Während viele Psychosomatiker und Psychiater den positiven Eigenschaften, die Patienten ihrem klinischen Eindruck zufolge zeigen, Aufmerksamkeit widmen, betonen die heute üblichen Begutachtungs- und Behandlungsverfahren vor allem die psychischen Dysfunktionen. Euthymie ist ein transdiagnostisches Konstrukt, das sich auf das Vorliegen positiver Affekte und psychischen Wohlbefindens bezieht, d. h. auf Ausgeglichenheit und Integration psychischer Kräfte (Flexibilität), eine ganzheitliche Sicht des Lebens, an der sich die auf die Zukunft gerichteten Handlungen und Gefühle orientieren (Beständigkeit / Konsistenz), und eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress (Resilienz und Angst- oder Frustrationstoleranz). Immer mehr Anhaltspunkte sprechen dafür, dass die Beurteilung der Euthymie und ihrer Komponenten bedeutsame Implikationen besitzt. Spezifische Instrumente (klinische Interviews und Fragebögen) können in eine klinimetrische Begutachtungsstrategie incl. Makroanalyse und Staging einbezogen werden. Das Streben nach Euthymie ist keine therapeutische Intervention für spezifische psychische Störungen, sondern eine transdiagnostische Strategie, die in einen individualisierten Behandlungsplan integriert werden kann. Eine Reihe psychotherapeutischer Techniken, die auf die Unterstützung der positiven Affekte und des psychischen Wohlbefindens zielen (z. B. die Well-Being Therapy oder die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie und die Akzeptanz- und Commitmenttherapie) wurden in randomisierten und kontrollierten klinischen Studien entwickelt und evaluiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Wohlbefinden und Resilienz durch spezifische Interventionen gefördert werden können, die zu einer positiven Selbsteinschätzung führen sowie zu einem Gefühl des Wachstums und der Weiterentwicklung, der Überzeugung, dass das Leben sinnvoll und bedeutungshaltig ist, zur Zufriedenheit mit den eigenen zwischenmenschlichen Beziehungen, zu der Fähigkeit, das Leben erfolgreich zu bewältigen, und zu einem Gefühl der Selbstbestimmtheit.
Wie kann Psychotherapie eine Haltung vermitteln, durch die Patienten ihr Wohlbefinden aktiv selbst beeinflussen können, auch unabhängig von ihrer Störung? Diese Frage wird durch den von G. Fava entwickelten Ansatz der Well-Being Therapie (WBT) adressiert. In dieser Kurzzeittherapie zur psychischen Stabilisierung wird die Selbstbeobachtung des psychischen Wohlbefindens mit Hilfe eines strukturierten Tagebuchs einschließlich Therapieaufgaben (»Selbsttherapie«) in den Vordergrund gestellt.
Im Artikel werden die Entwicklung und die Charakteristika der WBT skizziert sowie die sechs Dimensionen des Wohlbefindens vorgestellt (Autonomie, Umweltbewältigung, positive Beziehungen, persönliche Entwicklung, Lebensziel und -sinn sowie Selbstakzeptanz). Anschließend wird das strukturierte Manual der Kurzzeitbehandlung durch Fallbeispiele im Kontext der Corona-Pandemie beschrieben. Die Studienlage deutet auf verschiedene Einsatzmöglichkeiten dieser Kurzzeittherapie hin, wobei sie sich insbesondere als Rückfallprophylaxe nach Akut-Therapie bei diversen Störungen als wirksam erwiesen hat. Abschließend wird die WBT in die Psychotherapielandschaft eingebettet und ein Ausblick bezüglich Weiterentwicklungen gegeben.
How can psychotherapy convey an attitude through which patients can actively influence their well-being themselves, even independently of their disorder? This question is addressed by means of the Well-Being Therapy (WBT) approach developed by G. Fava. This short-term therapy to provide mental stabilisation focuses on self-observation of mental well-being with the help of a structured diary including therapy tasks (»self-therapy«).
The article outlines the development and characteristics of WBT and introduces the dimensions of well-being (autonomy, Enviromental Mastery, positive relationships, personal growth, purpose in life and positive attitudes toward one’s self). The structured short-term treatment manual is then described in the form of case studies in the context of the Coronavirus pandemic. Existing studies point to various possible applications for this short-term therapy, in which context it has proven particularly effective as a relapse prophylaxis after acute therapy for various disorders. Finally, WBT is situated in the raft of psychotherapies and an outlook on further developments is given.
