In der Behandlung von Kindern und Jugendlichen erweist sich der Einbezug der Eltern als wesentlich, um entwicklungsfördernde und -hemmende Beziehungskomponenten zu identifizieren. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Erfassung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Eltern-Kind-Interaktion sowie deren Relevanz für die Behandlungsplanung. Für eine Fremdeinschätzung wird die Beziehungsachse der OPD-KJ-2 herangezogen und für eine Einschätzung der Eltern-Kind Dyade der INTREX-Fragebogen, der ebenso auf dem SASB Modell beruht. Eine solche Erfassung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Selbst- und Fremdeinschätzung wird anhand des Fallbeispiels des 13-jährigen Tim und dessen Mutter dargestellt. Die bisherigen Erfahrungen im klinischen Alltag sprechen dafür, dass vor allem anhand der Differenzen der Einschätzungen entscheidende Hinweise resultieren, welche Aspekte im Rahmen der weiteren Behandlungsplanung von zentraler Bedeutung sind.
In the treatment of children and adolescents, the inclusion of parents proves to be essential to identify development-promoting and inhibiting relationship components. This article deals with the understanding of differences and similarities in the perception of self and others in the parent-child-interaction, as well as their importance for planning of treatment. Therefore OPD-CA-2 was used to picture the perception of others and an INTREX-questionnaire for getting insight into the perception of a parent-child dyad that is also based on the SASB model. The survey of similarities and differences of the perception of self and others is shown with the help of the case study of 13-year old Tim and his mother. The experience in everyday clinical practice so far indicates evidence that aspects of central importance in the context of further planning of treatment, results primarily from the differences in the assessments mentioned.
Es wird im Folgenden eine ambulante psychoanalytische Kinderpsychotherapie dargestellt. Dabei handelt es sich um ein zu Beginn der Therapie neunjähriges Mädchen mit einer diagnostizierten emotionalen Störung mit Trennungsangst des Kindesalters vor dem Hintergrund eines Unterwerfungs-Kontroll-Konflikts jeweils im aktiven Modus (OPD KJ-2) und einem ungelösten ödipalen Konflikt. Die Langzeittherapie fand als psychoanalytisch fundierte Einzeltherapie über knapp vier Jahre mit einem Stundenumfang von 150 Stunden statt. Nach einem theoretischen Exkurs über die Bedeutsamkeit des ödipalen Konflikts und der Notwendigkeit von triadischen Beziehungen und den damit verbundenen Entwicklungsaspekten wird anschließend die Psychodynamik und die sich über mehrere Phasen erstreckende ambulante Therapie mit meinen Interpretationen dargestellt. In Anlehnung an die Falldarstellung wird aufgezeigt, dass im frühen Konflikt mit der Mutter der für die Patientin als uninvolviert erlebte Vater, der als früh triangulierende Hilfe benötigt wurde, nicht zur Verfügung stand. Dies hatte zur Folge, dass die elementare Entwicklungsaufgabe der Separation und Individuation für die Patientin verhindert wurde. Dies manifestiert sich im Scheitern des ödipalen Lernprozesses, speziell des ödipalen Verzichts. Die Patientin bleibt in der Rolle der Machtvollen zwischen den Eltern verstrickt und dominiert damit weiter die Familiendynamik, in der letztendlich nur dyadische Beziehungen zu einem Elternteil möglich sind.
This article examines the case of an outpatient psychoanalytic psychotherapy. This case study shows a at the beginning nine-year-old girl with a OPD-CA-2-diagnosed emotional disorder accompanied by separation anxiety based on conflicts with submission and control in an active mode as well as an unsolved oedipal conflict. The patient was treated in a four-year psychodynamic therapy which amounted to 150 hours. Starting with theoretical conceptualisations about the meaning of the oedipal conflict, the triadic relationship and related aspects of child development, the article presents in the following the psychodynamics and the treatment with interpretations of the therapist. Based on excerpts of the case study, it is demonstrated that in the early conflict with the mother, the father who has been experienced by the patient as uninvolved, but who would have been urgently needed as a triangulating support in early childhood, was not available to her. Hence, early developmental stages such as separation and individuation were hampered. These missing essential developmental stages had the effect that the patient could not complete the necessary oedipal learning processes and that she had, in particular, to face oedipal renunciation. The patient stays entangled in her role as the dominating power between the parents in the dynamics of her family, which ultimately only provides space for dyadic relationships.
Die Wirksamkeit psychoanalytischer Therapieansätze ist im Hinblick auf die Reduktion der Symptomatik mittlerweile belegt. Inwieweit sich neben der Symptomatik auch komplexe psychoanalytische Konstrukte wie das Strukturniveau verändern bzw. durch was diese Veränderung begünstigt wird, ist bislang wenig empirisch beforscht. Im Rahmen einer Studie zur Wirksamkeit psychoanalytischer Therapien wurde die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ) an 60 Patienten (M = 16,2, SD = 2,1) durch Therapeuten zu Therapiebeginn und -ende erhoben. Von Patienten erfasst wurde u. a. Familienfunktionalität und therapeutische Beziehung. Zur Vorhersage der Veränderung des Strukturniveaus wurde eine multiple lineare Regression mit folgenden Prädiktoren durchgeführt: Strukturniveau zu Therapiebeginn; Alter und Geschlecht; Familienfunktionalität; therapeutische Beziehung und Therapiedauer. Lediglich der Ausgangswert des Strukturniveaus sowie eine längere Therapiedauer sagten signifikant eine Verbesserung im Strukturniveau vorher.
