Ausgezeichnet mit dem ZDF-aspekte-Literaturpreis 2024
Ein heruntergewirtschaftetes Gehöft und ein heißer, trockener Sommer. Die Geschichte einer Familie, in der es keine Liebe gab. Die Geschichte zweier Geschwister, die sich auf der Suche nach ihr verloren haben. Mit erschütternder Zartheit erzählt, atmosphärisch dicht und intensiv: der bewegende Debütroman von Julja Linhof.
Es ist ein drückend schwüler Sommer, in dem Jirka an den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurückkehrt. Mehrfach hat er die Bitte seiner älteren Schwester Malene ignoriert, ihr gegen den Vater beizustehen. Als Jirka jetzt auf dem heruntergewirtschafteten Gutshof eintrifft, scheint keiner mehr auf ihn zu warten. Vom Vater findet sich keine Spur, und von seiner dementen Großmutter und seiner unversöhnlichen Schwester schlägt ihm eine Wand des Schweigens entgegen. Nur einer spricht mit ihm – Leander, der Sohn des letzten Verwalters. Doch obwohl die Feindseligkeit seiner Schwester kaum auszuhalten ist, lässt sich mit Leanders Nähe noch schwerer umgehen. Zu intensiv sind die Erinnerungen, die sich mit jedem neuen Tag in den Vordergrund drängen. »Krummes Holz« erzählt mit flirrender Intensität von der Kraft eines Geschwisterbandes in einer glücklosen Kindheit und darüber, wie zwischen all den enttäuschten Hoffnungen die Liebe zu finden ist.
Die Jury des ZDF-aspekte-Literaturpreises:
»Nichts wächst einfach und gerade in Julja Linhofs fesselndem Anti-Heimatroman 'Krummes Holz'. In einem Alter, in dem andere von zu Hause weggehen, um fürs Leben zu lernen, kommt der 19-jährige Jirka aus dem Internat auf den Hof seiner Familie zurück. Es ist ein Zuhause, in dem niemand auf ihn wartet. In dem alten Bauernhaus dominieren Gefühlskälte und Schweigen. Die depressive Mutter ist verstorben, vom gewalttätigen Vater fehlt jede Spur, Jirkas Schwester Malene redet nicht mehr mit ihm. Und mit dem älteren Verwaltersohn Leander verbindet ihn ein Geheimnis …«
Welche Bedeutung hat der Titel „Krummes Holz“?
Der Titel steht einerseits für die Zufahrtsstraße zum Hof von Jirkas Familie „Im krummen Holz“, lehnt sich auf der anderen Seite aber auch an das Zitat von Immanuel Kant an. „Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“
Für mich ist eine Lesart dieses Zitats besonders wichtig: Erfahrungen, die wir in der vulnerabelsten Phase unseres Lebens, der Kindheit, gemacht haben, formen uns auf eine Weise, die uns anhaften bleibt, mit der wir im besten Fall umgehen lernen, sie aber nie gänzlich ausradieren können. Und das ist etwas, das ich in all meinen Figuren wiederfinde. Ihre Wunden, ihre Traumata haben sie auf eine Weise geprägt, die sich nicht „geradebiegen“ lässt. Allerdings, und das ist natürlich ein ebenso wichtiger Aspekt, muss aus einem „krummen Holz“ nicht zwangsläufig ein „krummes Leben“ erwachsen.
Wo spielt dein Roman und welche Rolle spielt die Landschaft?
Der Roman spielt im ländlichen Südwestfalen, zwischen Sauerland und Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin. Da die Entwicklung der Figuren, das Leben, das sie führen, ein Stück weit meinem eigenen Erleben entspringen und sich nicht einfach so in ein anderes Bild setzen lassen, habe ich mich entschieden, mich der Landschaft meiner Heimat weiter anzunähern, anstatt mich von ihr zu entfernen.
Dein Roman erzählt die Geschichte einer Familie. Was prägt die Generationen in deinem Roman?
Eine Frage, die mich sehr beschäftigt hat und die dem Roman gewissermaßen zugrunde liegt, war, inwieweit die Nachwirkungen von Erziehungsmethoden, die als „Schwarze Pädagogik“ bezeichnet werden, bis in die Gegenwart deutscher Familien reichen. Im Grunde erzähle ich in meinem Roman die Geschichte einer transgenerationalen Traumatisierung. In Jirkas Familie gibt es eine Kultur des Schweigens und sehr viel Härte, hinter der sich oftmals Verletzungen verbergen. Was sich mit dieser Härte kaum vereinen lässt, ist Liebe und Zuneigung. Jirka ist die erste Person seiner Familie, die ihre Weichheit nach außen kehrt und es schafft, sich verletzlich zu zeigen.
Jirka, Leander und Malene sind durch ihre schmerzhafte Vergangenheit miteinander verbunden, aber auch durch die Liebe zueinander. Was wiegt schwerer?
Das Gewicht verschiebt sich mit der Zeit. Alle drei gehen auf ganz unterschiedliche Weise mit ihren Wunden um, das macht es ihnen schwer zueinander zu finden. Keiner von ihnen kommt an den Verletzungen und Traumata ihrer Kindheit vorbei und doch sind sie in der Lage, Vertrauen zueinander aufzubauen, und das rettet am Ende vermutlich alle drei.
Julja Linhof, geboren 1991, wuchs in Westfalen zwischen Hellwegbörde und Arnsberger Wald auf. Von 2012 bis 2015 studierte sie in Leipzig am Deutsch...
Julja Linhof, geboren 1991, wuchs in Westfalen zwischen Hellwegbörde und Arnsberger Wald auf. Von 2012 bis 2015 studierte sie in Leipzig am Deutschen Literaturinstitut. Seit sie die Stadt 2015 für ihr Illustrationsstudium verlassen hat, lebt und arbeitet sie in Hamburg.
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