Psychotherapie mit Patienten, die an chronischen körperlichen Erkrankungen leiden, stellt eine besondere Herausforderung dar. Viele Patienten kommen mit dem Wunsch nach Symptomlinderung oder sogar Symptomfreiheit. In vielen Fällen ist dies aber kein realistisches Behandlungsziel. In dieser Situation stellt die Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT) ein besonders geeignetes Instrument dar, um eine bessere Adaptation an die Situation der chronischen Krankheit und somit eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Erweiterung von Handlungsspielräumen zu erreichen. Als störungsübergreifende Therapieform wird ACT bei vielen verschiedenen körperlichen und sekundären psychischen Erkrankungen eingesetzt. Dieser Artikel verweist auf die theoretischen Grundlagen der Therapie, bietet eine Zusammenfassung der zentralen Störungselemente und der Behandlungsmethoden, die zur Auflösung dieser Störungselemente eingesetzt werden können.
Psychotherapy with patients suffering from chronic physical illnesses can be a special challenge. Patients often wish to reduce their symptoms through therapy or even become symptom-free. In most cases however, this is not a realistic therapeutic goal. In these situations, Acceptance and Commitment Therapy (ACT) may be a suitable tool for helping patients adapt to the situation of chronic illness and thus improve quality of life and expand their scope in life. This article outlines the theoretical foundations of ACT, summarises the central elements that lead to reduced psychological flexibility as well as the main pillars of treatment used to overcome them. Since ACT is not a disorder-specific form of therapy, it can be applied to a variety of physical and secondary psychological problems.
CBASP ist ein innovatives Psychotherapie-Verfahren, das speziell für die Behandlung der persistierenden depressiven Störung (PDS) entwickelt wurde. Ausgehend von einem interpersonellen Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung der PDS werden Strategien abgeleitet, um auf der Basis früherer Erfahrungen aktuelle Muster der Beziehungsgestaltung zu identifizieren, zu reflektieren und zu verändern. Dabei wird methodisch eine Vielzahl psychotherapeutischer Techniken genutzt, die von psychodynamisch orientierter biografischer Arbeit bis zu verhaltensmodifizierenden Methoden reichen. Besonderheiten sind eine sehr transparente Vermittlung des Therapieansatzes, eine primäre Fokussierung auf Beziehungsgestaltung und eine forcierte Orientierung auf explizites und implizites interpersonelles Lernen. Der Artikel stellt neben CBASP-Strategien die Evidenzlage vor und formuliert Herausforderungen an zukünftige Forschung. So bieten die Identifizierung von Prädiktoren des Ansprechens auf CBASP und die Ergänzung um evidenzbasierte Verfahren die Möglichkeit, das Verfahren individualisierend weiterzuentwickeln und die Wirksamkeit von Psychotherapie bei komplexen Störungsbildern wie der PDS weiter zu steigern.
CBASP is an innovative method specifically developed for the treatment of patients with persistent depressive disorder (PDD). On the basis of an interpersonal model of developing and maintaining PDD, CBASP strategies draw on past experiences to identify, reflect and change current interpersonal relationship patterns. CBASP uses multiple psychotherapy strategies ranging from psychodynamic biographical work to methods of behavior modification. Distinctive features of CBASP are the very transparent presentation of the model, the primary emphasis on interpersonal relationships, and a focus on explicit and implicit interpersonal learning. Alongside major CBASP strategies, the article presents the current evidence and suggests what challenges future research may face. The identification of predictors for therapy response through CBASP and the extension to include other evidence-based techniques may help to develop customised therapy forms and further improve the effectiveness of psychotherapy for complex disorders such as PDS.
Praktische Erfahrungen mit der erfolgreichen Anwendung der Methode IRRT in psychodynamischen Psychotherapien werfen die Frage auf, inwieweit die Methode IRRT, ursprünglich aus der KVT als Traumatherapie entwickelt, mit Hilfe der psychodynamischen Theorie verstehbar ist. Überschneidungen in der Terminologie werden geklärt. Mit Hilfe der Mentalisierungstheorie von Fonagy, dem Introjekt-Konzept von Kernberg und der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik wird ein psychodynamisches Modell der Anwendung von IRRT entworfen.
Practical experiences with the successful application of IRRT methods in psychodynamic psychotherapies spawn the question how IRRT, originally based on the principles of cognitive behavioural therapy for the treatment of traumatized patients, can be grasped in light of psychodynamic theory. A psychodynamic model of IRRT is proposed drawing on Fonagy’s theory of mentalisation, Kernberg’s concept of introjection and the methodology of operationalised psychodynamic diagnostics.
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