Zeit- und ressourcenschonend soll der Diagnostiker mit dem Computerprogramm ISR+ durch die Vielfalt diagnostischer Kriterien des ICD-10 für psychische Störungen gelotst werden. Dazu leitet das kostenfrei erhältliche Programm, basierend auf diagnostischen Algorithmen, Schritt für Schritt durch die für den jeweiligen Patienten relevanten Syndrommodule. So werden die spezifischen diagnostischen Kriterien für die jeweils relevanten ICD-10-Diagnosen abgefragt. Wenn ein ICD-10-Diagnosekriterium im Rahmen des vorgeschalteten ISR+ Patientenratings erhoben wurde, wird die Schweregradeinschätzung des Patienten zu diesem Kriterium für den Diagnostiker auch grafisch aufgezeigt. So unterstützt das ISR+ die diagnostischen Entscheidungen, die aber stets eigenverantwortlich vom Diagnostiker getroffen werden. Zusätzlich werden unerfahrenere Diagnostiker durch die wiederholte Anwendung des Programms kontinuierlich mit den unterschiedlichen Diagnosekriterien vertrauter.
With the computer program ISR+, the diagnostician is lead through the different diagnostic criteria of over 850 ICD-10 diagnoses of mental disorders in a time and resource saving fashion. The program, which is available free of charge, guides step-by-step through the relevant syndrome modules for the respective patient. Based on diagnostic algorithms, the specific diagnostic criteria of the relevant ICD-10 diagnoses are evaluated. If an ICD-10 diagnostic criterion was assessed during the preceding ISR+ patient rating, the patient’s severity assessment for this criterion is also shown graphically for the diagnostician. While the ISR+ supports diagnostic decision-making, the diagnostician is required to make responsible assessments. Furthermore, through repeated use of this program the diagnostician becomes more familiar with the various diagnostic criteria.
Psychische Erkrankungen in der somatischen Rehabilitation bedürfen einer fachgerechten Abklärung durch entsprechend qualifizierte Ärzte und Psychotherapeuten. Die Diagnose einer psychischen Erkrankung benötigt einen psychopathologischen Befund, eine psycho-somatische Differentialdiagnostik, eine störungsspezifische Anamnese und eine Berücksichtigung der Vorbefunde. Die Diagnose soll nur dann im ärztlichen Entlassungsbericht dokumentiert werden, wenn sie handlungsleitend und/oder sozialmedizinisch relevant ist. Im Rahmen einer drei- bis vierwöchigen somatischen Rehabilitationsbehandlung ist keine „Behandlung“ einer psychischen Erkrankung im engeren Sinne möglich. Jedoch sollte eine Weichenstellung im Sinne guter psychosomatischer Differentialdiagnostik und lebensspanneorientierter Behandlungskoordination erfolgen.
Mental disorders in somatic rehabilitation need medical differential diagnostics. Diagnosis of a mental disorder (ICD-10, WHO) must be based on psychopathological assessment, specific anamnesis, and integration of somatic observations. In case of any type of healthy suffering (e. g. workplace dissatisfaction, unspecific exhaustion) or single symptoms, Z- or R-diagnosis shall be given. An F-diagnosis can only be documented when there is a mental illness which is meaningful for further treatment course or (long term) work ability decisions. Within a short inpatient somatic rehabilitation, there cannot be a treatment of mental disorders. However, a thorough differential diagnostic treatment coordination with reference to the long-term illness development in the outpatient setting can be done. There are specific outpatient group therapies for patients with mental disorder in which capacity training and work integration is aimed.
Nachdem die Diagnose der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) seit über 25 Jahren in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert wird, wurde sie nun im Vorschlag für die ICD-11 als neue Diagnose neben der weitgehend unverändert definierten (einfachen) Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aufgenommen. Hiermit können insbesondere die Folgen länger anhaltender oder wiederholter Traumatisierung diagnostisch besser abgebildet werden. Das diagnostische Konstrukt beinhaltet im Wesentlichen neben den bekannten Kernkriterien der PTBS das Vorliegen von Störungen der affektiven Regulation, eines negativen Selbstkonzeptes sowie von Beziehungsstörungen. Aufgrund der Komplexität der Folgestörungen bei anhaltenden oder wiederholten Traumatisierungen sowie der Spezifika der betroffenen Patientengruppe ist eine behutsame sowie sorgfältige Diagnostik für die Therapieplanung unabdinglich. Neben den zahlreichen validierten Erfassungsinstrumenten für die PTBS existieren bereits einige Instrumente zur strukturierten Diagnostik der kPTBS, von denen sich allerdings nur wenige auf die neuen ICD-11 Kriterien beziehen. Hier sind noch Weiterentwicklungen zu erwarten. Zusätzlich zur Erfassung der Symptome der kPTBS ist eine strukturierte Erfassung der Traumavorgeschichte und der Komorbiditäten sowie ggf. eine Ressourcendiagnostik sinnvoll.
