1433-6308 / ISSN digital: 2625-0780

Details


Editorial
Formate: pdf, html
Birger Dulz, Jochen Eckert
Seite 71 - 72
Bindungstheorie und die sozialen Verhältnisse zur Jahrtausendwende

Das Bindungssystem stellt eine gelungene Anpassung an eine gegebene soziale Umwelt dar, Bindungsmuster im Sinne der Inner working models erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Überlebens des Individuums (so die klassische Bindungstheorie) beziehungsweise der Reproduktion (so etwa Belsky). Da die sozioökonomische Umwelt, die sozialen Lebensbedingungen einem stetigen Wandel unterliegen, wird diskutiert, ob sich das bekannte Bindungssystem auch unter den sich wandelnden sozialen Bedingungen behaupten kann und inwieweit die sozialen Verhältnisse der nahen Zukunft, die durch eine »Individualisierung der Lebensformen« bestimmt sein werden, noch innerhalb dieser »Umwelt der evolutionären Angepasstheit« liegen.

Attachment theory and the social conditions at the beginning of the third millennium
The attachment behavioral system has been conceptualised as a successful adaptation to a given social environment, attachment patterns as inner working models have been assumed to increase the individual survival rate (as the classic attachment theory assumed) or the reproductive fitness (Belsky). Since the socioeconomic environment is changing continuously, it is questioned, if the well-known attachment behavioral system may maintain its relevance for interpersonal relations or if the highly individualized social conditions will be outside of the »environment of evolutionary adaptedness«.

Schlagworte: Individualisierung, Bindung, attachment, adaptation, individualisation, Reproduktionswahrscheinlichkeit, sozioökonomische Umwelt, reproductive fitness, socio-economic environment
Formate: pdf, html
Rainer Richter
Seite 73 - 80
Persönlichkeitsstörungen und gestörtes Elternverhalten aus Sicht der Bindungstheorie

Nach Auffassung der Autorin können sich abnorme Bindungsmuster bei Erwachsenen sowohl in Form von Persönlichkeitsstörungen als auch in Form von gestörtem Elternverhalten manifestieren. Die Autorin gibt einen Überblick über Forschungsergebnisse, die belegen, dass frühe Bindungserfahrungen des Kindes mit seinen Eltern Einfluss auf das Funktionsniveau des späteren Erwachsenen haben. Insbesondere im elterlichen sowie im Pflegeverhalten gegenüber eigenen Kindern lässt sich das Funktionsniveau einer Person ablesen, da sich daran zeigen lässt, wie jemand auf andere Einfluss nimmt und umgekehrt von ihnen beeinflusst wird. Es werden Ergebnisse aus einer Pilotstudie über Bindungsmuster von Eltern, die ihre Kinder misshandelten, vorgestellt. Die Untersuchung von Bindungsrepräsentationen Erwachsener erweist sich im Zusammenhang mit der Untersuchung von Fällen von Kindesmisshandlung als hilfreich.

Personality disorder and disordered parenting: a perspective from attachment theory
The author argues that both personality disorder and disordered parenting may be manifestations of abnormal attachment patterns in adults. The author reviews some of the evidence that early attachment experience with parents influences the development of adult personality functioning. Specifically, she argues that parenting, or caregiving behaviour is a manifestation of personality functioning, to the extent that personality influences, and is influenced by, interactions with others. Data from a pilot study of attachment in maltreating parents are presented, and it is suggested that the assessment of attachment representations in adults may be helpful in assessing cases of child maltreatment.

