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PSYCHE, 2001, Jg. 55, Ausgabe 9-10

PSYCHE, 2001, Jg. 55, Ausgabe 9-10

Zur Psychoanalyse menschlicher Destruktivität

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Bibliographische Angaben


Erscheinungstermin: 01.09.2001
ISSN print: 0033-2623 / ISSN digital: 2510-4187

Details


Editorial
Editorial
Formate: pdf
Werner Bohleber
Seite 865 - 868
Hauptbeitrag
Todestrieb, negativer Narzißmus, Desobjektalisierungsfunktion

Der Autor steckt zunächst den diskursiven Rahmen ab, in dem seiner Ansicht nach das Todestrieb-Konzept zu diskutieren ist. Ungeachtet unterschiedlicher Bestimmung gilt der psychische Konflikt als fundamentales Postulat: für Green ist der zwischen Lebens- und Todestrieb grundlegend. Dabei ordnet er ersterem die Objektalisierungsfunktion zu, dem Todestrieb die Desobjektalisierung bzw. den Abzug jeglicher Besetzung.

Formate: pdf
André Green
Seite 869 - 877
Der »Todestrieb«, ein notwendiger, möglicher oder unmöglicher Begriff?

Der Autor stellt in seiner Untersuchung die Frage nach der Geltung von Freuds Todestriebkonzept. Hierzu erörtert er zunächst die wichtigsten Aspekte der Diskussionsgeschichte, um anschließend den Begriff des Todestriebs auf vier unterschiedlichen Ebenen zu untersuchen: der philosophischen, der biologischen, der metapsychologischen und der psychologisch-klinischen. Vogt gelangt zu dem Ergebnis, daß wenig für die Todestriebhypothese spricht, die Diskussion aber noch offen ist.

The »death drive«. A necessary, possible, or impossible concept?
In this study the author addresses the question of the validity of Freud’s »death drive« concept. First, he reviews the most significant aspects of the discussion on this issue; then he examines the concept from four different vantages: philosophical, biological, metapsychological, and psychological-clinical. Vogt’s conclusion is that while there is little in favor of the death-drive hypothesis the discussionn is not yet closed.

La »pulsion de mort«, un concept nécessaire, possible ou impossible?
Dans son étude, l’auteur pose la question de la validité du concept de pulsion de mort selon Freud. Pour fournir une réponse, il discute d’abord les aspects les plus importants de l’histoire du débat, afin d’analyser ensuite le concept de la pulsion de mort sur quatre plans différents: le plan philosophique, le plan biologique, le plan métapsychologique et le plan psychologique. Vogt arrive au résultat que peu d’arguments plaident en faveur de l’hypothèse d’une pulsion de mort, mais que la discussion reste ouverte.

Formate: pdf
Rolf Vogt
Seite 878 - 905
Zum Verhältnis von Psychogenese und Soziogenese im Gewaltdiskurs

Seit Freud befaßt sich die Psychoanalyse mit dem Phänomen der Gewalt und der Gewalttätigkeit im individuellen, zwischenmenschlichen und gesamtgesellschaftlichen Bereich. Ausgehend von der Frage nach dem Verhältnis von psychoanalytisch-psychogenetischer und soziogenetischer Erklärung beim »Reden über die Gewalt« umreißt Krovoza zunächst die Breite des Begriffs- und Phänomenspektrums von Gewalt und zeichnet anschließend die wichtigsten Debatten des sozio-psychoanalytischen Gewaltdiskurses in (West-) Deutschland seit den fünfziger Jahren bis heute nach.

The relation between psychogenesis and sociogenesis in discourse on violence
Ever since Freud expressed his views on the subject, psychoanalysis has engaged with the phenomenon of violence and aggression in the individual, in interpersonal relationships, and in society as a whole. After inquiring into the relation between the psychoanalytic/psychogenetic approach to explaining violence and the sociogenetic model, Krozova first explores the wide range of concepts and phenomena associated with violence and then traces the most important debates within the socio-psychoanalytic discourse on violence and aggression in (West) Germany from the 1950s to the present.

Sur le rapport entre la psychogenèse et la sociogenèse dans le discours sur la violence
Depuis Freud, la psychanalyse traite le phénomène de la violence et de l’agressivité dans la sphère individuelle, dans la sphère des relations entres les hommes et dans l’ensemble de la société. En partant de la question du rapport entre l’explication psychanalytique-psychogénétique et l’explication sociogénétique fournies par le »discours sur la violence«, Krovoza fixe d’abord l’étendue du spectre du concept et du phénomène de la violence, pour retracer ensuite les débats les plus importants du discours socio-psychanalytique sur la violence, menés en Allemagne (de l’Ouest) depuis les années 50 jusqu’aujourd’hui.

