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»Das Mädchen mit dem Porzellangesicht«

Artikel aus der TolkienTimes 2024/2025
6.11.2024

Ein Puppenmacher mit einer besonderen Gabe, ein diabolischer Handel, ein Mädchen mit einem Gesicht aus Porzellan …

In einem alternativen London des späten 19. Jahrhunderts lässt sich der Puppenmacher Kobayashi auf einen furchtbaren Deal mit dem weltgewandten, von sich eingenommenen Francis Fairweather ein: Jahr für Jahr händigt Kobayashi Fairweather eine seiner nahezu lebensecht gestalteten Puppen aus im Austausch für Reichtum und Ruhm. Bis zu dem Tag, an dem Fairweather statt eines Spielzeugs Kobayashis neugeborene Tochter als Bezahlung fordert.
Ein Preis, den der liebende Vater keinesfalls zu zahlen bereit ist. Heimlich fertigt er eine Maske aus feinstem Porzellan, die für die kleine Miyo zum zweiten Gesicht wird, und flieht mit ihr aufs Land. Solange Miyo ihre Maske trägt, ist sie vor Fairweather sicher. Doch je älter sie wird, desto schwerer erträgt das Mädchen es, sich so auch vor der Welt zu verbergen …

Simone Keils »Das Mädchen mit dem Porzellangesicht« ist ein gleichsam wunderliches und wunderbares Kleinod, das zurecht kurz nach seinem Erscheinen bereits für den Phantastikpreis der Stadt Wetzlar nominiert wurde, und eine Platzierung auf der Phantastik Bestenliste erreichte. In kurzen Kapiteln, verfasst in poetischer Sprache, erzählt die Autorin eine märchenhafte Geschichte, die, wie alle richtigen Märchen, auch sehr dunkle Seiten hat und grausam ist. Keil erzählt uns von der unkonventionellen Lehrerin Miss Jenny, die statt Kleider lieber Hosen trägt und vor Leben nur so überschäumt und von einem Wächter aus Metall mit einem Herzen aus Gold ebenso wie von boshaften Internatsleiterinnen und Mördern, die vor nichts zurückschrecken. Miyos Mutter, die schöne, schwächliche Yumiko, erholt sich nie von der Geburt und versinkt immer tiefer in einer Depression; ihr Gatte, Herr Kobayashi, versucht mit Hilfe einer lebensgetreu gestalteten Puppe den Verlust seiner Frau zu kompensieren.
Die Hausangestellten – unter ihnen der gleichaltrige Max – zeigen Miyo allerdings auch, wie aufregend und spannend das Leben sein kann, wenn man sich nicht in einen goldenen Käfig sperren lässt. Schlussendlich muss Miyo im Verlauf der rund 220 Seiten des Romans lernen, sich nicht von Furcht lähmen zu lassen und dem eigenen Leben selbst eine Richtung vorzugeben. Sowohl die Freunde, als auch die Feinde, denen sie dabei begegnet, sind für diesen Reifeprozess essentiell. Und egal, auf welcher Seite sie stehen, der Autorin gelingt es, sie alle charismatisch bzw. zumindest faszinierend zu gestalten. Überhaupt sind die vielen eigenwilligen Figuren des Romans das, woran man sich auch noch lange nach dem Lesen erinnert. »Das Mädchen mit dem Porzellangesicht« spielt in einer Welt mit Steampunk-Anklängen, und so zählt zu den wunderbarsten Figuren die resolute Haushaltshilfe Miss Whittles, eine Androidin, deren Zahnräder rasseln, wenn sie schnaubt, und die, wenn sie sich aufregt, zu überhitzen droht. Miss Whittles ist eigentlich ein Auslaufmodell, inzwischen gibt es bereits modernere Androidinnen, doch sie, das mechanische Wesen, besitzt mehr Mitgefühl (und Pragmatismus) als so mancher Mensch aus Fleisch und Blut in diesem Buch.

Der Roman ist ein kleiner Schatz – übrigens auch aufgrund der liebevollen Aufmachung, die dem Inhalt in Nichts nachsteht: ein perfektes Geschenkbuch.

Von Christian Handel

»Das Mädchen mit dem Porzellangesicht«

Das Mädchen mit dem Porzellangesicht

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Beteiligte Personen

© Christopher Schmid Fotografie, Erfurt

Simone Keil

Simone Keil, geb. 1971, interessierte sich schon als Kind weit mehr für Fantasiewelten und Geschichten als für die Realität. Nach langjähriger Tätigkeit i...

Simone Keil, geb. 1971, interessierte sich schon als Kind weit mehr für Fantasiewelten und Geschichten als für die Realität. Nach langjähriger Tätigkeit im Vertrieb, schreibt sie nun fantastische Romane für Jugendliche und Erwachsene. Die Autorin lebt mit ihrer Frau und ihrem gemeinsamen Cocker Spaniel in Thüringen.