Ausgangspunkt ist die ungeklärte Frage, wie viele Patienten mit einer psychischen Erkrankung täglich ausreichend und abschließend in hausärztlichen Praxen behandelt werden. Aus der Perspektive einer niedergelassenen Allgemeinärztin mit psychotherapeutischer Ausbildung werden die Auswirkungen von Diagnosen und Klassifizierungssystemen auf die Primärversorgungsebene dargestellt. An Hand der Europäischen Definition der Hausarztmedizin (Wonca 2002) wird die hausärztliche Tätigkeit bei der Behandlung von Menschen mit psychischen Beschwerden dargestellt und mit Fallbeispielen erläutert. Schnittstellenprobleme zwischen den Versorgungsebenen werden benannt und schließlich eine Vorschlagsliste zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Spezialisten vorgestellt. Allgemeinmedizin ist keine »kleine Psychotherapie oder Psychiatrie« sondern ein eigenständiges Fach mit wissenschaftlich fundierten Handlungsempfehlungen, das kritisch nach dem Nutzen aller medizinischen Maßnahmen im Allgemeinen und im Speziellen fragt. Die hausärztliche Arbeit ist stark durch den Faktor »Unsicherheit« geprägt. Das abwartende Offenhalten gehört zu den Kernelementen. Hausarzt zu sein, bedeutet Verantwortung zu übernehmen und Unsicherheiten im Umgang mit dem unselektierten Patientengut der Primärversorgungsebene auszuhalten.
General practitioner and psychotherapy
The starting point is the unresolved question of how many patients with mental illness are treated adequately and exhaustively in daily primary care. From the viewpoint of an experienced general practitioner with psychotherapy training, the impact of diagnosis and classification systems to the primary care level are presented. The primary care activity in the treatment of people with mental disorders is discussed in relation to the European definition of family medicine (Wonca 2002) and illustrated with case studies. Interface problems between the professional providers are named and finally, a list of suggestions for improving the cooperation between GPs and specialists is presented. General practice is not »little psychotherapy or psychiatry« but a separate subject with evidence-based recommendations for action with critical questions for the benefit of all medical procedures in general and in particular. The general practitioner's work relies heavily on managing »uncertainty« with »watchful waiting« as one ofits core elements. To be a GP means to take responsibility and to deal with uncertainties in an unselected patient population.
Gesundheit basiert auf einem Zusammenspiel zwischen Anforderungen und Ressourcen. Je höher die Anforderungen und umso niedriger die Ressourcen, umso höher ist das Risiko von Stressfolgeerkrankungen, wie z.B. auch das berufsbedingte Burnout. Berufe mit einem besonders hohen Anforderungsprofil, wie z.B. der Beruf des Arztes, stellen daher ein höheres Risiko für Stresserkrankungen dar. Dieses kann aber durch eine entsprechend höhere Widerstandskraft (Resilienz) ausgeglichen werden. Es werden zwei Studien vorgestellt, deren Ergebnisse berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für den Arztberuf benennen sowie die hohe berufliche Belastung vieler niedergelassener Allgemeinmediziner belegen. Die Studien verweisen zudem nachdrücklich auf den positiven Einfluss einer Regulation und Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse (wie z.B. dem Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz) auf die Widerstandskraft (Resilienz).
Stress and stress-resistance (resiliency) of resident doctors
Health bases upon an interaction between requests and resources. Higher requests and lower resources raise the risk of stress-related diseases, e.g. a job-related burnout-syndrome. Jobs with a high requirement-profile, e.g. medical professions, have a higher risk for stress-related diseases. However one can equalize this risk by an accordingly high stress-resistance/hardiness (resiliency). Two studies are introduced. The results show job-related and non-job-related stressors within medical professions. They further document the high job-related strain of resident doctors. And they refer insistently to positive influence of regulation and satisfaction of psychological needs (e.g. the need for self-worth-enhancement and self-worth-protection) on hardiness (resiliency).
Psychische und psychosomatische Probleme und Störungen nehmen zu und sind durch ihre Chronifizierung mittlerweile zu einem enormen Kostenfaktor geworden (Anstieg der AUZeiten, ein Drittel der Frühberentungen wegen psychischer Störungen). Rechtzeitiges Erkennen und gezielte kurzfristige Interventionen im Rahmen der Primärversorgung können diese Chronifizierung verhindern. Patienten wünschen sich vom Hausarzt eine Berücksichtigung ihrer psychosozialen Probleme und emotionalen Bedürfnisse im Rahmen fachlich kompetent geführter Gespräche. ärzte mit Qualifikation in psychosomatischer Grundversorgung und Zusatzweiterbildung Psychotherapie – fachgebunden sind dafür fort- und weitergebildet und können zeitnah und effektiv intervenieren. Sie erbringen einen hohen Anteil an psychotherapeutischen Leistungen, die durch die Richtlinienpsychotherapie nicht erfasst werden. Diese von einem Idealismus getragenen Angebote sollten in Zukunft durch angemessenere Honorierungsmodelle gewürdigt werden.
