In der vorliegenden Arbeit haben wir die in der OPDAchse IV definierten Integrationsstufen der »Struktur« untersucht und ihre Zusammenhänge mit verschiedenen soziodemographischen Merkmalen, ICD-Diagnosen und den Achsen II »Beziehung« beziehungsweise III »Konflikt« der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik überprüft. Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den OPD-Achsen geschah auch aus dem Interesse heraus, etwas über die inneren Vernetzungen der verschiedenen Teile der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik zu erfahren, die ja unabhängig voneinander und mit dem expliziten Anspruch entwickelt wurden, allzu theorielastige Konzepte und Begrifflichkeiten aus der Psychoanalyse nicht zu verwenden. In bezug auf grundlegende soziodemographische Variablen können bei den untersuchten Fällen, das heißt stationär behandelten Patienten der Psychosomatischen Klinik Heidelberg, keine signifikanten Zusammenhänge entdeckt werden, obgleich eine Tendenz zu erkennen ist, daß strukturell schwerer beeinträchtigte Patienten häufiger keine berufliche Stellung aufweisen. Dieser Befund ist schlüssig, weil strukturelle Auffälligkeiten zum Beispiel in den Bereichen der Selbststeuerung, Kommunikation und Objektwahrnehmung den Umgang im sozialen und beruflichen Umfeld mitprägen und dort häufig zu Problemen führen, die die soziale Integration gefährden. Zu dieser Tendenz stimmt die weitere Beobachtung, daß die Beziehungen geringer strukturierter Patienten besonders durch Wut-, Impuls- und Entwertungstendenzen eingefärbt sind und daß wir bei ihnen häufiger Muster des Beziehungsabbruchs und des Rückzugs aus Beziehungen antreffen. Auf der Ebene der Konfliktdiagnostik werden diese Beobachtungen durch den Befund ergänzt, daß auf geringem Strukturniveau Konflikte im Bereich von Abhängigkeit beziehungsweise Autonomie (im spezifischen Sinne des Manuals) und Selbstwert vorherrschen; bei diesen Konflikten geht es um die Frage der Möglichkeit einer Aufnahme von Beziehung und Bindung generell, und zwar angesichts der basalen Bedrohung des Selbst durch die Abwesenheit oder auflösende Nähe eines anderen beziehungsweise durch den Selbstwertverlust, der in Begegnungen häufig erlebt wird. Die Stufe der guten Integration auf der anderen Seite ist dadurch charakterisiert, daß konflikthafte Erlebensweisen innerhalb basal stabiler Bindungen auftreten und diese thematisch formen. Entwertende und haßgefärbte Interaktionen sowie Beziehungsabbrüche treffen wir bei diesen Patienten entsprechend seltener an, statt dessen lassen sich in der Beziehungsdiagnose Betonungen im Bereich der Verselbständigung und Herauslösung aus Bindungen finden, ebenso im Bereich der bedürftigen Anhänglichkeiten und Forderungen an Objekte. Als Konfliktbereiche beobachten wir hier relativ gesehen häufiger ödipal-sexuelle Themen und Auseinandersetzungen um Kontrolle und Unterwerfung. Tendenziell werden bei diesen Patienten weniger Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, was für eine größere Flexibilität in den Beziehungsgestaltungen spricht, die bei Patienten mit einer gut integrierten Struktur nach der im OPD-Manual niedergelegten Definition grundsätzlich auch erwartet werden kann. Auf dem mäßigen Integrationsniveau der Struktur sind Konflikte im Bereich von Versorgung und Autarkie besonders ausgeprägt, außerdem Selbstwertkonflikte (diese jedoch weniger als bei geringem Niveau). Bei der Prüfung der Beziehungsgestaltungen dieser Patienten zeigt sich, daß hier Themen der Zurücksetzung, des Gekränktseins und des Mangels an Anerkennung besonders betont sind, die nach Untersuchungen, über die wir an anderer Stelle berichtet haben, durchaus häufig als Bestandteil des Versorgungsthemas auftreten (vgl. Grande et al. 1998). Diese Beobachtungen entsprechen einer basalen Hemmung und defensiven Einstellung, die wiederum gut mit dem Merkmal der Übersteuerung eigener Affekte und Impulse beziehungsweise ihrer Wendung gegen das Selbst zusammenstimmt, die das OPD-Manual als kennzeichnend für die mäßige Integrationsstufe der Struktur hervorhebt. Die Ergebnisse belegen eine enge Vernetzung zwischen den drei untersuchten Achsen der OPD und lassen erkennen, daß hier aus unterschiedlichen Blickrichtungen neben jeweils spezifischen Merkmalen auch ähnliche klinische Sachverhalte erfaßt werden. Die gefundenen Verbindungen sind im ganzen inhaltlich stimmig und können somit als Belege für die Validität der einzelnen Achsen gewertet werden.
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