Am Ende der ersten beiden Teile der Trilogie »Der stählerne Bund« von Anthony Ryan lege ich meine Rüstung ab, um innezuhalten und zurückzublicken. Es sind die beiden Romane »Der Paria« und »Der Märtyrer«, die mich an der Seite eines Gesetzlosen in eine mittelalterliche Welt katapultierten, die auf den ersten Blick viel zu real für das Genre Fantasy erschien. Dem jungen Gauner Alwyn durch die Ländereien von Albermaine zu folgen, schmeckt nach Robin Hood und Jeanne d´Arc. Und doch ist alles anders, als es scheint.
Es ist ein brillantes Setting, das uns zum loyalen Gefolgsmann eines Galgenstricks macht. Aber ist es auch Fantasy, was wir lesen? Wo liegt das unbekannte, mystisch-magische Neuland, wenn wir das Leben von Alwyn aus nächster Nähe miterleben dürfen? Keine Sorge. Liebhaber des Genres sind hier genau richtig. Es ist der subtile Einsatz fantastischer Elemente, der begeistert, Gänsehaut erzeugt und bei dem uns die ersten zweifelnden Fragen mit scharfer Klinge um die Ohren gehauen werden. Es ist der sagenhafte Aufstieg eines jungen Diebes, dem wir uns nicht entziehen können. Mitglied einer verwegenen Bande, Opfer eines tödlichen Verrats, Gefangener in den mörderischen Erzminen des Königreichs und hineingeworfen in einen Strudel, der durch die instabilen Machtverhältnisse im Reich entsteht. Ein fragwürdiger König, ein illegitimer Konkurrent, die allgewaltige Religion des Bundes und Akteure, die alles dafür tun, an die Macht zu kommen. Ein tödlicher Mix für jemanden, der sich »verloren in einer Welt der Geheimnisse« fühlt.
Wäre Alwyn allein, der Untergang wäre ihm sicher. Doch er ist umgeben von Mördern, Geistlichen, Rittern und Heiligen. Schicksalhafte Bindungen entstehen und prägen seinen Weg. Aus dem Gesetzlosen wird Alwyn Scribe, der begabte Schreiber und, nach seiner Flucht aus den Minen, einflussreiche Ratgeber einer der größten Legenden des Landes, der Märtyrerin Evadine Courlain. Seine größte Gabe: die Fähigkeit zu erkennen, wenn er belogen wird. Lebensrettend in diesen Zeiten. Der Paria – der Ausgestoßene – rückt in den Mittelpunkt, wird selbst fast zum Märtyrer und entdeckt das große Geheimnis, das aus seinem Schicksal eine Mischung aus Vorsehung und Vision werden lässt. Die Begegnung mit einer Hexe und ein altes Buch, in dem seine Geschichte vorgezeichnet ist, werden zu Wendepunkten seines Lebens. Vieles gerät ins Wanken und sogar die Zeit verhält sich anders als sie es sollte.
Dies ist kein veganes Ränkespiel. Dies ist ein Blutbad, nichts für schwache Nerven, ein sprachlich fesselndes Heldenepos, ein Schlachtgesang, der die Ansprachen der Feldherren auf dem Feld der Verräter übertönt und nicht zuletzt ein Abgesang auf den wahren Glauben. Mittendrin – der ständig über sich herauswachsende Alwyn Scribe, loyal, verschlagen, blind vor Liebe und so wenig heldenhaft, wie wahre Helden sein müssen.
Was jetzt noch fehlt? Der dritte Band. Und hier müssen wir nicht auf die Gnade des Autors hoffen und Daumen drücken, dass er bald beendet, was er so großartig begann. Im Original ist das Finale bereits erschienen. Jetzt muss die brillante Übersetzerin Sara Riffel aus dem »Traitor« noch einen »Verräter« machen und dann werden wir erfahren, welches Ende Alwyn Scribe erwartet. Nicht Soldat, nicht Heiliger wollte er werden. Aber wer, wenn nicht er ist in der Lage, den stählernen Bund zu schmieden? Eine Trilogie wie ein Donnerschlag. Es wird Zeit, meine Rüstung wieder anzulegen und mit Alwyn Scribe weiterzuziehen. »Der Verräter« wartet auf mich.
Von Arndt Strosche