Wenn Sie die Geschichten lesen und dabei Fachwörter „Ödipus-Komplex, abgewehrte Depression, hypochondrische Befürchtung, Neutralitätsregel, Abstinenz, Übertragungsbeziehung, undifferenziertes Bindungsverhalten“ usw. aber auch Regeln, die Hopf erläutert, markieren und dann das Buch nach der Lektüre wieder erneut durchblättern, haben Sie statt der Erinnerungen von Hopf plötzlich ein kleines aber präzises Lehrbuch der Psychotherapie oder zumindest sein Register  in der Hand, das Ihnen die Möglichkeiten für die psychotherapeutische Behandlung von Jugendlichen vorstellt.

Schon bei der ersten Lektüre wird ihnen auffallen, mit welchem Geschick, welcher Empathie und seiner ganzen Lebenserfahrung Hans Hopf Fälle berichtet und seine Beurteilung, Erklärungen psychologischer Umstände und Perspektiven für die Behandlung seiner Patienten erläutert. Man versteht auch, mit welcher Gelassenheit, Hopf von verhaltensauffälligen Kinder und Jugendliche erzählt, Konfliktforschung betreibt und an mehreren Fällen zeigt, wie Ursachen erkannt und in der Therapie behoben werden können. Meistens muss er dabei auch die Eltern oder die Alleinerziehenden im Blick haben, um das Familiengeschehen einordnen zu können.

So schockierend manche Berichte auch sind, und trotz mancher so schmerzhaften Niederlagen und Misserfolge, die Hopf erlebt hat, vermittelt dieses Buch Hoffnung und Zuversicht, in dem er uns seine Überzeugungen offenlegt, die Art und Weise wie er am Schicksal der Kinder und Jugendlichen, die in seiner Praxis erschienen sind, teilnimmt mit Empathie. Oft sind mangelnde Geborgenheit und Kontaktarmut, Vernachlässigung und zerstörte Familienverhältnisse Ursachen für die Probleme der Kinder, die ihre Erlebnisse auch dem Umweg über Aggressivität verarbeiten.

Jedes Kapitel ist anders aufgebaut, jeder Bericht stellt sich ganz auf die Nöte der Patienten ein, bewahrt immer eine Distanz, die dem Therapeuten hilft, den Überblick zu behalten. Je nach Schwere der Fälle dauert die Behandlung Monate auch mal Jahre. Dazu gehört auch der Blick über den Tag hinaus, auf die Ziele der Behandlung sowie die Erinnerung an Erfolge. Manche Kapitel beginnen so wie der Bericht über Selda: „Ich will vom Schicksal des türkischen Mädchens Selda berichten…“ Andere Kapitelanfänge sind Teil des oben erwähnten Lehrbuchs: „Unser bewusstes Ich muss getrennt halten und vereinigen, was Außenwelt ist und was aus den Tiefen des Unbewussten rührt.“

Hans Hopf ist  ist analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und hat als Therapeutischer Leiter im Therapiezentrum Osterhof, Baiersbronn, und in eigener Praxis gearbeitet, ist ferner Dozent und Kontrollanalytiker am Psychoanalytischen Institut Stuttgart und Würzburg. Er ist Träger des Diotima-Ehrenpreises der Deutschen Psychotherapeutenschaft für sein Lebenswerk.

Heiner Wittmann