Die Bindungstheorie ist aus dem Werk des englischen Psychoanalytikers und Kinderpsychiaters John Bowlby hervorgegangen und mittlerweile zu einer der einflußreichsten Richtungen in der Entwicklungspsychologie geworden. Trotz dieser weiten Verbreitung ist sie in psychoanalytischen Kreisen (noch) relativ wenig bekannt. Der Autor gibt zunächst einen Überblick über den derzeitigen Stand der bindungstheoretischen Forschung. Danach stellt er einige Arbeiten von Psychoanalytikern vor, welche die Bindungstheorie als Grundlage ihrer Forschung verwenden (insbes. die Londoner Gruppe um Peter Fonagy). Schließlich skizziert er die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Bindungstheorie und Psychoanalyse hinsichtlich ihrer Grundaussagen zu Themen wie der Bedeutung der Sexualität, der Rolle von Realität und Phantasie in der Neurose, der Frage, ob eher innere oder äußere Einflüsse die Entwicklung bestimmen – und weiteren.
Attachment theory has evolved from the work of the English psychoanalyst and child psychiatrist John Bowlby
In the meantime it has become one of the most influential areas within developmental psychology. In spite of its wide scope it is (still) relatively little known in psychoanalytic circles. The author gives an overview of the present stand of research in attachment theory. He then introduces the work of those psychoanalysts who use attachment theory as the basis of their research (particularly the London group around Peter Fonagy). Lastly he proceeds to sketch the differences and similarities between attachment theory and psychoanalysis with respect to their fundamental assumptions on some major issues, i.e. : the meaning of sexuality ; the role played by reality and fantasy in neurosis ; the question whether internal or, respectively, external factors are more likely to determine the development.
Der Autor steht der von John Bowlby begründeten Bindungsforschung nahe und stellt Ergebnisse seiner im Rahmen des Londoner Eltern-Kind-Projektes durchgeführten empirischen Langzeituntersuchung zur Entwicklung des Bindungsvermögens von Kindern vor. Anhand von Erwachsenen-Bindungsinterviews und der Untersuchungsmethode »Fremde Situation« sowie verschiedener anderer Tests wird die Herausbildung der inneren Arbeitsmodelle untersucht und der Frage der intergenerationellen Transmission mentaler Bindungsrepräsentanzen nachgegangen. Fonagy hebt in der Zusammenfassung der Ergebnisse die zentrale Bedeutung metakognitiver, selbstreflexiver Fähigkeiten der Bezugsperson hervor, die das Kind als ein mentales, mentalisierendes, wünschendes Selbst repräsentiert. Das Kind fühlt sich sicher gebunden, kann über die Identifikation mit seinem Containing-Objekt eigene metakognitive Fähigkeiten entwickeln und sich als denkendes Selbst begreifen.
Nach einem kurzen Überblick über die Bindungsforschung setzt sich die Autorin mit verschiedenen Aspekten der Unterschiede zwischen Psychoanalyse und Bindungstheorie auseinander. Seitdem die Bindungsforschung ihre Beobachtungen von der Verhaltens- zur Repräsentanzebene ausgeweitet hat, wird sie zu einer wichtigen Erkenntnisquelle für die Psychoanalyse, denn jeder Patient aktiviert in der therapeutischen Situation, in der er Hilfe sucht, sein Bindungssystem. Daher ist die Diagnose des Bindungsmusters des Patienten zusätzlich zu diagnostischen Kriterien wie narzißtisch, oral, anal, ödipal etc. hilfreich für Verständnis und Handhabung der Übertragung. Dies wird anhand von Beispielen dargestellt, die die verschiedenen Muster sicherer bzw. unsicherer Bindung verdeutlichen, wobei auch das Problem der Transmission von Traumata von einer Generation zur anderen diskutiert wird.
Employing Attachment Theory in Psychoanalytic Practice. Limitations, reservations, benefits, case studies
Since attachment theory began extending its purview from the behavioral to the representational level, it has become an important source of insight for psychoanalysis. After a brief overview of attachment research, the author embarks on a discussion of the differences between attachment theory and psychoanalysis in terms of basic premises, patient samples and the nature of the insights gained. In the subsequent central section, Köhler describes the ways in which attachment theory can be brought to bear on psychoanalytic practice, exemplifying this with reference to case studies. These extend from a first interview to examples pointing up various kinds of secure/insecure attachment. The problem of the transmission of traumas from one generation to another is also discussed.
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