Schlagworte: Bindungstheorie, Persönlichkeitsstörung, Kindesmisshandlung, artifizielle Störung, Münchhausen-by-proxy-Syndrom, Attachment theory, personality disorder, child maltreatment, factitious illness by proxy behavior (FIP), Munchhausen’s syndrome by proxy (MSBP)
Formate: pdf, html
Gwen Adshead
Seite 81 - 89
Fragmentierte Bindungsrepräsentationen bei schwer traumatisierten Frauen

Aus einer Studie über Bindungsrepräsentationen von Frauen, die getötet haben, werden inkohärente Narrative aus Adult Attachment Interviews vorgestellt. Zur Präzisierung der bislang als »cannot classify« (Hesse 1996) bezeichneten Klassifikation schlagen die Autoren den Begriff »fragmentierte Bindungsrepräsentation« vor. Die Narrative sind meistens durch unverarbeitete Traumatisierungen gekennzeichnet. Während die inhaftierten Frauen vorwiegend körperliche Misshandlung und sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit erlitten hatten, waren die Probandinnen des Maßregelvollzugs überwiegend durch den Tod wichtiger Bezugspersonen oder durch depressive und suizidale Mütter traumatisiert. Bei ihnen fand sich eine Überrepräsentation fragmentierter Bindungsrepräsentationen.

Fragmented attachment representation in severely traumatised women
Referring to a study of attachment representations of women who have killed, examples of incoherent narratives in Adult Attachment Interviews are discussed. The authors suggest to rename Hesse’s (1996) »cannot classify« category, and instead call it »fragmented attachment representation«. Narratives indicating fragmented attachment representations are characterised by unresolved traumatisations. While women detained in prisons were exposed to early violence and sexual abuse, women treated in high security Psychiatric units had more often experienced the loss of a significant other person or were raised by depressive or suicidal mothers. In the latter group there was a predominance of fragmented attachment representations.

Schlagworte: Bindungsforschung, Traumatisierung, attachment research, traumatisation, weibliche Gewaltdelikte, cannot classify, fragmentierte Bindungsrepräsentation, female violent crime, fragmented attachment representation
Formate: pdf, html
Friedemann Pfäfflin, Franziska Lamott, Elisabeth Fremmer-Bombik
Seite 90 - 100
Bindungsstile von gefährlichen Straftätern

Mit 31 Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt wurden und nach mindestens dreijähriger Strafhaft kurz vor der Entlassung standen, wurde ein videoprotokolliertes standardisiertes Interview (Erwachsenen-Bindungsprototypen-Rating EBPR [Strauß u. Lobo-Drost 1999]) durchgeführt, anhand dessen Bindungsstile identifiziert wurden. Interpersonale Problembereiche wurden mit dem Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (IIP-D) (Horowitz et al. 1994) parallel erhoben und mit den Bindungsstilen in Beziehung gesetzt. Zwei Vergleichsgruppen von 22 Auszubildenden im Justizvollzugsdienst und 21 Personen, die Freikirchen angehören, wurden mit denselben Instrumenten untersucht. Die Bindungsstile von Gewaltstraftätern unterschieden sich von den Bindungsstilen der Vergleichsgruppen. In der Gegenüberstellung fanden sich bei den Straftätern weniger sichere Bindungsklassifikationen, instabilere Beziehungen, weniger emotionale Bindungen an andere Personen und damit verbunden ein größeres Streben nach persönlicher Autonomie. In der Selbsteinschätzung interpersonaler Problembereiche unterschieden sich die Gruppen weniger als erwartet.

Attachment styles of violent offenders
A group of 31 imprisoned violent offenders convicted of at least one violent crime against another person and serving a prison sentence of at least three years were assessed to study their attachment styles and interpersonal relations. A semi-structured interview, the Adult Attachment Prototype Rating (Erwachsenen-Bindungsprototypen-Rating EBPR [Strauß and Lobo-Drost 1999]), was applied. Interpersonal problems were measured with the Inventory of Interpersonal Problems (IIP-D) (Horowitz et al. 1994) and analysed with respect to their relations to attachment styles. Two comparison groups of non-violent men, consisting of 22 prison Service trainees and 21 members of a religious congregation, were investigated with the same instruments. Attachment styles in violent offenders differed from those of the comparison groups. The offender group showed less secure attachment styles, more instability in relationships, and less emotional attachment to others. These differences were accompanied by a stronger wish for personal autonomy. Contrary to expectation, most interpersonal problem areas as measured with the IIP-D did not differ across the investigated groups.