Formate: pdf
Alfred Krovoza
Seite 906 - 933
Affektpsychologische Überlegungen zur menschlichen Destruktivität

Der Autor diskutiert eingangs das Verhältnis von Trieb und Affekt. Unter Hinzuziehung von Befunden aus Ethologie und Neuropsychologie weist er sieben Primäraffekte bzw. prototypische Objektbeziehungen aus: Freude, Neugier, Angst, Wut, Trauer, Verachtung und Ekel. Wut bzw. Scham-Wut wird als das für narzißtische Pathologien entscheidende Gefühl identifiziert. Auf der Grundlage historischen und ethnographischen Materials werden schließlich Kulturtechniken systematischer Destruktion kritisch dargestellt.

Affect-psychological thoughts on human destructiveness
The author begins with a discussion of the relation between drive and affect. Drawing on findings from ethology and neuropsychology, he defines seven primary affects or prototypic object-relations: joy, curiosity, anxiety, rage, sorrow, contempt, and disgust. Rage or shame-rage is identified as the decisive emotion involved in narcissistic pathologies. In conclusion, the article makes use of historical and ethnographic material for a critical discussion of cultural techniques of systematic destruction.

Réflexions, provenant de la théorie des affects, sur la destructivité humaine
Au début de son article, l’auteur discute le rapport entre la pulsion et l’affect. En faisant appel aux résultats des recherches en éthologie et en neuropsychologie, il repère sept affects primaires ou relations prototypiques d’objet: la joie, la curiosité, l’angoisse, la colère, la tristesse, le mépris et le dégoût. Il identifie la colère fondée sur la honte comme le sentiment déterminant des pathologies narcissiques. A la fin de son article, il présente sur un mode critique, en s’appuyant sur un matériel historique et ethnographique, les techniques culturelles de destruction systématique.

Formate: pdf
Rainer Krause
Seite 934 - 960
Mit der Realität spielen. Zur Doppelgesichtigkeit psychischer Realität von Borderline-Patienten

Der Beitrag erläutert die Schwierigkeiten schwergestörter Borderline-Patienten, wie sie sich im Verlauf einer psychoanalytischen Behandlung darstellen. Die Autoren erweitern damit das in ihren früheren Arbeiten dargelegte Modell um eine entwicklungspsychologische Perspektive, die Selbstrepräsentation und die Organisation des Selbst einbezieht. Das Modell basiert auf einem Verständnis der kindlichen Perspektive psychischer Realität, wie sie sich bei Normalen und bei Neurotikern findet. Die Autoren untersuchen die Bedeutung dieser entwicklungspsychologischen Vorstellungen anhand schwerer Borderline- und verwandter Störungen bei Erwachsenen unter behandlungstechnischen Gesichtspunkten. Die Ausführungen werden durch klinisches Material aus der Behandlung illustriert, die zur präzisen Erfassung jener anhaltenden und durchgängigen Störung der Erfahrung psychischer Realität geführt hat. Des weiteren wird versucht, die Schwierigkeiten von Borderline-Patienten zu erhellen, Trennung ebenso wie Intimität zu ertragen. Es wird erörtert, wie körperliche Erfahrungen an die Stelle mentaler Erfahrungen und direkten Kontakts treten können, und schließlich wird diskutiert, wie sich die Störungen der Erfahrung psychischer Realität auf den analytischen Prozeß auswirken.

Formate: pdf
Peter Fonagy, Mary Hepworth
Seite 961 - 995
Bemächtigung und Tod in der Adoleszenz

Ausgehend von Definitionen von Bemächtigung und Bemächtigungstrieb bzw. -streben bei Freud und im Rahmen der Objekbeziehungstheorie zumal bei Fairbairn skizziert der Autor Formen der Bemächtigung, um dann in einer ausführlichen Falldarstellung – dem aggressiven Akt einer Adoleszenten, der mit dem Tod der angegriffenen Person endet – das Bemächtigungskonzept in seinem Erklärungswert vorzustellen.

Mastery and death in adolescence
Proceeding from a discussion of the concept of mastery (and the striving for mastery) in Freud’s writings and in object-relations theory (with special reference to Fairbairn), the author outlines various forms of mastery. The second part of the article is devoted to a case study – an act of aggression by an adolescent girl culminating in the death of the person she attacked – which the author takes as a frame of reference for an inquiry into the explanatory value of the mastery concept.

