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Nachgefragt und Lesebericht: Wieland Backes, Ich war ein schüchternes Kind vom Lande

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
19.10.2021

Wie oft haben wir uns seit Anfang des Jahrtausends im Stuttgarter Literaturhaus getroffen, wo Wieland Backes, zu den Gründern und Mitstreitern gehörte, die sich für einen neuen kulturellen Mittelpunkt der Landeshauptstadt so erfolgreich eingesetzt haben.

Nun ist die Autobiographie des Moderators des Nachtcafés, das 28 Jahre lang gezeigt wurde, erschienen: »Ich war ein schüchternes Kind vom Lande. Mein Leben«. Und Wieland Backes erzählt seine Kindheit und Jugend. Die Flucht seiner Familie – er war noch gar auf dieser Welt nicht angekommen – aus Rumänien nach Sankt Martin an der Raab im Burgenland, wo er am 10. September 1946 in Feldbach als Nummer sechs der Familie geboren wird. In Paldau findet die Familie eine Unterkunft. Die Eltern sind beide Lehrer und wegen ihrer deutschen Staatsbürgerschaft gibt es keine Berufschance in Österreich, also zieht die Familie weiter und landet in Schwaben, wo der Bürgermeister von Unterrot dringend einen Lehrer sucht. Der Vater nimmt die Stelle an und als er 1950 Schulleiter in Oberbrüden wird, ist sein Sohn Wieland in der gleichen Schule.

Nachgefragt und Lesebericht: Wieland Backes, Ich war ein schüchternes Kind vom Lande

WIeland Backes

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Eduard Tröster und viele andere begleiten das Aufwachsen Wielands, der sich mit Dankbarkeit an viele Begegnungen  in der Schulzeit – wie auch – weniger dankbar – an den Rohrstock – erinnert. In Unterbrüden findet seine Mutter eine Stelle als Lehrerin und wird 20 Jahre lang unterrichten. Radtouren mit seinem Bruder Werner prägen seine Erinnerungen.

Durch einen Zufall kommt Wieland Backes zum Film: eine Bolex-Doppelacht-Schmalfilmkamera bekommt er geliehen, schreibt ein Drehbuch und ahnt noch gar nicht, dass eigentlich seine TV-Karriere damit schon beginnen hat. Der erste Film wird gedreht, Premiere, die Zeitungen berichten, seine Karriere hat angefangen. Und dann tauchen in der Schule nacheinander Ursula, dann Christel auf… die Eltern bauen ein Haus.

Der große Bruder Werner studiert Chemie in Stuttgart und sein Bruder Nikolaus gründet im Kloster Bebenhausen die Festspiele. Chemie und Theater wirken zusammen wie Treibstoff für die Karriere von Wieland Backes, dem es gelingt, aus dieser Mischung das Allerbeste zu machen. Austritt aus der Kirche, dann ist der Schütze Wieland Backes in der Ausbildungskompanie 14/10 in Donauwörth: Einige Anekdoten, alles hat er sich nicht gefallen lassen. Er bewahrt sich seinen aufmüpfigen Charakter. In Dänemark wird mit Studienfreunden de erste Film gedreht. Der Tod seiner Mutter ist ein tiefer Einschnitt.

Kontaktfreudig ist Wieland Backes und hat einen Kopf voller Ideen, als er seinen VW-Käfer bepackt und zur Forschungsreise nach Westirland aufbricht, um dort die Industrialisierung zu erforschen. Bestnoten in den Examina in Chemie und Geographie sind die Folgen. Er bereitete seine Doktorarbeit vor und fragt seinen Doktorvater, ob dazu auch ein Film passen würde: „Ja“, bekommt er als Antwort und fragt beim SDR in Stuttgart an: Er wird Hospitant, Jungfilmer und gleich auch freier Mitarbeiter. Umweltthemen sind sein Ding und er wird mit seinem Fachwissen ein gefragter Mitarbeiter. Es beginnt ein spannender Spagat zwischen TV und Doktorarbeit, aber das zweigleisiges Fahren liegt ihm und er genießt es offensichtlich, dass er im Sender als Linker gilt und Erfolge hat.

Der Herbst 1977 ist eine weiterer Meilenstein. 1981 wird Wieland Backes Leiter der Abendschau Baden-Württemberg. Die erste Talkshow mit Kollegen „Karriere, lohnt sich das?“ entsteht. Und er schildert, wie er neue Aufträge bekommt: eine Dokumentarfilm über Hausbesetzer in Berlin ist das nächste Thema.