Schlagworte: Bindungstheorie, forensische Psychotherapie, Attachment theory, interpersonal problems, forensic psychotherapy, interpersonale Probleme, Gewaltkriminalität, violent crime
Formate: pdf, html
Friedemann Pfäfflin, Thomas Ross
Seite 101 - 112
Adult Attachment Interview einer Persönlichkeitsstörung
Eine Einzelfallstudie zur Synopsis von psychoanalytischer und bindungstheoretischer Perspektive

In diesem Beitrag stellen wir die Kasuistik einer Patientin mit der Diagnose »narzisstisch, sadomasochistisch gefärbte Persönlichkeitsstörung auf dem Strukturniveau einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation« dar. Das Zusammenspiel von bindungstheoretischer und psychoanalytischer Perspektive ist Fokus der Betrachtung. Zunächst werden die Grundgedanken der Bindungstheorie zusammengefasst. Danach wird die Methodik des Erwachsenen-Bindungsinterviews (Adult Attachment Interview, AAI) konkret vorgestellt und die Anwendungsmöglichkeiten im klinischen Kontext erläutert. In der Darstellung der Kasuistik beschreibt der Psychoanalytiker seinen Ersteindruck von der Patientin sowie wesentliche Beobachtungen im Behandlungsverlauf. Anhand konkreter Transkriptauszüge wird die AAI-Klassifikation der Patientin, eine »unsicher-verstrickte Bindungsrepräsentation« sowie ein »unverarbeiteter Bindungsstatus«, nachvollziehbar belegt. Exemplarisch wird die bindungstheoretische (AAI) der psychoanalytisch-klinischen Interpretation gegenübergestellt und Divergenzen sowie Ergänzungen der unterschiedlichen Betrachtungen diskutiert. Zusammenfassende Bemerkungen zum Nutzen der Bindungsmethode für den therapeutischen Prozess weisen darauf hin, dass das AAI durch seine komplexe, textnahe Auswertung den Blickwinkel des Analytikers erweitert. Das Wissen um die Verarbeitung bindungsrelevanter sowie traumatischer Erlebnisse kann dazu dienen, diese Erfahrungen als Therapeut angemessen zu registrieren und sie in der therapeutischen Beziehung zur Geltung zu bringen.

Addult Attachment Interview of a patient with a borderline-personality-organization – a Single case study integrating attachment and psychoanalytic perspective
In this single-case study we present a female patient diagnosed with a narcissistic personality disorder and a Borderline personality Organization. The interplay between both attachment and psychoanalytic perspective will be focused. First we summarize basic assumptions of attachment theory, then we shortly present the main adult attachment classifications and the clinical implications of the Adult Attachment Interview, which was applied in this study. The psychoanalyst describes his impressions of the initial interview with the patient and essential steps during the treatment. The description of concrete AAl-excerpts support the understanding of the coding procedure. This patient was classified as »insecure preoccupied« with an »unresolved State of mind« concerning loss and abuse. The psychoanalyst was asked to comment on the AAI’s essential characterics of this patient. We discuss converging and diverging aspects of clinical and attachment interpretation. In this case we could show that using the AAI broadens the therapist’s perspective, especially in respect to the patient’s unresolved State of mind concerning traumatic experiences of loss.

Schlagworte: Psychotherapieforschung, Persönlichkeitsstörung, personality disorder, psychotherapy research, Borderline-Persönlichkeitsorganisation, borderline personality organization, Adult Attachment Interview, Klinische Bindungsforschung, Einzelfallstudie, Clinical attachment research, single-case study
Formate: pdf, html
Anna Buchheim, Horst Kächele
Seite 113 - 130
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