To date, there is ample research on the efficacy of psychodynamic treatments in terms of symptom reduction. However, more complex psychodynamic constructs, like the structural functioning and its predictors, have received little attention. We collected data from 60 patients (M = 16.2, SD = 2.1) from a broader study on the effectiveness of psychodynamic therapy. Therapists measured level of structure with the Operationalized Psychodynamic Diagnostics in Childhood and Adolescence (OPD-CA). Patients filled in measures on family functioning and therapeutic alliance. To assess predictors of structural change, we analysed multiple linear regressions with the following predictors: structural level at beginning of therapy, age, gender, family functioning, therapeutic alliance, and therapy duration. Only structural level at the beginning of therapy and therapy duration were significant predictors.
Therapieabbrüche stellen ein ernstzunehmendes Thema dar, sind jedoch insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bislang wenig untersucht, obwohl der Einbezug der Perspektive der betroffenen jungen Menschen immer wieder gefordert wird. Ziel der Studie war es, von jungen erwachsenen Therapieabbrechern die Gründe für ihre Abbrüche zu erfahren. In einer qualitativen Interviewstudie wurden Interviews mit vier jungen Menschen geführt, die eine psychotherapeutische Behandlung abgebrochen hatten. Diese Interviews wurden audiographiert, transkribiert und anschließend mit der Interpretative Phenomenological Analysis qualitativ ausgewertet. Es ergaben sich aus den Interviews folgende Themen: Zum einen für die Entwicklungsphase typische Autonomiebestrebungen, zum anderen wurden vielfältige Gründe für die Abbrüche genannt, die sich zwei Bereichen zuordnen lassen: enttäuschte Erwartungen im Hinblick auf das Therapeutenverhalten und / oder das als unpassend und starr erlebtes Behandlungssetting.
A considerable number of young people with mental disorders drop out of their psychotherapy. However, to date the reasons for dropping out are not clear in this age group and even less is known when considering the emerging adults’ subjective experience. The aim of the current study was to investigate reasons for therapy dropouts from the young adults’ point of view. In this qualitative interview study, we interviewed four emerging adults who dropped out of psychotherapy. We audiotaped the interviews, transcribed them verbatim, and analyzed them with Interpretative Phenomenological Analysis. Three themes related to the experience of drop-out were prevalent in all cases: thriving for autonomous decisions, disappointed expectations about the therapist’s behavior, and a treatment setting that was neither flexible nor adapting to their needs.
Dieser Beitrag beschreibt die Herausforderungen der neuen Entwicklungsphase des »emerging adulthood« (18 bis 30 Jahre) für die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung. Es werden zunächst die Entwicklungsphase »emerging adulthood« in Deutschland, besonders die verlängerte Identitätsbildung, sowie Einflussfaktoren familiärer Art dargestellt. Die neuen Forschungsbefunde zeigen auf, dass frühere Konzeptualisierungen im Sinne einer pathologisch prolongierten Adoleszenz nicht mehr länger zutreffen. Mit der zunehmenden Belastung junger Erwachsener geht ein Anstieg an psychischen Störungen einher, auf den unser Versorgungssystem noch nicht eingestellt ist. Die ansteigenden psychischen Auffälligkeiten in dieser Entwicklungsphase sowie spezifische Störungsbilder, welche in dieser Phase von zentraler Bedeutung sind, werden vorgestellt. Abschließend geht es um Ansätze in der Versorgung, wie sie sich etwa im Begriff der »Transitionspsychiatrie« niederschlagen.
This article describes the challenges of the new development phase of the emerging adulthood (18 to 30 years) for psychiatric and psychotherapeutic care. First, the development phase »emerging adulthood« in Germany, especially the prolonged identity formation, as well as influencing factors such as parental rearing styles are presented. The new research findings show that earlier conceptualizations as a pathologically prolonged adolescence are no longer adequate. The increasing burden on young adults is associated with an increase in mental health disorders that our care system is not yet prepared for. The increasing psychopathology in this development phase as well as specific disorders, which are of central importance in this phase, are portrayed. Finally, approaches in the psychotherapeutic and psychiatric care, as reflected in the term of »transitional psychiatry«, are presented.
Die Bindungstheorie ist heute eine der einflussreichsten Theorien in der Entwicklungspsychologie und klinischen Psychologie. In diesem Artikel wird die erst in jüngster Zeit erfolgte Anwendung der Bindungstheorie auf das Alter beschrieben, wobei zunächst die grundlegenden entwicklungspsychologischen Befunde dargelegt werden und in einem zweiten Schritt deren Bedeutung für klinische Dimensionen wie Affektregulation und Mentalisierungsfähigkeit. Schließlich werden von der Bindungstheorie abgeleitete therapeutische Überlegungen zur Behandlung Älterer, insbesondere zur therapeutischen Beziehung und zum therapeutischen Prozess dargelegt. Abschließend wird auf Befunde zur Evaluationsforschung eingegangen.
Attachment theory is one of the most influential theories in developmental psychology and clinical psychology today. This article describes the extension of the attachment theory to old age, first presenting the basic developmental findings and then their significance for clinical dimensions such as affect regulation and mentalization. Finally, therapeutic considerations derived from the attachment theory on the therapeutic treatment of the elderly, in particular on the therapeutic relationship and the therapeutic process, are presented. Finally, the findings on evaluation research will be discussed.
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