Seine Biographie liest sich wie eine Reihe unglaublicher Zufälle. Ja, Wieland Backes hat viel Glück gehabt und mit Dankbarkeit erinnert er sich an vielen Wegbegleiter, die ihm neue Perspektiven geöffnet haben. Aber er verfügt auch über Phantasie und Beharrlichkeit und eine Hauptleidenschaft, Menschen kennenzulernen, sie zu verstehen und über sie zu erzählen, sie mit ihnen auseinanderzusetzen. Darüber redet er gar nicht explizit, aber seine Biographie verrät nun doch seine Zielstrebigkeit aus der Mischung Film, Theater, Naturwissenschaft und TV für sich einen Beruf zu schmieden. Und er schildert die Verhältnisse im Sender, wer ihn gefördert hat, wo es gehakt hat, den Einfluss der Intendanten und der Fernsehdirektoren, die kamen und gingen, aber er behauptete sich mit Erfolg.: „Überleben im Bollwerk“, lautet einer seiner Kapitelüberschriften, zwischendurch vergrößert sich die Familie.

1987 beginnt das Kapitel Nachtcafé, das bis 2014 dauern wird. Mit dem bekannten großen Erfolg. Seine Berichte aus der Kulisse dieser schon so legendären Talkshow gehören zu den spannendsten Kapiteln dieses Buches: Wer wird eingeladen? Wie wird der Erfolg der Sendung programmiert? Dann kommt „Auf der Couch“ dazu, die Überraschungsgäste werden handverlesen.

2000 beteiligt sich Wieland Backes mit Michael Klett und Helga Breuninger rund vielen anderen an der Gründung des Stuttgarter Literaturhauses. Eine neue Sendung entsteht „Ich trage einen großen Namen“, wieder berichtet Backes aus der Kulisse interessante Details aus dem Piranha-Becken Fernsehen. Und er setzt sich wiederum durch und hat erneut Erfolg. Das Nachtcafé bekommt einen wöchentlichen Rhythmus, größer könnte die Anerkennung für seinen Erfolg gar nicht sein: „Habe Mut, Dich Deiner eigenen Überzeugungen zu bedienen,“ so resümieren wir sein Buch in einem Satz.
 

Zuer Erinnerung > Wieland Backes, Geschichten aus dem Nachtcafé im Literaturhaus Stuttgart

Dann die Überraschung. Mit 58 wird Backes zum dritten Mal Vater: Foto der Tochter mit ihren beiden Geschwistern S. 196! Wird er auf dem Spielplatz als Großvater tituliert, erklärt die Tochter lautstark: „Das ist mein Vater!“

Wieland Backes resümiert seine Leidenschaft in einem Satz, mit einer Zahl, rund 5000 Gäste waren im Nachtcafé, seine Passion Menschen kennenzulernen und vorzustellen in 706 Sendungen.

Nach dem Abschied vom Nachtcafé kommt sein Engagement für den Aufbruch Stuttgart, wo er sich zusammen mit Arno Lederer für die längst überfälligen Reparaturen in der Stadtlandschaft der Landeshauptstadt einsetzt.

Wie in seiner TV-Karriere, kaum etwas kann ihn so richtig aufhalten, Rückschlägen hat er stets neue Energie entgegengesetzt und so hält er es auch mit seiner Krankheit Parkinson, von der er im letzten Kapitel berichtet.

Wieland Backes hat im Südwesten TV-Geschichte geschrieben und seine Autobiographie berichtet über ihn, aber auch über die Vorzüge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und darüber wie ein einzelner dazu betragen kann, ihn so erfolgreich zu prägen.

iteraturhaus Stuttgart Montag, 23.09.02 / 18.00 Uhr
© Heiner Wittmann

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Beteiligte Personen

Wieland Backes

Wieland Backes, geboren 1946 in Österreich, studierte Chemie und Geographie und promovierte 1978 zum Doktor rer.nat. Bereits 1973 knüpfte er erste berufli...

Wieland Backes, geboren 1946 in Österreich, studierte Chemie und Geographie und promovierte 1978 zum Doktor rer.nat. Bereits 1973 knüpfte er erste berufliche Kontakte zum Fernsehen des SDR (später SWR). In rascher Folge wurde er Reporter, Dokumentarfilmer, leitender Redakteur und schließlich Moderator. Mit seiner mehrfach ausgezeichneten Talkshow Nachtcafé war er rund 28 Jahre auf Sendung und schrieb damit Fernsehgeschichte. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Stuttgarter Literaturhauses s...