Psychotherapy in general practice as a discrete health care area
Psychiatric and psychosomatic disorders and conditions are on the rise and have now become a major financial burden due to their chronification (longer times off due to inability to work, one third of early retirements are due to psychiatric disorders). This chronification can be prevented with the timely identification and targeted short-term interventions within the scope of primary care. Patients rely on their general practitioners to consider their psychosocial problems and emotional needs within the scope of psychological counselling. Clinicians who are qualified to deliver psychosomatic primary care and with the additional designation of psychotherapist have been educated and trained to this end and are able to intervene timely and effectively. They render a major share of psychotherapeutic services not covered by the psychotherapy practice guidelines. In the future, these services sustained by idealism should be adequately recognised with more appropriate compensation models.
Hintergrund: Bislang ist unklar, inwiefern die psychosomatische Komorbidität zu einer hohen Utilisierung in deutschen Hausarztpraxen beiträgt. Methode: Querschnittserhebung. Konsekutive Befragung von Patienten in 13 Hausarztpraxen mit dem Patients Health Questionnaire. Erfassung der Anzahl der Praxiskontakte, überweisungen, Arbeitsunfähigkeitstage und Dauerdiagnosen innerhalb der letzten 12 Monate aus den Patientenakten. Ergebnisse: 1005 Patienten nahmen teil (58,6% weiblich). Am Beratungstag erhielten 186 (18,4%) Patienten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Arbeitsunfähigkeitsdauer war mit Angststörung (B 5,8; 95%CI 1,3-10,3) und Panikstörung (B 8,4; 95%CI 3,0-13,8) assoziiert. Die Häufigkeit der Praxiskontakte und Arbeitsunfähigkeitstage waren stärker mit psychischen als mit somatischen Dauerdiagnosen assoziiert. Diskussion: Die psychosomatische Komorbidität scheint einen stärkeren Einfluss auf die Utilisierung der hausärztlichen Ressourcen zu haben als die somatische Krankheitslast. Zeitknappheit in den Praxen könnte eine erhöhte Kontaktzahl nach sich ziehen, wenn zu wenig Zeit bleibt, bio-psycho-soziale Zusammenhänge erkennen und mit den Patienten diskutieren zu können.
Impact of psychosomatic co-morbidity on health care utilisation in German general practices
Background: The impact of psychosomatic co-morbidity on health care utilisation in German general practices remained unclear up to now. Methods: Cross sectional observational study in 13 practices. Patients were included consecutively and filled in the Patients Health Questionnaire. Numbers of practice visits, referrals and periods of disability within the last twelve months were extracted manually by review of the computerised charts. Results: 1005 patients were included (58,6% female). 186 (18,4%) received a work leaflet at the day of contact. Periods of disability were associated with anxiety (B 5,8; 95%CI 1,3-10,3; p=0,012) and panic disorder (B 8,4; 95%CI 3,0-13,8; p=0,002). Number of yearly practice contacts and periods of disability were stronger predicted by mental than by somatic diagnoses. Discussion: Psychosomatic co-morbidity had a stronger impact on health care utilisation than somatic morbidity in German general practices. Time constraints in the practices might lead to frequent contacts when too little time is left for patient-centred care and holistic biopsycho- social treatment.
Angesichts einer starken ökonomisierung und Industrialisierung der modernen Medizin, findet sich ein zunehmendes Unbehagen bei ärzten und Patienten. Hintergrund dieser Entwicklung bildet ein einseitiges Menschenbild mit einer Trivialisierung des Menschen und des menschlichen Körpers (Maschinen-Modell des Körpers) und fehlender Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten. Integrierte Medizin versucht den Dualismus der modernen Medizin zwischen high-tech-Medizin einerseits und spezialisierter Psychotherapie andererseits durch ein Meta-Modell zu überwinden und unterscheidet sich hierdurch auch von Komplementär- Medizin. Wichtige Modell-Aspekte sind dabei Konstruktion und De-Konstruktion von Krankheits-Wirklichkeit, die Bedeutung individueller Wirklichkeiten der Patienten sowie das Bemühen um heilsame gemeinsame Wirklichkeiten (Passungen) in der Arzt-Patienten-Beziehung durch kommunikative Abstimmungsprozesse (Passungsarbeit). Dieses Modell Integrierter Medizin bietet so einen theoretischen Rahmen für eine psychosomatisch orientierte Hausarztmedizin.
The search for the lost art of healing – the perspective of integrative medicine
In front of a strong economic orientation of modern medicine you also can find discontent among patients and doctors. As a philosophical background of this tendencies you can find a trivialised model of human nature (The machine model for the human body). A special theory of human medicine is not yet existing. That´s why communication between doctors and patients still remains insufficient. Integrative medicine tries to get over the dualism in modern medicine between a hightech orientation on one side and specified psychotherapy on the other side. The meta-theory of integrative medicine focuses on construction and de-construction of illness-realities, subjective individual reality and communicative approach to shared realities between doctors and patients. This meta-theory of integrative medicine so offers a theoretical framework for a psychosomatical orientation in family medicine and for general practitioners.
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