The diagnosis of complex posttraumatic stress disorder (CPTSD) has been discussed in the scientific literature for more than 25 years and has now finally been implemented as new entity in the recently presented proposition for ICD-11, allowing a better representation of sequels of long-lasting or repetitive trauma. The diagnostic features of CPTSD encompass affective dysregulation, negative self-concept and disturbances in relationship in addition to the known core symptoms of PTSD. Considering the complexity of disturbances after multiple trauma and the particular vulnerability of affected patients, a sensitive as well as thorough diagnostic assessment is warranted. Next to the broad spectrum of validated diagnostic instruments for PTSD some tools covering the range of CPTSD symptoms have been developed. However specific, tools related to ICD-11 criteria are still sparse and further developments are to be expected. In addition to the assessment of CPTSD symptom criteria, a structured investigation of traumatic experiences and comorbid disorders as well as patient resources is recommended.
Die Diagnostik und Therapie von Persönlichkeitsstörungen im höheren Lebensalter (65 Jahre und älter) stellen nach wie vor große Herausforderungen für Forschung und Klinik dar. Es fehlen leistungsfähige, altersdifferenzierte diagnostische Instrumente und in der Folge Studien sowohl zum Auftreten als auch zur Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen im Alter sowie zu entsprechenden Therapieformen bzw. Interventionen für diese Zielgruppe. Unser Beitrag diskutiert Forschungsstand und Desiderate, gibt einen Überblick über die Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen und ihre möglichen Ausformungen im Alter und arbeitet im Hauptteil die bestehenden Probleme und Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie heraus.
Diagnosis and treatment of personality disorders in old age (65 years and older) still pose major challenges in research and clinical practice. There is a lack of powerful, age-differentiated diagnostical instruments and, subsequently, of studies on the occurrence as well as on the development of personality disorders in old age and on appropriate forms of therapy or interventions for this target group. Our article discusses the state of research and desiderata, provides an overview of the prevalence of personality disorders and their possible manifestations in old age, and discusses known problems and possibilities of diagnosis and therapy.
Aufgrund der Relevanz von Persönlichkeitsstörungen für die klinische Versorgung sind ein frühes Erkennen sowie eine genaue Diagnostik persönlichkeitsstruktureller Schwierigkeiten für die Psychotherapie von hoher Bedeutung. Am Beispiel der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-2) wird beschrieben, wie Strukturdiagnostik in der Praxis aussehen kann und wie aus dem entsprechenden Befund Behandlungsprinzipien und -strategien abgeleitet werden können.
Due to the clinical relevance of personality disorders, a thorough and reliable diagnosis of personality functioning is vital for any kind of psychotherapy. Using the Operationalized Psychodynamic Diagnosis system (OPD-2) as an example, we describe a practical approach to dimensional assessment of personality dysfunction and delineate possible pathways from diagnosis to treatment-planning as well as therapeutic strategies.
Ausgehend von der Kritik über das kategoriale Diagnostiksystem der Persönlichkeitsstörungen im ICD-10 werden die Forderungen an ein neues dimensionales System dargestellt, wie es im ICD-11 verwirklicht werden sollte. Die Grundstruktur einer dreistufigen Diagnostik mit Prüfung der Eingangskriterien für eine Persönlichkeitsstörung, des Schweregrads und der Persönlichkeitsmerkmale, wie sie im zurzeit von der WHO veröffentlichten Modell vorliegt, werden dargestellt.
Considering the shortcomings of the Categorical Diagnostic System of ICD-10, the WHO presented in the ICD-11 a new model of dimensional assessment of a personality disorder, described in this article. A personality disorder can be diagnosed in three steps: if a patient fulfills the general criteria of personality disorder, the second step is to identify the severity of the disturbance. In a third step the relevant personality traits can be described.
Die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen befindet sich derzeit im Umbruch. In der Praxis überwiegt eine Orientierung an den aktuellen kategorialen Klassifikationssystemen, während in der Forschung zunehmend dimensionale Modelle favorisiert werden. Ein vielversprechender, allerdings praktisch noch kaum erprobter Ansatz basiert auf einem dynamischen Verständnis von Persönlichkeitsstörungen und erfordert die intensive Messung von problematischen Erlebens- und Verhaltensweisen im Alltag. In diesem Beitrag wird ein solcher Ansatz vorgestellt: das „Personality Dynamics Diary“ (PDD). Das PDD ist ein Selbsteinschätzungsinstrument, das anhand von 32 Items täglich erlebte Situationen und Verhaltensweisen erfasst. Bei wiederholter Anwendung lässt sich mittels PDD nicht nur die Ausprägung (problematischer) Persönlichkeitsdispositionen, sondern auch deren dynamische Einbettung in situative Auslöser und Konsequenzen bestimmen. Um den potentiellen klinischen Nutzen des PDD zu veranschaulichen, werden die Ergebnisse eines Fallbeispiels berichtet und diskutiert.
The diagnosis of personality disorders is currently undergoing a radical change. In practice, an orientation towards the current categorical classification systems predominates, while in research dimensional models are increasingly favored. A promising but hardly tested approach is based on a dynamic understanding of personality disorders and requires the intensive measurement of problematic experiences and behaviors in everyday life. This article presents such an approach: the “Personality Dynamics Diary” (PDD). The PDD is a 32-item self-report instrument that assesses daily situations and behaviors. With repeated application, the PDD can be used not only to determine the expression of (problematic) personality dispositions, but also their dynamic embedding in situational triggers and consequences. In order to illustrate the potential clinical benefit of the PDD, the results of a case study are reported and discussed.
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