L’emprise et la mort dans l’adolescence
En partant des définitions de la pulsion d’emprise chez Freud, et, dans le cadre de la théorie de la relation d’objet, notamment chez Fairbairn, l’auteur esquisse certaines formes d’emprise, pour démontrer ensuite la valeur explicative du concept d’emprise à l’aide de la présentation détaillée d’un cas – un acte d’agression commis par une adolescente, qui se termine par la mort de la personne agressée.

Formate: pdf
Dieter Bürgin
Seite 996 - 1026
Die Funktionalisierung des Opfers als ›Container‹. Rechtsradikale Jugendliche und Gewalt

Gespräche mit rechtsradikalen Jugendlichen in Berlin zeigen eine bis in die apodiktische Sprache hineinreichende autoritäre Struktur, die von starken Affekten (Neid, Ressentiment, Haß) bestimmt ist. Als Autorität anerkannt werden nicht Erwachsene, sondern die Gruppe oder die Ideologie. Beide ermöglichen ein schuldgefühlfreies omnipotentes Ausleben von Aggression, wobei projektiv verzerrt das Opfer als der Angreifer erscheint und ein paranoides Klima entsteht. Dem steht die Ohnmacht gegenüber, Frustration zu ertragen und zu verarbeiten. Die apodiktische Sprache dient der Abwehr der Frustration des Nichtwissens, die Abhängigkeit von Führerpersonen der Abwehr der Übernahme eigener Verantwortung. Gefürchtet wird die Wahrheit über sich selbst, die verknüpft ist mit einer Einschränkung der Omnipotenz durch die Wahrnehmung des Angewiesenseins auf den fremden Anderen. Das Opfer wird mit diesem projektiv identifiziert. Nach Winnicott ist die darin zum Ausdruck kommende antisoziale Tendenz ein Versuch, eine lenkende Umwelt zu finden, die – wie die Autorin meint – als ›Container‹ in der Lage ist, die Provokation anzunehmen, zu verarbeiten und ein realistisches Selbstbild zu vermitteln.

The victim as »container«. Young right-wing radicals and violence
Interviews with radical right-wing youngsters in Berlin reveal that they display an authoritarian mental structure determined by strong affects (envy, resentment, hate) and characterized by a highly apodictic use of language. For them, authority is embodied not by the adult world but by the group and/or the ideology that the group subscribes to. Group membership and ideology enable these young people to live out aggression in a guilt-free, omnipotent way; in their projective distortion of reality victims figure as aggressors and a paranoid climate develops. This is compounded with the powerlessness to tolerate and come to terms with frustration. The apodictic use of language serves as a defense against the frustration of not-knowing, while the dependence on leader figures serves as a defense against accepting personal responsibility. These young people fear to confront the truth about themselves; this fear is bound up with the restriction of omnipotence caused by perception of dependence on strangers/foreigners/alien others. The victims are projectively identified with this dependence. According to Winnicott, the anti-social tendency manifesting itself here is an attempt to find a guiding environment which the author interprets as a »container« able to accept provocation, come to terms with it, and convey a realistic self-image.

La fonctionnalisation de la victime, en tant que »conteneur«. Les jeunes d’extrême-droite et la violence
Les entretiens réalisés avec des jeunes d’extrême-droite à Berlin montrent chez ces derniers une structure autoritaire – se manifestant même dans leur langage apodictique – qui est déterminée par des affects puissants (l’envie, le ressentiment, la haine). Ce ne sont pas les adultes qui sont reconnus comme autorité, mais le groupe ou l’idéologie. Ces derniers permettent de vivre pleinement l’agression avec un sentiment de toute-puissance, mais dénué de tout sentiment de culpabilité, et la victime, par une déformation projective, apparaît comme l’agresseur, ce qui crée un climat paranoïaque. Cela contraste avec l’impuissance à supporter et de perlaborer une frustration. Le langage apodictique sert à rejeter la frustration résultant de l’ignorance, et la dépendance à l’égard des chefs sert à rejeter une prise de responsabilité individuelle. La personne craint la vérité sur elle-même, qui entraîne une réduction de la toute-puissance, parce que la personne s’aperçoit qu’elle a besoin de l’Autre étranger. La victime est identifiée de manière projective à ce dernier. Selon Winnicott, la tendance antisociale ainsi exprimée est la tentative pour trouver un environnement directif qui – comme le pense l’auteur – soit en mesure, à titre de »conteneur«, d’accepter la provocation, de la perlaborer et de fournir une image de soi réaliste.

