San-Er, die Zwillingsstädte in »Immortal Longings«, sind von Kowloon inspiriert – der Ummauerten Stadt im Hongkong der 90er Jahre. Kannst du uns mehr über diesen Ort erzählen, den es mittlerweile nicht mehr gibt? Wie hast du davon erfahren?
Ich arbeite gern mit historischen Epochen, die eine ganz eigene Atmosphäre haben. Wahrscheinlich bin ich darauf bei einem meiner »Forschungstauchgänge« in der Highschool gestoßen – womit ich mich vermutlich, wie so oft, von irgendeinem Klassenprojekt abgelenkt habe. Da habe ich auch gelesen, dass Kowloon selbst dann noch unter chinesischer Herrschaft geblieben war, als Hongkong im 20. Jahrhundert von den Briten besetzt wurde. Im Grunde gab es in dieser Stadt keine Gesetze: Die chinesische Polizei kam nicht hinein und die Briten scherten sich nicht darum, was zu den gefährlichen Lebensumständen dort führte. Ohne Bauvorschriften wuchsen die Slums immer dichter zusammen. Neue Gebäude wurden angebaut, wo gerade Platz war, um die wachsende Bevölkerung irgendwie unterzubringen. Es gab mal eine Zeit, da war Kowloon die am dichtesten besiedelte Stadt der Welt. Berichten zufolge gab es unter den Leuten, die dort ihrem Alltag nachgingen, trotz der Verbrechen und des Elends echten Gemeinschaftssinn. Das heißt, bis die Stadt Mitte der 90er abgerissen wurde. Bei meinen Recherchen habe ich dann festgestellt, dass es nirgendwo sonst in der Welt, zu keinem Zeitpunkt, einen vergleichbaren Ort gab. Diese einzigartige Atmosphäre wollte ich in eine ähnliche fiktive Welt einflechten, in der eine gescheiterte Regierung zu chaotischen Zuständen führt; und dann wollte ich mir die Auswirkungen eines solchen Ortes auf seine Bewohner genauer ansehen.
Antons und Callas Beziehung kann man mit vielen Begriffen beschreiben: Liebe, Besessenheit, Schwäche oder sogar Gefahr. Wie war es für dich, eine so turbulente Beziehung zu schreiben? Gab es bestimmte Motive, die du aufgreifen oder aufbrechen wolltest?
Ich sage zwar immer, dass »Immortal Longings« von Shakespeares »Antonius und Cleopatra« inspiriert wurde, aber eigentlich meine ich damit die Charaktere, nicht das Stück. Es ging mir vor allem um die von Besessenheit und Abhängigkeit geprägte Beziehung zwischen Calla und Anton, um die sich die ganze Geschichte dreht. Die zu schreiben hat am meisten Spaß gemacht. Ich erinnere mich noch daran, wie ich »Antonius und Cleopatra« in meinem zweiten College-Jahr gelesen habe. Damals war ich unfassbar begeistert davon, wie schnell die Emotionen der Charaktere ins exakte Gegenteil umschlugen: In einen Akt gestanden sie einander noch ihre unsterbliche Liebe, im nächsten schäumten sie schon vor Wut, weil sie dachten, der jeweils andere habe sie verraten. Dieses Drama! Diese Paranoia! Das Spektakel!
Beide repräsentieren die jeweils gegnerische Seite in einem erbarmungslosen Krieg um Macht. Da ist es nur logisch, dass jeder Schritt, den sie auf ihr Gegenüber zugehen, zehnmal so intensiv zu spüren ist – und dass die Folgen viel verheerender als bei normalen Charakteren sind. In meiner Adaption konkurrieren Anton und Calla in einem Spiel, das nur einer gewinnen kann. Wie soll man jemandem unter diesen Umständen trauen – ganz egal, wie sehr man es auch versucht?