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Gertrud Hardtmann
Seite 1027 - 1050
Aggression, Zerstörung und Wiedergutmachung in Urszenenphantasien. Eine textanalytische Studie

In einer empirischen Studie werden 46 Probanden – Männer und Frauen aller Altersstufen – aufgefordert, zur Tafel 8 des TAT dem gleichgeschlechtlichen bzw. gegengeschlechtlichen Interviewer eine möglichst dramatische Geschichte zu erfinden. Rohde-Dachsers tiefenhermeneutische Auswertung der Geschichten ergibt, daß mit dieser Bildvorlage zum einen spezifische Urszenenphantasien stimuliert werden, zum anderen, daß das Geschlecht von Proband/in und Interviewer/in die aktuelle Ausgestaltung der Phantasien beeinflußt und steuert. Anschließend arbeitet die Autorin verschiedene Phantasietypen heraus.

Aggression, destruction, and reparation in primal-scene fantasies. A text-analytic study
In an empirical study, 46 probands (men and women of all ages) were asked to invent as dramatic a story as possible on the basis of picture No. 8 of the TAT. Rohde-Dachser’s depth-hermeneutic evaluation of the resulting narratives shows (a) that the image in question stimulates specific primal-scene fantasies, and (b) that the sex of the proband and interviewer influences and regulates the form taken by the narrative elaboration of these fantasies. After that, the author identifies various types of fantasy.

L’agression, la destruction et la réparation dans les fantasmes de scène primitive. Une étude fondée sur l’analyse des textes
Dans une étude empirique, on demande à 46 sujets d’expérience – des hommes et des femmes de tous âges – d’inventer, à partir d’un tableau TAT, l’histoire la plus dramatique possible. L’évaluation des histoires, réalisée d’après l’herméneutique des profondeurs, par Rohde-Dachser, montre, d’un côté, que le tableau stimule des fantasmes spécifiques de la scène primitive et, de l’autre, que le sexe du sujet d’expérience et celui de l’interviewer a une influence sur la forme actuelle des fantasmes et qu’il les dirige. Ensuite, l’auteur dégage différents types de fantasmes.

Formate: pdf
Christa Rohde-Dachser
Seite 1051 - 1085
Psychoanalytische Beiträge zur Verhinderung gesellschaftlich sanktionierter Gewalt

Nach einer gerafften Darstellung seiner Sicht des Zusammenhangs individueller Persönlichkeitsstörungen – mit den Extremen von narzißtischer und paranoider Persönlichkeit – und regressiven Gruppenprozessen, die in sozial sanktionierter Gewalt kulminieren, erörtert der Autor an ausgewählten Bereichen (Kindheit, kulturelle Vorurteile, Integration kultureller Subgruppen, fundamentalistische Herausforderung, Armut, Medien und internationale Konflikte) Ansatzpunkte psychoanalytisch orientierter Gewaltprävention.

Psychoanalytic contributions to the prevention of socially sanctioned violence
After an outline of his view of the link between individual personality disturbances (extremes: narcissistic and paranoid personalities) and regressive group processes culminating in socially sanctioned violence, the author refers to selected areas (childhood, cultural prejudices, integration of cultural sub-groups, the \fundamentalist challenge, poverty, the media, international conflicts) to discuss psychoanalytically oriented approaches to the prevention of violence.

Contributions psychanalytiques aux entraves à la violence sanctionnée par la société
Après une présentation condensée de son point de vue concernant le rapport entre les troubles de la personnalité individuelle – avec deux extrêmes, la personnalité narcissique, et la personnalité paranoïaque – et les processus régressifs de groupe qui culminent dans la violence sanctionnée par la société, l’auteur discute, en empruntant ses exemples à des domaines choisis (l’enfance, les préjugés culturels, l’intégration des sous-groupes culturels, le défi fondamentaliste, la pauvreté, les médias et les conflits internationaux), les points d’ancrage permettant de développer une prévention, d’orientation psychanalytique, de la violence.

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Otto F. Kernberg
Seite 1086 - 1109
Film-Revue
Die Gewalt des Biedermanns am Beispiel von Joel und Ethan Coens Fargo (1996)
Formate: pdf
Mechthild Zeul
Seite 1110 - 1118
Buch-Essay
Stigma und Gewalt. Zu einigen Szenen aus Houellebecqs Ausweitung der Kampfzone
Formate: pdf
Ulrike Prokop
Seite 1119 - 1140
Buchbesprechungen
Buchbesprechungen
Formate: pdf
Christa Rohde-Dachser
Seite 1141 - 1143
Buchbesprechungen
Formate: pdf
Peter Schraivogel
Seite 1143 - 1146
Buchbesprechungen
Formate: pdf
Martin Altmeyer
Seite 1147 - 1151
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